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wuming schrieb am 8.2. 2009 um 04:37:06 Uhr über

Regisseur

Frank Castorf
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Frank Castorf (* 17. Juli 1951 in Berlin) ist ein deutscher Regisseur und Intendant der Volksbühne Berlin.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Leben
2 Theaterarbeit
3 Ensemble
4 Inszenierungen (Auswahl)
5 Auszeichnungen
6 Literatur
7 Weblinks



Leben [Bearbeiten]
Castorf absolvierte von 1969 bis 1970 eine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn und studierte nach dem Wehrdienst bei den Grenztruppen der NVA von 1971 bis 1976 Theaterwissenschaft bei Ernst Schumacher, Rudolf Münz und Joachim Fiebach an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Thema seiner Diplomarbeit lautete: »Grundlinien der 'Entwicklung' der weltanschaulich-ideologischen und künstlerisch-ästhetischen Positionen Ionescos zur Wirklichkeit« und wurde mit der Note »sehr gut« (1,0) bewertet.

Von 1976 bis 1978 war er Dramaturg am Bergarbeitertheater Senftenberg und Oberspielleiter am Theater Anklam. Nach einem Verweis wechselte er zum Stadttheater Brandenburg (Havel). Dort wurde 1984 seine Inszenierung von Bertolt Brechts Trommeln in der Nacht auf Druck der SED-Kreisleitung abgesetzt. Nach der Aufführung seiner Inszenierung von Ibsens Nora kam es zu einem Disziplinarverfahren, und sein Arbeitsvertrag wurde aufgelöst.

In der Folgezeit arbeitete Castorf u. a. für das Schauspielhaus Karl-Marx-Stadt, das neue theater halle, die Volksbühne Berlin und das Deutsche Theater Berlin.

Seit 1989 inszenierte er auch in der Bundesrepublik Deutschland: u. a. im Prinzregententheater München, dem Residenztheater München und dem Schauspielhaus Hamburg. Seit 1992 ist er Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte.

1994 wurde er mit dem Fritz-Kortner-Preis ausgezeichnet. Im Jahr 2000 erhielt er gemeinsam mit dem Schauspieler Henry Hübchen den Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung und eine Nominierung für den Nestroy-Theaterpreis, 2002 den Schillerpreis der Stadt Mannheim. 2003 wurde er mit dem Preis des Internationalen Theaterinstituts (ITI) und dem Friedrich-Luft-Preis der Berliner Morgenpost ausgezeichnet. Die Zeitschrift Theater heute wählte Castorf in den Jahren 2002 und 2003 zum »Regisseur des Jahres«.

Im Jahr 2004 war Castorf künstlerischer Leiter der Ruhrfestspiele Recklinghausen. Wegen finanzieller Einbußen kündigte der Hauptgesellschafter der Festspiele, der DGB, Castorfs Vertrag nach nur einer Saison vorzeitig.


Theaterarbeit [Bearbeiten]
Castorfs Inszenierungen können dem zugerechnet werden, was seit einigen Jahren, sowohl in der Theaterwissenschaft als auch im Feuilleton, als postdramatisches Theater bezeichnet wird. So liegt seinen Inszenierungen und seiner Arbeitsweise in der Regel eine Haltung zugrunde, die sich wesentlich vomnormalen“ Arbeitsprozess unterscheidet. Castorf gebraucht eine literarische Vorlage zumeist, um durch biographische Details, Verfremdungsmittel wie Unsinn, Slapstick, Derbheiten eine eigenartige, „privateSicht auf das Treiben seiner Schauspieler auf der Bühne zu erzeugen, was Castorf regelmäßig den Vorwurf einbrachte, ein „Stückezertrümmerer“ zu sein und konservative Theatergänger auf die Barrikaden rief. Ein Hauptmittel hierzu spielt seit einigen Jahren der intensive, experimentelle Gebrauch von Videokameras und Leinwänden, die eine eigenartige Wahrnehmungsperspektive ermöglichen. Trotz aller Kritik, die von verächtlicher Polemik bis zur intellektuellen Auseinandersetzung reicht, genießt die Berliner Volksbühne unter Castorfs Leitung seit Jahren so etwas wie Kultstatus, insbesondere unter jüngeren Leuten, die den Theaterbesuch regelmäßig alsParty-Ersatzhinnehmen. Darüber hinaus darf Castorfs Theaterarbeit als ernstzunehmende und richtungsweisende Experimtalästhetik gelten, die seit Beginn seiner Intendanz im Jahr 1992 bundesweit für neue Tendenzen ausschlaggebend gewesen ist, so etwa in der Frage nach einer Ästhetik eines politischen Theaters. In diesem Zusammenhang sorgte eine Äußerung Castorfs für Skandal, nach der er sich »nach Stahlgewittern« sehne, worunter nichts anderes gemeint war, als dass Emotionalität, unmoralische Aggressionen und die Intensität physischer Erfahrungen zu seinem Programm und seiner »Sehnsucht« gehörten, was die westdeutsche Presse allgemein als »faschistoides Gedenke« verurteilte und Castorf in einem Atemzug mit dem Regisseur Einar Schleef erwähnte.

Es geht Castorf laut eigener Aussage darum, einen Zustand von „einmaliger Realitätauf der Bühne herstellen zu können, so dass die Probleme, Schicksale und Zustände der Figuren auch immer als Zustände, Schicksale und Probleme der Schauspieler begriffen werden und so auf menschlich greifbare Weise ihre Wirkung zeigen. Das bedeutet nicht, dass die Schauspieler dieselben Sorgen tragen, aber sie müssen sielebendigvermitteln können. Einfühlung oder verfremdendes Spiel wie bei Stanislawski oder Brecht interessieren Castorf nicht; er glaubt nicht an die Möglichkeit einer mimetischen Wiedergabe von Weltzuständen auf der Bühne und will keinals-ob-Theaterinszenieren. Statt dessen suchen seine Schauspieler durch physische Höchstanstrenungen diesen Zustand zu erreichen, so dass sich derSinnvon selbst, in der wahrnehmenden Haltung des Zuschauers, einstellt. Den Schauspielern wird hierfür bereits auf Proben die Möglichkeit gegeben, sich so weit als möglich auf experimentelle Weise mit den Vorgaben auseinanderzusetzen, um so spontane Spielzustände und Momente der »Echtheit« ausprobieren zu können. Insofern unterscheidet sich Castorfs Probenarbeit deutlich von konventionellen Probenprozessen, die von einem leitenden Regisseur kontrolliert werden. Gleichwohl behält sich Castorf ausdrücklich das Recht auf Zustimmung oder Ablehnung von Einfällen, Ideen, Anreicherungen oder Spielweisen vor.

DieKomplexität der Weltwird auf der schriftlichen Grundlage von Dramen oder (seit einigen Jahren) Romanen der Weltliteratur thematisiert. Autoren wie Dostojewski, Bulgakow, Tennessee Williams, Pitigrilli aber auch Heiner Müller oder Bertolt Brecht liefern den Stoff für Castorfs Inszenierungen. Die Texte liefern jedoch lediglich Versatzstücke und werden nach persönlichen Vorlieben zensiert, gekürzt, größtenteils durch Assoziationsmaterial, Filmzitate, fremde Dramen, politische Reden oder Manifeste, philosophische Texte oder Songs ergänzt und verfremdet. Eine komplexe gesellschaftliche oder anthropologische Dimension eines Romantextes etwa wird durch entsprechende Inszenierungsmittel auf einemenschlich-naheEbene reduziert, die erzählbar und verständlich ist und so implizit die große Idee, etwa Politik, aufmenschlicheWeise vermittelt.


Ensemble [Bearbeiten]
KünstlerInnen, mit denen Castorf regelmäßig arbeitet bzw. bereits gearbeitet hat, sind:

Kathrin Angerer
Hendrik Arnst
Herbert Fritsch
Corinna Harfouch
Carl Hegemann (Dramaturg)
Marc Hosemann
Henry Hübchen
Sir Henry (Musiker, Pianist)
Steve Binetti (Musiker, Gitarrist)
Astrid Meyerfeldt
Birgit Minichmayr
Milan Peschel
Silvia Rieger
Sophie Rois
Alexander Scheer
Bernhard Schütz
Matthias Schweighöfer
Jeanette Spassova
Volker Spengler
Joachim Tomaschewsky
Martin Wuttke

Inszenierungen (Auswahl) [Bearbeiten]
Stückfragmente nach Bertolt Brecht, 1976, Bergarbeitertheater Senftenberg
Handbetrieb, 1978, Bergarbeitertheater Senftenberg
Golden fließt der Stahl, 1980, Stadttheater Brandenburg
Die Nacht nach der Abschlußfeier, 1981, Theater Anklam
Die Schlacht, 1982, Theater Anklam
Othello, 1982, Theater Anklam
Der Auftrag, 1983, Theater Anklam
Trommeln in der Nacht, 1984, Theater Anklam
Nora oder ein Puppenheim, 1985, Theater Anklam
Der Bau, 1986, Schauspielhaus Karl-Marx-Stadt
Clavigo, 1986, Theater Gera
Bernarda Albas Haus, 1986, neues theater Halle
Ein Volksfeind, 1988, Schauspielhaus Karl-Marx-Stadt
Wolokolamsker Chaussee, 1988, Kleist-Theater Frankfurt (Oder)
Das trunkene Schiff, 1988 Volksbühne Berlin
Paris, Paris (Sojas Wohnung), 1988 Deutsches Theater Berlin
Hamlet, 1989 Theater in der Kuppel Köln
Miss Sarah Sampson, 1989, Prinzregententheater München
Aias, 1989, Basel
Die Räuber, 1990, Volksbühne Berlin
Stella, 1990, Schauspielhaus Hamburg
John Gabriel Borkmann, 1990, Deutsches Theater Berlin
Torquato Tasso, 1991, Residenztheater München
Wilhelm Tell, 1991, Basel
Hermes in der Stadt, 1992, Deutsches Theater Berlin
König Lear, Rheinische Rebellen und Fremde in der Nacht, 1992, Volksbühne Berlin
Clockwork Orange und Frau am Meer, 1993, Volksbühne Berlin
Alkestis, 1993, Wiener Festwochen, in der Übersetzung von Dietrich Ebener
Pension Schöller: die Schlacht und Die Sache Danton, 1994, Volksbühne Berlin
Alles StaSi - außer Mutti, Podiumsdiskussion, 1995
Nibelungen - Born Bad, Pelmeni und Gescheiterte Vorstellung, 1995, Volksbühne Berlin
Raststätte oder Sie machen´s alle, 1995, Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Golden fließt der Stahl und Der Auftrag, 1996, Volksbühne Berlin
Des Teufels General, 1996, Volksbühne Berlin
Trainspotting, 1997, Volksbühne Berlin
Schmutzige Hände und Terrodrom, 1998, Volksbühne Berlin
Otello von Giuseppe Verdi, 1998, Theater Basel
Richard II., 1999, Volksbühne Berlin
Die Tochter der Luft, 1999 Burgtheater Wien
Das obszöne Werk: Caligula, 2000
Vaterland, 2000, Schauspielhaus Hamburg
Dämonen, 2000, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Berlin Alexanderplatz, 2001, Schauspielhaus Zürich
Erniedrigte und Beleidigte, 2001, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Der Meister und Margarita, 2002, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Der Idiot, 2002, Volksbühne Berlin
Forever Young (Süßer Vogel Jugend), 2003, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Trauer muss Elektra tragen, 2003, Schauspielhaus Zürich
Kokain, 2004, Volksbühne Berlin
Gier nach Gold, 2004, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
Meine Schneekönigin, 2005, Volksbühne Berlin
Der Marterpfahl, 2005, Volksbühne Berlin
Groß und Klein, 2005, Volksbühne Berlin
Schuld und Sühne, 2005, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Im Dickicht der Städte, 2006, Volksbühne Berlin
Meistersinger, 2006, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit dem Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg, dem Théâtre National de Chaillot, Paris und Det Kongelige Teater, Kopenhagen
Nord, 2007, Volksbühne Berlin, Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Emil und die Detektive, 2007, Volksbühne Berlin (2 Fassungen, ab 9 und ab 17 Jahren)
Berlin Alexanderplatz, 2007, Volksbühne Berlin
Jakob Lenz 2008 Wiener Festwochen, MuseumsQuartier
Hunde - Reichtum ist die Kotze des Glücks, 2008, Volksbühne Berlin

Auszeichnungen [Bearbeiten]
2003: Verdienstorden des Landes Berlin

Literatur [Bearbeiten]
Hockenbrink, Tobias: Karneval statt Klassenkampf. Das Politische in Frank Castorfs Theater, Marburg: Tectum Verlag 2008, ISBN 382889819X
S. Wilzopolski Theater des Augenblicks: Die Theaterarbeit Frank Castorfs. Eine Dokumentation, Berlin 1992, ISBN 3929333120
J. Balitzki Castorf, der Eisenhändler. Theater zwischen Kartoffelsalat und Stahlgewitter, Berlin 1995, ISBN 3861530929
H.-D. Schütt Die Erotik des Verrats. Gespräche mit Frank Castorf, Berlin 1996, ISBN 3320019163
R. Detje Castorf: Provokation aus Prinzip, 2002
J. Wangemann Prärie. Ein Benutzerhandbuch, Berlin 2006, ISBN 3895811564.
Frank Castorf, Forever Young. Hg. von Carl Hegemann, Berlin, Alexander Verlag 2003.
Endstation. Sehnsucht. Programmheft zur Inszenierung »Endstation Sehnsucht« von Frank Castorf. Hg. von Carl Hegemann, Berlin, Alexander Verlag 2000.
Glück ohne Ende. Programmheft zur Inszenierung »Elementarteilchen« von Frank Castorf. Hg. von Carl Hegemann, Berlin, Alexander Verlag 2000.
Erniedrigung geniessen. Programmheft zur Inszenierung »Erniedrigte und Beleidigte« von Frank Castorf. Hg. von Carl Hegemann, Berlin, Alexander Verlag 2001.
Einbruch der Realität. Mit einem Text von Frank Castorf. Hg. von Carl Hegemann, Berlin, Alexander Verelag 2002.
Das Schwindelerregende. Zu Frank Castorfs Inszenierung »Kokain«. Hg. von Carl Hegemann, Berlin, Alexander Verlag 2004.

Weblinks [Bearbeiten]
Literatur von und über Frank Castorf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (Datensatz zu Frank Castorf • PICA-DatensatzEinträge im Musikarchiv)
Frank Castorf: 50 Regisseure im deutschsprachigen TheaterSeite des Goethe-Instituts
Frank Castorf im Alexander Verlag Berlin - TheaterFilmLiteratur
Personendaten
NAME Castorf, Frank
KURZBESCHREIBUNG deutscher Regisseur und Intendant der Volksbühne Berlin
GEBURTSDATUM 17. Juli 1951
GEBURTSORT Berlin

Vonhttp://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Castorf“
Kategorien: Mann | Deutscher | Theaterregisseur | Theaterintendant | Träger des Verdienstordens des Landes Berlin | Geboren 1951


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