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Lanzmann

Claude Lanzmann (* 27. November 1925 in Paris) ist ein französischer Regisseur von Dokumentarfilmen und Produzent. Er ist Herausgeber des von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gegründeten Magazins Les Temps Modernes. Sein jüngerer Bruder Jacques Lanzmann ist als Texter der Chansons von Jacques Dutronc bekannt, seine Schwester ist die Schauspielerin Evelyne Rey. Er war mit der deutschen Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff verheiratet.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Leben
2 Filmschaffen zum Holocaust
3 Auszeichnungen
4 Interviews und Porträts
5 Filmografie
6 Autobiografie
7 Weblinks
8 Einzelnachweise

Leben [Bearbeiten]
Claude Lanzmann wurde als Sohn eines Dekorateurs und einer Antiquitäten-Spezialistin und Enkel jüdischer Immigranten aus Osteuropa geboren. Als Schüler des Lycée Condorcet nahm er wahr, wie der Antisemitismus immer mehr um sich griff. Im Jahr 1940 nahm sein in der Résistance engagierter Vater ihn, seinen jüngeren Bruder Jacques und seine Schwester mit in die Auvergne, wo er die Kinder zu Misstrauen und „aktivem Pessimismus“ anhielt und ihnen beibrachte, sich spurlos in Sicherheit zu bringen. Claude Lanzmann organisierte seinerseits als 18-jähriger Schüler den Widerstand im Lycée Blaise Pascal in Clermont-Ferrand (1943) und nahm an mehreren Partisanenkämpfen (La Margeride, Mont Mouchet), im Cantal und in der Haute-Loire durch Angriffe auf die deutsche Besatzungsarmee aus dem Hinterhalt teil.

Nach dem Krieg studierte er ab 1947 in Tübingen Philosophie und arbeitete 1948/49 als Lektor an der Freien Universität Berlin, außerdem leitete er das neu gegründete französische Kulturzentrum. Ein Artikel von Lanzmann über die Freie Universität Berlin erschien im Januar 1950 in der Berliner Zeitung, die damals zum Sektor Ost-Berlin gehörte.[1] Nach seiner Rückkehr nach Frankreich veröffentlichte die Zeitschrift Le Monde auf der Titelseite einige Texte von Lanzmann unter der Überschrift Deutschland hinter dem Eisernen Vorhang. Aufgrund dieser Artikel machte Sartre ihn zum Mitarbeiter seiner Zeitschrift Les Temps Modernes.[2] Er gehörte zum Freundeskreis von Jean-Paul Sartre (1905-1980) und Simone de Beauvoir (1908-1986). Mit Simone de Beauvoir unterhielt er ab 1952 eine sechs Jahre dauernde Liebesbeziehung und blieb ihr bis zu ihrem Tod freundschaftlich verbunden.[3] Gleichzeitig arbeitete er ab 1952 auch an der von Sartre und Beauvoir gegründeten Revue Les Temps Modernes mit und wurde später deren Mitherausgeber. Im Mai 1958 reiste er beruflich nach Korea. Gegen Ende des Algerienkrieges (1954-1962) engagierte er sich für den Antikolonialismus und gehörte zu den Unterzeichnern der als Manifest der 121 (6. September 1960) bekanntenErklärung über das Recht zum Ungehorsam im Algerienkrieg“, wofür er gemeinsam mit mehreren Mitunterzeichnern verhaftet und verhört wurde.

Bis 1970 widmete Claude Lanzmann sich hauptsächlich seiner journalistischen Tätigkeit und der Revue Les Temps Modernes, seither wirkt er auch als Filmschaffender. In seinem ersten Film Pourquoi Israel (1973) beschäftigte er sich mit der eigenen jüdischen Identität. Ein Jahr später nahm er die langwierige Arbeit an dem Film Shoah (1985) auf.

Claude Lanzmann wurde 2001 als Professor für Dokumentarfilm an die European Graduate School in Saas-Fee, Schweiz berufen, wo er im Sommer Workshops unterrichtet.[4]

Filmschaffen zum Holocaust [Bearbeiten]
Das bekannteste Werk Claude Lanzmanns ist der neunstündige Dokumentarfilm Shoah (1985) über die Erinnerung an den Holocaust. Darin werden nur Zeitzeugen interviewt und kein sonstiges Archiv- oder anderes Beweismaterial präsentiert. Diese Technik ist überraschend, wenn man bedenkt, dass es ihm mit dem Film gelang, den Ablauf der Massenmorde vor den Augen der Zuschauenden insgesamt nachvollziehbar werden zu lassen. Zu den interviewten Personen gehören auch Täter des Holokausts. Der Film besteht aus einem ersten und zweiten Filmteil: In dieser Unterteilung Lanzmanns wurde der Film auch im Fernsehen ausgestrahlt.[5]

Gezeigt wird etwa der polnische Widerstandskämpfer Jan Karski, der erstmals in Shoah sein bisheriges Schweigen brach, das auf seiner tiefen Enttäuschung Karskis über die Erfolglosigkeit seiner Mission beruhte. Claude Lanzmann wandte sich 1977 zum ersten Mal mit der Idee an Karski, ihn in seinen geplanten Dokumentarfilm einzubeziehen, der nur auf den Aussagen von Zeugen, Opfern und Tätern basieren sollte. Über ein Jahr lang versuchte Lanzmann in Briefen und Telefongesprächen, Karski zur Mitwirkung zu überreden, ohne dessen Weigerung zu akzeptieren. Nach Lanzmanns Überzeugung hatte Karski eine historische Verantwortung, in dem Film Zeugnis abzulegen. Schließlich drehten Lanzmann und sein Team im Oktober 1978 zwei Tage lang in Karskis Haus. Die Befragung dauerte dann jeweils vier Stunden; der Zusammenschnitt aus den Interviews mit Karski nimmt in der Endversion vierzig Minuten ein. Lanzmann strich fast alles, was Karski über seine Versuche, die Welt aufzurütteln, erwähnte.

Karski machte später deutlich, dass er es vorgezogen hätte, wenn auch die Teile des Interviews, die sich mit seiner Aufgabe im Westen befassten, gezeigt worden wären. Er verurteilte den Film jedoch nicht, sondern verlangte einenebenso großartigen, ebenso wahrheitsgetreuen“ Film, dereine zweite Realität des Holocaustenthüllt, „nicht um der zu widersprechen, die Lanzman zeigt, sondern um diese zu ergänzen“.[6]

Für Claude Lanzmanns epische Filmdokumentation Shoah las und kommentierte der amerikanische Historiker Raul Hilberg Auszüge aus dem Tagebuch von Adam Czerniakow, der bis zu seinem Selbstmord Vorsitzender des Judenrates vom Warschauer Getto war. Am Ende der Sequenz bemerkte Lanzmann zu ihm: „Du warst Czerniakow“ – Lanzmann sah in Hilberg einen Wesensverwandten von Czerniakow, dem wissenschaftlichen, späteren Chronisten des Untergangs.[7]


In der Dokumentation Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr verarbeitete Lanzmann Material über den Aufstand im Vernichtungslager Sobibor, das in Shoah keine Verwendung gefunden hatte.[8] Dem Film liegt ein bereits 1979 für die damals geplante Shoa-Filmdokumentation aufgenommenes Gespräch zugrunde, in dem der aus Polen stammende Jude Yehuda Lerner berichtet, wie er im Vernichtungslager Sobibor einen deutschen Offizier erschlug und damit den Aufstand einleitete, der zu einem Ausbruch aus dem Lager und in der Folge zum Ende von Sobibor überhaupt führte.[9]

Auszeichnungen [Bearbeiten]
Médaille de la Résistance
Kommandeur des Ordre national du Mérite
Ehrendoktorwürde der Philosophie der Hebräischen Universität Jerusalem
Ehrendoktorwürde der European Graduate School für sein Lebenswerk (2004).[10]
Interviews und Porträts [Bearbeiten]
Der Ort und das Wort“, Interview mit Marc Chevrie und Hervé Le Roux, in Cahiers du cinéma No. 374, Paris, Juli/August1985
Die Lüge sichtbar machen“, Auszüge aus einem Interview mit Heike Hurst für die Freunde der Deutschen Kinemathek vom 19. Juli 1985
Ich will den Heroismus zeigen“, Interview mit Katja Nicodemus in der tageszeitung vom 17. Mai 2001
Claude Lanzmann. Dankesrede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde. European Graduate School. 2004
Die Israelis töten, aber sie sind keine Killer“, Interview mit Natascha Freundel in der Berliner Zeitung vom 24./25. Januar 2009
Ich bin stolz, aber nicht eitel“, Claude Lanzmann: Ein Leben. Ein Hausbesuch in der ZEIT Nr. 17 vom 16. April 2009, Seite 49
Filmografie [Bearbeiten]
1972: Warum Israel (Pourquoi Israel)
1985: Shoah (Shoah)
1994: Tsahal (Tsahal)
1997: Ein Lebender geht vorbei. Dokumentation.A Visitor from the Living (Un vivant qui passe), Interview mit Maurice Rossel[11] DVD, Absolut Medien 2010
Hauptaussagen Rossels, Entstehungsgeschichte des Films bei Jonas Engelmann: »Elegante Frauen trugen dort Seidenstrümpfe und Hüte.« Basierend auf Interviewsentstanden zwei Dokumentarfilme… (sie) sind nun auf DVD erschienen. in Dschungel, Beilage zu jungle world No. 19, 12. Mai 2010, S. 8f.
2001: Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr (Sobibor, 14 octobre 1943, 16 heures) ebd. [12]
Autobiografie [Bearbeiten]
Le Lièvre de Patagonie (Der Hase von Patagonien). Gallimard, Paris 2009, ISBN 2-07-012051-1 ISBN 978-2-07-012051-2.
Französisch; auch über Simone de Beauvoir und die Entstehung des Films Shoah.[13]
Deutsche Rechte beim Rowohlt Verlag, Publ. für 2010 angekündigt[14] Vorabdruck (deutscher Auszug) in DIE ZEIT 16. April 2009 S. 49f. und Sinn und Form Heft 4/2009
Weblinks [Bearbeiten]
Literatur von und über Claude Lanzmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Claude Lanzmann in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
Claude Lanzmann Facultyseite an der European Graduate School mit Biographie und Bibliographie (Englisch)
Die Fahne beschmutzt. LanzmannsShoahhat die Polen an ihrer schmerzlichsten Stelle getroffen“, DIE ZEIT, 1986, Nr. 11
Darum Israel“, Zur erstmaligen DVD-Veröffentlichung von Lanzmanns Warum Israel, Jungle World, 2008, Nr. 19
Einzelnachweise [Bearbeiten]
1.↑ Die Kinderkrankheit der Freien Universität vom 6. Januar 1950, dokumentiert in der Berliner Zeitung, 22. Januar 2009
2.↑ „Die Israelis töten, aber sie sind keine Killer“, Magazin der Berliner Zeitung, 24./25. Januar 2009
3.↑ Deirdre Bair: Simone de Beauvoir (Biografie)
4.↑ Claude Lanzmann Facultyseite bei der European Graduate School
5.↑ Sequenzprotokoll auf der Grundlage der 4-Kassetten-Ausgabe des Films Shoah
6.↑ E. Thomas Wood, Stanislaw M. Jankowski: Jan Karski - Einer gegen den Holocaust, 2. Auflage 1997, Bleicher Verlag
7.↑ „Den Tätern auf der Spur“, Berliner Zeitung, 7. August 2007
8.↑ Materialien im Filmarchiv der Fachhochschule Hannover
9.↑ „Ich will den Heroismus zeigen“, die tageszeitung, 17. Mai 2001
10.↑ Video: Claude Lanzmann an der European Graduate School. 2004
11.↑ Rossel war Beauftragter des Internationalen Roten Kreuzes aus der Schweiz, der im Auftrag die KZs Auschwitz und Theresienstadt besuchte und dort nichts Besonderes feststellte
12.↑ die Filme von 1997 und 2001 beruhen auf Material, das L. im Zusammenhang mit »Shoah« gedreht hatte, aber dort nicht verwenden konnte. Siehe vorige Anm.
13.↑ „Claude Lanzmann sur tous les fronts.“, Buchbesprechung von Josyane Savigneau, Le Monde, 20. März 2009
14.↑ „Fleisch der Erinnerung“, Rezension in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 21. April 2009
Normdaten: PND: 118837583 (PICA) | LCCN: n85044378 | VIAF: 100268136 | WP-Personeninfo
Personendaten
NAME Lanzmann, Claude
KURZBESCHREIBUNG französischer Filmregisseur
GEBURTSDATUM 27. November 1925
GEBURTSORT Paris
Vonhttp://de.wikipedia.org/wiki/Claude_Lanzmann“
Kategorien: Dokumentarfilmer | Herausgeber | Résistance | Hochschullehrer (Saas-Fee) | Träger des französischen Nationalverdienstordens (Kommandeur) | Französischer Künstler | Person (Paris) | Geboren 1925 | Mann


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