mo schrieb am 28.1. 2001 um 01:45:10 Uhr zu
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Die Nacht fühlte sich kühl und glatt an, die Stille war irgendwie greifbar.
Ich fühlte mich schrecklich melancholisch und als mir dieser Gedanke klar wurde, musste ich darüber schmunzeln. Denn wie viel Melancholie gibt ein Bild ab, welches ich in diesem Augenblick bot: meine verknuddelte Kleidung, achtlos übergestreift, um den Müll runterzubringen, (aber es war ja spät und deshalb unwichtig, da ich nicht annahm, um diese Zeit noch einem meiner ältlichen und durchweg unspektakulären Nachbarn über den Weg zu laufen) die Haare zerzaust und in unmöglichen Winkeln vom Kopf abstehend, heulend und den Dreck von meinen Schuhen streifend, weil ich, wie für mich typisch und ganz dem Klischee eines schlechten Films entsprechend, in die einzige Matschpfütze getreten war, die sich im Innenhof fand.
Heulend deshalb, weil es Freitagabend war und ich es nicht geschafft hatte, mich mit Freunden zu verabreden, mein kaum vorhandenes Selbstwertgefühl auszutricksen und einfach mal meinen Spaß zu haben. Nicht, dass sich keiner erboten hätte mit mir wegzugehen. Sogar mehrere hatten versucht mich zu erreichen, aber während diese Menschen meinen AB vollquatschten, saß ich nur dämlich daneben und knirschte vor Selbstmitleid und Ärger mit den Zähnen, weil ich mal wieder so verdammt lethargisch und undiszipliniert war.
Soviel zur Melancholie...
Den Schmutz besiegt, stapfte ich also zurück in den ersten Stock und schlug mit Karacho die Tür zu meinem neuen Eigenheim zu (ein kurzer Anflug von schlechtem Gewissen meinen Nachbarn gegenüber, der aber auch gleich wieder verschwand: die waren sowieso alle taub).
Ich sah mich um: eigentlich müsste ich ja so was wie Stolz verspüren, denn meine Wohnung glich immer mehr meinem kreativen Potential: Schlicht, blau-weiß, geschmackvoll und individuell, wie ich mir einredete. Dann fiel mir der Stapel Geschirr ins Auge, der immer mehr dem schiefen Turm von Pisa glich, mit jedem weiteren Kaffeebecher, Löffel und noch nudelbehaftetem Teller, welchen ich im Laufe der letzten Woche dazudrapiert hatte.
Stöhnend machte ich mich daran, das Zeug zu spülen, zum Abtrocknen konnte ich mich dann aber doch nicht mehr aufraffen. Wen sollten ein paar Wasserflecken denn auch stören? Mich und meine Katze sicher nicht. Und einen Nachbarn, den ich mit glänzenden Gläsern hätte beeindrucken können, gab es wie gesagt auch nicht in meinem Leben.
Mein Leben, ach ja.
Ich denke, ich war an einem Punkt angekommen, an dem mich nicht überzeugte, was als Resultat eines vorläufigen Resümees herausgekommen war: 18 Jahre, solo, trotz eigener, von Papi finanzierter Wohnung, daher Unabhängigkeit und einer großen Anzahl Möglichkeiten und eigentlich guter Voraussetzungen schrecklich labil, pessimistisch, fett und ungeliebt.
Unzufrieden, zu hohe Maßstäbe? Ich doch nicht.
Ein Ziel musste her, eine Aufgabe, etwas, das mich völlig erfüllen und mir die Selbstbestätigung geben würde, um unbeschwert auch meiner Umwelt so zu begegnen, wie ich wirklich war. Und nicht dieses ständige Verstecken vor der “Öffentlichkeit“ und sich selbst einreden, man sei sowieso nicht wichtig für den Fortbestand der Welt.
Hey, im Miesmachen war ich wirklich gut, das musste man mir lassen.
Etwas wirklich furchtbares ist das durchdringende Piepsen von billigen Weckern, die man für Zeitschriftenabos bekommt. Vor allem morgens um 6:30Uhr. Und vor allem jeden Morgen, wenn einem schlagartig klar wird, dass man aus dem wohlig warmen Bett muss, um sich mit ca. 20 ebenso motivierten Gestalten in einem Raum dem „Ernst des Lebens“ zu widmen. Ich habe das nie verstanden. Da lernt man Nathans Weisheit, irgendwas von Toleranz oder so und dabei kämpft man schon in der großen Pause mit den Vorurteilen und Wertvorstellungen der Clique. Und was zum Geier, bringen mir Kurvendiskussionen im täglichen Clinch mit Eltern oder Arbeitgebern. Die diskutiert man nicht nach Regeln und Vorschriften an die Wand...
Trotzdem ging ich eigentlich recht gern zur Schule. Da hatte man wenigstens ein bisschen Rhythmus und etwas zu tun. Außerdem, ohne Schule gab es keine Pausen oder Hohlstunden, in denen man wenigstens mal mit Freunden zu tun hatte, die man in der Freizeit sonst nie zu Gesicht bekam.
Nach dieser Erkenntnis tapste ich mit geschlossenen Augen in mein Badezimmer ( mein Badezimmer, wie geil) klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht, blinzelte vorsichtig in den Spiegel und sah gleich wieder weg. Irgendwie dachte ich jeden Morgen, es könnte passiert sein: einmal aufwachen, sich freundlich zuzwinkern und völlig zufrieden mit sich sein. Nun gut, ein Blick auf den Abowecker, der im Bad stand, weil er zu laut tickte und das Piepsen wie gesagt noch deutlich genug zu hören war und dann das Programm im Schnellverfahren: duschen, Zähne putzen, Schminke (okay, ich geb´s ja zu...) verzweifeltes durch-die-Haare-zwirbeln, alle Fenster auf Kippe, Anrufbeantworter an (vielleicht...), Schultasche umgehängt, noch genug Wasser im Futternapf? Und ab durch die Mitte.
Aber eigentlich geschah nichts dergleichen. Mein Kopf pochte wie verrückt und als ich versuchte aufzustehen, durchzuckte mich ein Schwindelgefühl, dass es mich nur so drehte. Uah. Meine kleine Kamikatze tapste über meinen Rücken und krallte sich urplötzlich in meinen Haaren fest. Na danke.
Torkelnd schaffte ich es in die Küche, wo mich der leere Kühlschrank angähnte. Also kein Frühstück. Na gut.
Enttäuscht von Gott und der Welt plumpste ich zurück in mein Bett und bereitete mich aufs Sterben vor.
Zwei Stunden später lag ich auf dem Sofa, schlürfte Tee und versuchte mir auszurechnen, wie lange ich wohl brauchen würde, um all den verpassten Stoff nachzuholen. Denn so wie heute ging es mir schon seit anderthalbWochen. Mal schaffte ich es in die Schule, mal war mir so elend, dass ich mir überlegte, einfach mit der ganzen Kotzerei aufzuhören und mir wieder einen Rhythmus in jeglicher Hinsicht anzugewöhnen.
Dazu braucht man aber im Allgemeinen ein bisschen Kraft und Disziplin und ich weiß nicht, irgendwo auf meinem Weg zu mir selbst, war mir der abhanden gekommen.
Fazit war wie so oft die eigene Unzulänglichkeit.
Ja aber Stopp mal, in der Gleichung konnte etwas nicht stimmen.
Wenn die ganze Welt so gemein war und ich ein Versager, warum machte dieses Leben dann manchmal so tierisch Spaß? Ohne Wenn und Aber und sonstige Nebensächlichkeiten. Immerhin war mein Humor ab und an so gar nicht von schlechten Eltern und ich hin und wieder erstaunt, dass die Leute so herzlich darüber lachen konnten. Und ich ja auch. Ja und dann noch die Sache mit dem völligen Genießen: geh doch mal so auf in einem Song und tanz herum, wie völlig besoffen, aber Grund für diese ekstatischen Schlenker ist nur, dass du den Augenblick so schön findest.
Wenn ich so darüber nachdachte, dann gab es in meinem Dasein nur den völligen Kontrast: das vielbekannte Himmelhochjauchzen und zu Tode betrübt, schwarz-weiß, Berg und Tal, Sonnenschein oder Gewitter.
Hm. Schön. Und was mach ich mit dieser Erkenntnis?
Wenn ich mich nur auf meine Umwelt konzentrierte, mich intensiv mit einer Aufgabe beschäftigte, meine volle Aufmerksamkeit auf den Menschen richtete, mit dem ich sprach, oder nur die Augen schloß, um Musik oder Stille in mir aufzunehmen, dann war ich weit weg von mir, meinem Körper, der mich so belastete und schwebte frei in meinen Gedanken umher. Dann war ich glücklich oder so.
Zu oft landet man dann aber wieder ganz aprubt in dem, was wir Realität nennen.
Das Telefon klingelte.
Das meine ich damit.
Da waren wir wieder bei meiner augenblicklichen Situation und der Seelenhunger war wieder da.
Den konnte ein Freund von mir leider auch nicht stillen, obwohl der Versuch ja nett war, mich ins Kino überreden zu wollen.
Aber unter Leute, in dieser Verfassung???
No way.
Das Schlimme daran war, dass ich mir diese Verfassung ja selbst zuzuschreiben hatte.
Wenn ich mich nicht tagtäglich von dieser Krankheit besiegen lassen würde, würde mein Gewicht auch nicht so furchtbar schwanken und ich würde mich vielleicht...irgendwann wieder wohl in meiner Haut fühlen.
Ja, ja, oh du mein Selbstmitleid, diesen Weggefährten kannte ich mittlerweile nur allzu gut. Aus solchen Gedankengängen entstanden dann auch Gedichte in der Art:
an dich
wenn windwarme sonnenluft
unsere tanzenden auren umspielt
träumt sich meine liebe
hinter mondstaubbedeckte hügel.
du und der schmerz,
ihr löst die schatten;
deutlich treten wahrheitsträchtige antworten
aus diesem chaos hervor.
wenn der sommerwind mich frösteln macht,
verwischen fragen und emotionen
zu den herzkalten ketten in mir.
schwarz
sitze am fenster und werde luftgestreichelt
gedankendenken
ermüdet
worte fassen sich bei der hand
gehen ihren weg und
weg
mir ist windkalt
und die tiefe lockt
zoom
wie fühlt sich der grauheiße asphalt an?
brüchige fensterrahmenfarbe
festkrallende verzweiflung
spielen miteinander
wolkenfragen
weitweg
und wieder bin ich bei mir
unbeschreiblich
ein wort in mir.
sand, der durch meine finger rieselt.
der erste schluck nach staubigen wegen.
das schaudern beim anblick
eines perfekten augenblicks.
ein flüchtiges streichen von atem
über meinen nacken.
niemals endendes einatmen.
ich sehne mich so.
Manchmal klingelt das Telefon und ich bekomme Angst.
Fühle mich ertappt, weil jemand bemerkt haben könnte, dass ich zusammengerollt auf dem Sofa kauere und leise vor mich hinschluchze.
Dabei gibt es so oft keinen Anlass.
Das passiert mir heute wie damals und das Gefühl ist immer dasselbe.
Baby, war ich geschafft! Erst war ich joggen, danach mindestens eine Stunde schwimmen (zum Glück trifft man in Hallenbädern keine wirklich bedeutenden Leute, sondern meistens nur etliche Seniorencliquen, also muss man sich nicht so in Acht nehmen, nach etwas auszusehen...) und hatte im Zuge meines plötzlich wiederauferstandenen Aktionismus auch noch meinen uralten Schrank (geschenkt bekommen und selbst zusammengebaut) angemalt und mit Spiegelscherben beklebt.
Wie es kam? Keine Ahnung, manchmal stellte sich der Modus Sonnenschein bei mir von ganz alleine ein. Gut, zu viel Koffein konnte auch der Grund sein...ich ernährte mich zur Zeit nur von Luft, Liebe und Kaffee...
Wobei das mit der Liebe so eine Sache war. Ich fühlte mich seit langer Zeit mal wieder so furchtbar heftig verstanden, dass allein diese Tatsache schon ausreichte, um meinen Bauch mit Glücksgefühlen zu füllen und mich dazu brachte, wieder anzufangen mit dieser Sache, die man im allgemeinen Leben nennt.
Ich sah mich dann auch seit langer Zeit wieder mal in der Lage, mit Freunden auf ein ultimatives Oberstufenfest zu gehen und mich dort fast wohlzufühlen.
Ich sah viele Leute wieder, von denen ich lange nichts gehört hatte, fühlte mich durch den unvermeidlichen Alkohol gelöst beschwingt und freute mich meiner selbst, in einer Ecke sitzend, die Musik in mich aufnehmend und beim Beobachten der ausgelassenen Menschen um mich herum.
Gut, das alles endete ein bisschen abrupt, denn meine Freundin, die an diesem Abend bei mir übernachten wollte, lag irgendwann draußen in einer Ecke und hatte bereits rückwärts gefrühstückt, als ich sie fand und sie zu mir organisieren musste. Hätte nie gedacht, dass ein zierliches Mädel so verdammt schwer sein kann. Wir mussten sie die Treppen hochschleifen und überprüften zwischendurch immer mal wieder, ob sie überhaupt noch atmete... aber sie war bereits im Komastadium angelangt und schlief tief und fest, so wie sie war, als wir sie endlich aufs Sofa bugsiert hatten.
Ja, ja... wenn man eben nicht weiß, wann man aufhören muss...
Überhaupt ist das mit der Dosis so eine Sache. Ich würde alles für eine Bedienungsanleitung geben, nach der das Leben ausgeglichen verläuft und man nicht immer von einem Extrem ins andere rutscht.
Leider bestimmte das aber augenscheinlich immer noch meinen Tagesablauf, obwohl ich mir nach meinem Klinikaufenthalt eingeredet hatte, ich wisse jetzt, wie ich mit mir umgehen muss, um nicht wieder abzurutschen.
Nun sah es so aus, dass ich zwar autonom, aber hilflos meinen Gefühlen ausgeliefert war.
Und wenn ich mich nur auf meine Gefühle verlassen wollte, funkte mein Kopf wieder dazwischen, hinterfragte alles und machte mir den Genuss einer Sache, im Moment einer bestimmten Sache, einer sehr bestimmten, herzerfüllenden Sache, unmöglich.
Die Sache hieß Marc, studierte in Frankfurt und begegnete mir zufällig virtuellerweise im www. Er nahm mich so gefangen in seiner mir ähnlichen Persönlichkeit und klaute mein Herz, als er mich nach 4 mit Telefonaten und unendlich tiefgründigen schriftlichen Dialogen gefüllten Wochen für 5 wundervolle Tage besuchte.
Als er wieder weg war, begann natürlich die Vernunft das Wort zu ergreifen und hinterfragte die Chance auf eine Beziehung über eine solche Distanz.
Sonntage sind wirklich ekelhaft. An diesen Tagen scheint das Leben in Zeitlupe und mit Schalldämpfern versehen abzulaufen, man kann sich zu rein gar nichts motivieren, hängt sich aus lauter Verzweiflung vor die Glotze und schmachtet die Heiapopeia-Glitzer-Blümchen-lenorgespülte Serienwelt an. Lauter schöne Menschen mit aufregenden Existenzen, niemals falsch sitzender Frisur und den perfekten Attributen.
Meistens hat man sogar eigentlich etwas zu tun, für die Schule zum Beispiel. Aber genauso wie man diese Dinge vor sich herschiebt, übersieht man auch geflissentlich den schwankenden Wäscheberg, der einen schon die ganze Woche drohend anschielte und von dem man sich vorgenommen hatte, sich ihm am Wochenende endlich zu entledigen.
Auch ich saß mal wieder mit einer Kanne Gute-Laune-Tee (wieso heißt der eigentlich so?) auf dem Sofa und dachte mit schlechtem Gewissen an die Montagmorgen-Geschichtsstunde, in der ich wie so oft beten würde, nichts über das Thema sagen zu müssen, über das wir uns hätten informieren müssen.
Die Katze zerfetzte inzwischen die Tapete an der Stelle, an der ich schon lange etwas zum Kratzen hatte aufhängen wollen und mein Traummann lieferte den TV-Büroschnepfen ihre Cola-light.
Eigentlich wollte ich doch joggen gehen...
Aber das miese Wetter, mein Rücken, die vorangeschrittene Zeit und überhaupt hätte das alles ja sowieso keinen Sinn.
Na ja, was hat überhaupt Sinn?
Das alte Lied.
Ein dumpfes Gefühl in Bauch und Kopf, die Augen verklebt und den Geruch fremder Bettwäsche in der Nase, richtete ich mich verwirrt auf, nicht in der Lage, mich zu erinnern, warum ich hier war.
Ich befand mich in einem hellen und freundlich eingerichteten Zimmer, mein Koffer stand mitten im Raum und vor dem Fenster wiegten sich die Tannen hin und her.
Ach ja, hier war ich doch schon mal.
Alles fiel mir wieder ein; ich hatte versagt. Alltag und Schule hatten mich trotz meiner tollen Voraussetzungen besiegt, ich wog soviel, wie noch nie in meinem Leben und mein Hals fühlte sich an wie ein geschmolzenes Gummiboot. Scheiß Kotzerei.
Seufzend drehte ich mich um und suchte eine Uhr. Was hätte ich für das Aboweckerticken gegeben, einen Tagesplan und die unbeschwerte Freude auf das Leben.
Und meine Katze hatte ich auch zurücklassen müssen. Die würde mir bestimmt nie verzeihen, dass sich lauter fremde Menschen abwechselnd um sie kümmern würden.
Jetzt würden sich erst mal eine Menge Menschen um mich kümmern, schon wieder.
Mein schlechtes Gewissen allem und jedem gegenüber nahm den ganzen Raum ein.
Ich raffte mich auf, stellte mich unter die Dusche, seifte mich lieblos ein und ließ danach 5 Minuten eisiges Wasser auf mich niederprasseln.
Zitternd streifte ich mir ein Shirt und Jogginghosen über, trocknete mir die Haare und ging runter zum Frühstück. Es war schon spät, einige der Patienten hatten sich schon zur Morgenrunde unterm Dach aufgemacht und die anderen blickten mich neugierig an, wie jeden, der neu ankam und sich noch nicht in der Runde vorgestellt hatte. Ich kannte das ja zur Genüge. Ohne jemanden anzusehen, goß ich mir Kaffee ein und vermied es, auch nur einen Blik auf das vollbeladene Buffet zu werfen. Den Gefallen würde ich ihnen nicht tun. So unförmig und dann auch noch essen, wie kann man nur?
Mit den letzten betrat auch ich das Dachzimmer und setzte mich schnell auf einen Stuhl neben der Tür, bitte nur keine Blicke. Von den Therapeuten lächelten mich einige an, ich meinte herauszulesen: Na, schon wieder hier? Nichts dazugelernt? Armes Kind.
Nachdem die Vorstellung des armen Kindes zwischen morgendlicher Begrüßung des Tages und organisatorischer Fragen untergebracht worden war, schlappte alles nach unten und orientierte sich anhand seines Therapieplans, was für ihn heute auf dem Programm stand.
Die nächsten 5 Wochen verbrachte ich dann also mit autogenem Training, kotzen, heulen, kotzen, meine Therapeuten anschweigen, kotzen, mich in meinem freundlich und gelb eingerichteten Zimmer verkriechen, kotzen und die ganze Welt furchtbar finden. Irgendwann griff mein Therapeut dann doch wieder zu Antidepressiva und steckte mich ins Bett, wo ich dann erst mal 4 Tage durchschlief, um mich von meinem Zusammenbruch zu erholen. Denn irgendwann konnte ich nicht mehr. Erst war es erleichternd gewesen, der Gedanke, nicht mehr in die Schule zu müssen, die Verantwortung dem Klinikpersonal übergeben und sich an der Hoffnung festhalten zu können, dass ich in diesem geschützten Rahmen wieder zu mir selbst finden und mich wieder annehmen zu können. Pustekuchen, ich verlor immer mehr den Bezug zu mir, vor allem zu meinem Körper und fand mich so ekelhaft, dass ich mich vor den anderen schämte und nur noch alleine sein wollte, was mich aber auch schmerzte und fast durchdrehen ließ.
...irgendwann nur noch Nebelschwaden in meinem Kopf... schönes versinken in stumpfe Träume...
z200motels@aol.com schrieb am 28.5. 2001 um 17:24:56 Uhr zu
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Was ist Unendlichkeit ?
Unser Paar war einige Monate unterwegs. Als sie schließlich auf die Insel zurückkamen, verloren sie keine Zeit und besuchten sofort den Zauberer. »Seid willkommen !« begrüßte er sie. »Und nun wollt ihr etwas über die Unendlichkeit erfahren ?« »Sie haben ein gutes Gedächtnis«, sagte Annabel. »In Ordnung«, sagte der Zauberer. »Aber dazu sollten wir erst einmal unsere Begriffe sorgfältig definieren. Was meint man mit dem Wort <unendlich> ?« »Für mich bedeutet das endlos«, sagte Alexander. »Für mich ebenfalls«, sagte Annabel. »Das ist so noch nicht zufriedenstellend«, sagte der Zauberer. »Ein Kreis ist endlos in dem Sinn, daß er weder Anfang noch Ende hat, und doch würdet ihr nicht sagen, daß er unendlich ist - denn obwohl er aus unendlich vielen Punkten besteht, hat er nur eine endliche Länge. Ich möchte über die Unendlichkeit in dem präzisen Sinn sprechen, wie ihn die Mathematiker gebrauchen. Natürlich wird dieses Wort auch anders verwendet; Theologen sprechen oft von Gott als unendlich, obwohl einige von ihnen ehrlich genug sind zuzugeben, daß im Zusammenhang mit Gott dieses Wort eine andere Bedeutung hat als sonst. Nun, ich will nicht den theologischen oder irgendeinen anderen Gebrauch dieses Worts abschätzig beurteilen, aber ich möchte deutlich machen, daß mein Thema die Unendlichkeit in einem rein mathematischen Sinn ist. Und darum benötigen wir eine präzise Definition. Das Wort <unendlich> ist offensichtlich ein Adjektiv, und der erste Punkt, über den wir uns einigen müssen, betrifft die Dinge, auf die dieses Adjektiv zutrifft. Welche Dinge lassen sich entweder als endlich oder unendlich klassifizieren ? Nun, im mathematischen Gebrauch dieses Ausdrucks sind die Objekte, die man endlich oder unendlich nennen kann, Mengen oder Vereinigungen von Dingen. Wir sagen, daß eine Menge von Objekten endlich oder unendlich viele Elemente hat, und nun müssen wir diese Idee präzisieren. Der Schlüssel zur Lösung liegt hier in der Idee einer eindeutigen Zuordnung zwischen zwei Mengen. Eine Herde mit sieben Schafen und einer Gruppe von sieben Bäumen steht in einer Beziehung zueinander, die keine der beiden mit einem Haufen von fünf Steinen hat, denn die Menge der sieben Schafe kann mit der Menge der sieben Bäume Paare bilden, beispielsweise durch Anbinden jedes einzelnen Schafes an einen Baum, so daß jedes Schaf und jeder Baum zu exakt einem Paar gehören. Oder mathematisch ausgedrückt : eine Menge von sieben Schafen kann in eine eindeutige Beziehung zu einer Menge von sieben Bäumen gesetzt werden. Ein weiteres Beispiel : Nehmen wir an, ihr blickt in ein Theater und seht, daß jeder Platz besetzt ist, und niemand steht - und auch, daß niemand auf dem Schoß eines anderen sitzt; auf jeden Platz kommt eine, und nur genau eine Person. Dann wißt ihr, ohne die Zahl der Menschen oder die der Sitze zählen zu müssen, daß diese Zahlen identisch sind, denn die Menge der Menschen steht in einer eindeutigen Beziehung zu der Menge der Sitze : Jede Person ist dem Sitz zugeordnet, den sie belegt. Nun, ich weiß, daß ihr die Menge der natürlichen Zahlen kennt, wenn auch vielleicht nicht unter diesem Namen. Die natürlichen Zahlen sind einfach die Zahlen 0,1,2,3,4... das heißt, mit einer natürlichen Zahl ist entweder null oder eine positive ganze Zahl gemeint.« »Gibt es so etwas wie eine unnatürliche Zahl ?« fragte Annabel. »Nein, von so etwas habe ich noch nie gehört«, erwiderte der Zauberer, »und ich muß zugeben, daß mir die Idee komisch vorkommt ! Jedenfalls werde ich von jetzt an das Wort Zahl für eine natürliche Zahl verwenden, bis ich etwas anderes sage. Was heißt es nun für eine gegebene Zahl n, wenn man sagt, daß eine bestimmte Menge genau n Elemente hat ? Welche Bedeutung hat es beispielsweise, zu sagen, daß meine rechte Hand genau fünf Finger hat ? Es bedeutet, daß ich die Menge der Finger meiner rechten Hand eindeutig der Menge der positiven ganzen Zahlen von eins bis fünf zuordne, sagen wir, indem ich meinem Daumen die Zahl eins zuordne, dem nächsten Finger die Zahl zwei, dem Mittelfinger drei, dem nächsten Finger vier und dem kleinen Finger fünf. Und im allgemeinen sagen wir für eine gegebene positive ganze Zahl n, daß eine Menge (genau) n Elemente hat, wenn sie auf eindeutige Weise der Menge der positiven ganzen Zahlen von 1 bis n zugeordnet werden kann. Eine Menge mit n Elementen wird auch eine n-elementige Menge genannt. Und der Prozeß der Zuordnung einer n-elementigen Menge zu der Menge der positiven ganzen Zahlen hat einen weitverbreiteten Namen - der gebräuchliche Name dieses Prozesses lautet Zählen. Genau das ist mit Zählen gemeint. Damit habe ich euch erklärt, was es in bezug auf eine Menge bedeutet, daß sie n Elemente hat, wobei n eine positive ganze Zahl ist. Was passiert, wenn n gleich null ist; was heißt also, eine Menge hat Null Elemente ? Offensichtlich ist gemeint, daß eine Menge kein einziges Element hat.« »Gibt es solche Mengen?« fragte Alexander. »Es gibt nur eine solche Menge«, antwortete der Zauberer. »Diese Menge trägt die technische Bezeichnung leere Menge, und sie ist für Mathematiker äußerst nützlich. Ohne sie müßten ständig Ausnahmen gemacht werden, und viele Dinge würden sehr mühselig werden. Wir wollen beispielsweise in der Lage sein, über eine Menge von Menschen in einem Theater zu einem bestimmten Augenblick zu sprechen. Es kann durchaus passieren, daß in diesem Moment keine Menschen da sind, und in diesem Fall sagt man, daß die Menge der Menschen, die gerade im Theater sind, leer ist - genauso wie wir von einem leeren Theater sprechen. Dies darf nicht mit der Abwesenheit eines Theaters verwechselt werden ! Das Theater als solches bleibt bestehen; es sind rein zufällig nur keine Menschen darin. Dementsprechend existiert die leere Menge als eine Menge, aber sie enthält keine Elemte. Ich erinnere mich an einen netten Zwischenfall : Vor vielen Jahren erzählte ich einer charmanten Musikerin von der leeren Menge. Sie schien überrascht und sagte : <Mathematiker verwenden diese Idee tatsächlich ?> ich antwortete : <Auf jeden Fall tun sie das !> Sie fragte : <Wo ?> Ich erwiderte : <Auf allen Gebieten.> Sie dachte für einen Augenblick darüber nach und sagte dann : <O ja. Ich vermute, es ist genau wie mit den Pausen in der Musik.> Ich denke, dies ist ein wirklich guter Vergleich ! Smullyan berichtet von einem vergnüglichen Vorfall. Als er noch Student in Princeton war, sagte einer der dortigen berühmten Mathematiker während einer Vorlesung, daß er die leere Menge hasse. In der nächsten Vorlesung benutzte er die leere Menge. Smullyan meldete sich und sagte : <Ich dachte, Sie hätten gesagt, daß sie die leere Menge verabscheuen.> Der Professor antwortete : <Ich habe gesagt, ich verabscheue sie. Ich habe nie behauptet, daß ich sie nicht benutze !>« »Bis jetzt haben sie uns nicht erzählt«, warf Annabel ein, »was Sie mit <endlich> und <unendlich> meinen. Wollen Sie das nicht mehr tun ?« »Ich wollte gerade damit anfangen«, antwortet der Zauberer. »Alles bisher Gesagte läuft nämlich auf diese Definition hinaus. Man sagt, daß eine Menge endlich ist, wenn es eine natürliche Zahl n gibt, so daß die Menge genau n Elemente hat - was, wie wir uns erinnern, bedeutet, daß die Menge in einer eindeutigen Weise den positiven ganzen Zahlen von 1 bis n zugeordnet werden kann. Wenn es eine solche natürliche Zahl n nicht gibt, nennt man die Menge unendlich. So einfach ist das. Damit ist eine 0-elemtige Menge endlich; eine 1-elementige Menge ist endlich; eine 2-elementige Menge ist endlich;... und eine n-elementige Menge ist endlich, wenn n irgendeine feste natürliche Zahl ist. Aber wenn für jede natürliche Zahl n nicht gilt, daß die Menge genau n Elemte hat, dann ist diese Menge unendlich. Wenn wir demnach aus einer unendlichen Menge n Elemente herausnehmen, wobei n wieder eine natürliche Zahl ist, so bleiben immer Elemente übrig - ja, es sind sogar unendlich viele Elemete. Erkennt ihr, warum dies so ist ? Betrachten wir zuerst ein einfaches Problem. nehmen wir an, ich würde ein einzelnes Element aus einer unendlich großen Menge herausnehmen. Ist das, was übrigbleibt, automatisch unendlich ?« »Es sieht ganz so aus!« sagte Annabel. »Das tut es !« stimmte Alexander zu. »Gut, ihr habt recht, aber könnt ihr es auch beweisen ?« Die beiden dachten darüber nach, hatten aber Schwierigkeiten, diese Tatsache zu beweisen. Es schien zu offensichtlich, um bewiesen werden zu müssen. Eigentlich ist es nicht schwierig, dies von eben diesen Definitionen von <endlich> und <unendlich> ausgehend zu zeigen. Man muß nur diese Definition benutzen.
- 1 -
Es erforderte zwar etwas Tüftelei, aber schließlich hatten die beiden einen Beweis, der den Zauberer zufriedenstellte.
Hilberts Hotel :
Angenommen, wir haben ein gewöhnliches Hotel mit einer endlichen Anzahl von Räumen - sagen wir einhundert. Nehmen wir ferner an, alle diese Zimmer seien belegt, und in jedem sei genau ein Gast. Eine weitere Person kommt an und möchte ein Zimmer für eine Nacht, aber weder sie noch einer der 100 Gäste ist bereit, ein Zimmer mit jemanden zu teilen. Es ist also unmöglich, den Neuankömmling unterzubringen; man kann nicht 101 Menschen eindeutig 100 Räumen zuordnen. Aber in einem unendlich grossen Hotel (wenn Ihr euch sowas vorstellen könnt ) ist die Lage anders. Hilberts Hotel hat unendlich viele Zimmer - eines für jede positive ganze Zahl. Die Zimmer sind durchgehend nummeriert - Zimmer 1. Zimmer 2, Zimmer 3,... und so fort. Wir können uns die Zimmer dieses Hotels in einer Linie angeordnet denken - sie beginnen an einem bestimmten Punkt und gehen unendlich weit nach rechts. Es gibt ein erstes Zimmer aber kein letztes - so wie es keine größte natürliche Zahl gibt. Wir nehmen nun wieder an, daß alle Räume besetzt sind - jedes Zimmer bewohnt ein Gast. Die neue Person erscheint und möchte ein Zimmer. das Interessante dabei ist, dass es nun möglich ist, sie unterzubringen. Weder der Neuankömmling noch einer der Gäste ist bereit, ein Zimmer zu teilen, aber die Gäste sind alle kooperativ, indem sie durchaus dazu bereit sind, ihre Zimmer zu wechseln, wenn man sie darum bittet.
- 2 -
Wie läßt sich dies bewerkstelligen ?
»Nun zu einem anderen Problem«, sagte der Zauberer, nachdem die Lösung des letzten Problems diskutiert worden war. »Wir stellen uns wieder dasselbe Hotel vor. Aber anstelle einer Person treffen nun unendlich viele Gäste ein - einer für jede positive Zahl n. Nennen wir die alten Gäste P1, P2,.... Pn,...., usw. und die neuen Gäste Q1,Q2,.....Qn,..... usw.. Alle neuen Personen Q verlangen eine Unterkunft. Das Überraschende daran ist, dass sich ihrem Wunsch entsprechen lässt ! «
- 3 -
Wie ?
"Jetzt zu einem noch interessanteren Problem. Diesmal haben wir unendlich viele Hotels - für jede positive ganze Zahl n eines. Die Hotels sind durchnummeriert in Hotel 1, Hotel 2 Hotel n, ....,usw.. und jedes hat unendlich viele Räume - einen für jede positive ganze Zahl. Die Hotels sind in Form einer rechteckigen Fläche angeordnet - so :
Hotel 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
Hotel 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
Hotel 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
.... . .
.... . .
Hotel n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ....
....
Die ganze Hotelkette wird von einem Management geleitet. Sämtliche Räume in allen Hotels sind belegt. Eines Tages entscheidet das Management, alle Hotels bis auf eins zu schließen, um Energie zu sparen. Das bringt mit sich, dass alle Bewohner der Hotels in nur eines verlegt werden müssen - wiederum nur je eine Person pro Zimmer."
- 4 -
Ist dies möglich ?
»Ihr seht, was diese Problem erkennen lassen«, sagte der Zauberer. "Sie zeigen, daß eine unendliche Menge die seltsame Eigenschaft haben kann, daß es eine eindeutige Zuordnung zu einer echten Teilmenge von sich selber gibt. Laßt mich das weiter präzisieren. Ein Menge A wird Teilmenge einer Menge B genannt, wenn jedes Element von A auch ein Element von B ist. Wenn zum Beispiel A die Menge der Zahlen von 1 bis 100 ist, und B ist die Menge der Zahlen von 1 bis 200, dann ist A eine Teilmenge von B. Oder es sei G die Menge aller geraden Zahlen und N sei die Menge aller ganzen Zahlen. Dann ist G eine Teilmenge von N. Eine Teilmenge A von B wird eine echte Teilmenge von B genannt, wenn A eine Teilmenge von B ist, die nicht alle Elemente von B enthält. Mit anderen Worten : A ist eine echte Teilmenge von B, wenn A eine Teilmenge von B, aber B keine Teilmenge von A ist. Es sei nun P die Menge ( 1,2,3,....n,...) aller positiven ganzen Zahlen und P-die Menge (2,3,....n,....) aller positiven ganzen Zahlen ohne die 1. Wir haben anhand der ersten Aufgabe zu Hilberts Hotel festgestellt, daß dieses P in einer eindeutigen Beziehung zu P- steht, obwohl P- eine echte Teilmenge von P ist ! Eine unendliche Menge kann also die merkwürdige Eigenschaft besitzen, mit einer ihrer echten Teilmengen in einer eindeutigen Beziehung stehen zu können ! Das ist schon seit langer Zeit bekannt. Im Jahr 1638 hat Galileo darauf hingewiesen, daß die Quadrate aller positiven ganzen Zahlen eindeutig den positiven ganzen Zahlen selbst zugeordnet werden können, und zwar so :
1, 4, 9, 16, 25, ... n", ......
1, 2, 3, 4, 5, ....n,.........
Dies schien dem uralten Axiom zu widersprechen, daß das Ganze größer ist als jedes seiner Teile.» «Nun, tut es das nicht ?» fragte Alexander. «Eigentlich nicht», antwortete der Zauberer. «Nehmen wir an, daß A eine echteTeilmenge von B ist. Dann ist B, einer Bedeutung des Wortes <größer> zufolge, größer als A - nämlich in dem Sinn, daß B alle Elemente von A enthält und außerdem einige Elemente, die nicht in A sind. Aber dies heißt nicht, daß B numerisch größer als A ist.» «Ich bin mir nicht ganz sicher, was mit numerisch größer gemeint ist», sagte Annabel. «Eine gute Frage !» gab der Zauberer zu. «Zunächst, was glaubst du, bedeutet es für eine Menge A, gleich groß wie eine Menge B zu sein ?» «Ich denke, dies bedeutet, daß man eine eindeutige Beziehung zwischen A und B finden kann», vermutete Annabel. «Richtig ! Und was, schätzt du, heißt es, wenn man sagt, daß A kleiner ist als B, oder daß, numerisch ausgedrückt, A weniger Elemente als B hat ?» «Ich nehme an, das würde bedeuten, daß man A in eine eindeutige Beziehung zu einer echten Teilmenge von B setzen kann.» «Das ist ein netter Versuch», sagte der Zauberer, «aber so funktioniert es nicht. Diese Definition würde für endliche Mengen gelten, aber nicht für unendliche. Die Problematik liegt darin, daß A in einer eindeutigen Beziehung zu einer echten Teilmenge von B stehen und daß auch B eine Zuordnung zu einer echten Teilmenge von A besitzen könnte. Würdet ihr dann sagen wollen, daß jede kleiner ist als die andere ? Es sei U beispielsweise die Menge der ungeraden, positiven, ganzen Zahlen. Ganz offensichtlich kann man eine eindeutige Zuordnung zwischen U und G angeben.
1, 3, 5, 7, 9, ......2n -1 .....
2, 4, 6, 8, 10, ......2n ........
Aber U kann auch in einer eindeutigen Beziehung zu einer echten Teilmenge von G stehen, nämlich so :
1, 3, 5, 7, 9, ......2n -1 ........
4, 6, 8, 10, 12, ........2n +2
Gleichzeitig kann G in einer eindeutigen Beziehung zu einer echten Teilmenge von U stehen :
2, 4, 6, 8, 10, .....2n .....
3, 5, 7, 9, 11, .......2n +2 .....
Ihr würdet sicherlich nicht behaupten wollen, daß G und U gleich groß sind, denn G ist kleiner als U, und U ist kleiner als G ! Nein, diese Definition wäre unzureichend.» «Was ist denn dann die korrekte Definition von <kleiner als> für unendliche Mengen ?» wollte Annabel wissen. «Die korrekte Definition lautet so : Wir sagen, daß A kleiner ist als B, oder daß B größer ist als A, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind : (1) Es gibt eine eindeutige Zuordnung zwischen A und einer echten Teilmenge von B; (2) A kann nicht in eine eindeutige Beziehung zu der ganzen Menge B gesetzt werden. Es ist unbedingt erforderlich, daß beide Bedingungen erfüllt werden», betonte der Zauberer, «damit man berechtigterweise sagen kann, daß A kleiner ist als B. Dies bedeutet zuallererst, daß A in eine eindeutige Beziehung zu einer Teilmenge von B gesetzt werden kann, und gleichfalls, daß jede eindeutige Zuordnung zwischen A und einer Teilmenge von B Elemente von B auslassen muß. Und nun zu einer fundamentalen Fragestellung», fuhr der Zauberer fort. «Ist es richtig, daß zwei beliebige unendliche Mengen notwendigerweise gleich groß sind, oder können unendliche Mengen verschieden Größen haben ? Dies ist die erste Frage, die man bei der Entwicklumg einer Theorie der Unendlichkeit beantworten muß, und glücklicherweise hat sie Georg Cantor Ende des letzten Jahrhunderts beantwortet. Die Antwort verursachte großen Wirbel und war der Ausgangspunkt für einen ganz neuen Zweig der Mathematik, dessen Verästelungen phantastisch sind ! Ich werde euch Cantors Antwort bei unserem nächsten Treffen erläutern. Habt ihr inzwischen bereits eine Vermutung, wie die Antwort lautet ? Sind alle unendlichen Mengen gleich groß oder haben sie verschiedene Größen ?"
Bemerkung : Ich stelle dieses Problem immer den Studenten in meinen Einführungsveranstaltungen für Logik, und von den Studenten, die die Antwort nicht kennen, glaubt ungefähr die Hälfte, daß alle unendlichen Mengen die gleiche Größe haben, und die andere Hälfte entscheidet sich für die andere Variante. Wagen Sie noch vor der Lektüre des nächsten Kapitels eine Vermutung ?
1. Lösung : Zunächst wollen wir zeigen, daß man, wenn man einer endlichen Menge ein Element hinzufügt, wieder eine endliche Menge erhält. Nun, angenommen, die Menge A ist endlich. Nach Definition heisst dies für eine natürliche Zahl n, dass die Menge A n Elemente hat. Wenn wir ein neues Element zu A hinzufügen, hat die daraus resultierende Menge offensichtlich n+1 Elemente und ist damit per definition endlich.
Daraus folgt direkt, dass nach dem Entfernen eines Elements aus einer unendlichen Menge B diese unendlich bleibt, denn wenn die resultierende Menge endlich wäre, könnten wir das Element wieder einfügen, und die nun entstehende Menge - welche wieder die Ausgangsmenge B ist - wäre endlich, doch das ist sie nicht.
2. Lösung : Das Management muss lediglich darum bitten, dass jeder Gast einen Raum nach rechts zieht - mit anderen Worten : Der Gast von Raum 1 zieht in Raum 2, der Gast von Raum 2 zieht in Raum 3, ...der Gast von Raum n zieht in Raum n+1. Da das Hotel (im Unterschied zu den gängigeren Hotels) keinen letzten Raum hat, wird sich niemand draussen in der Kälte wiederfinden. (In einem endlichen Hotel würde die Person im letzten Raum keinen Raum zu Ihrer Rechten vorfinden.) Nachdem so alle Gäste freundlicherweise umgezogen sind, ist Raum 1 nun leer, und der Neuankömmling kann ihn beziehen.
Mathematisch gesehen haben wir die Menge aller positiven ganzen Zahlen in eine eindeutige Beziehung zu der Menge der ganzen positiven Zahlen, beginnend mit 2 ,gesetzt. Natürlich hätten die Hotelmanager ähnliches tun können, wenn hundert Millionen neue Gäste eingetroffen wären, anstelle nur eines einzigen. Die Manager hätten dann jeden einzelnen Gast gebeten, einhundert Millionen Räume nach rechts zu ziehen (die Person in Raum 1 würde in Raum 100 000 001 ziehen; die Person in Raum 2 würde in Raum 100 000 002 ziehen, und so weiter). Für jede natürliche Zahl n gilt, dass das Hotel n neue Gäste unterbringen könnte - man muß nur jeden Gast n Räume nach rechts verlegen, um n Räume für neue n Gäste bereitzustellen.
3. Lösung: Wenn nun unendlich viele Gäste Q1, Q2, ......Qn, ....ankommen, sieht die Lösung etwas anders aus. Als eine falsche Lösung wurde vorgeschlagen, dass die Manager zunächst jeden der alten Gäste darum bitten, einen Raum nach rechts zu ziehen. Dann kann der leere Raum 1 mit einem neuen Gast belegt werden. Daraufhin veranlasst das Management wieder jeden Gast, einen Raum nach rechts zu ziehen. Dann kann der leere Raum 1 mit einem neuen Gast belegt werden. Daraufhin veranlasst das Management wieder jeden Gast, einen Raum nach rechts zu ziehen, und dadurch wird Raum 1 wieder frei und ein zweiter neuer Gast kann Raum 1 beziehen. Dann wird dieser Vorgang immer und immer wieder wiederholt, unendlich viele Male, bis früher oder später jeder Gast in dem Hotel unterkommen kann.
Aber was für eine schrecklich hektische Lösung ! Niemand kann dauerhaft einen Raum behalten, und in keiner endlichen Zeit wären alle Gäste untergebracht - unendlich viele Zimmerwechsel würden dazu benötigt ! Dabei kann die ganze Angelegenheit problemlos mit nur einer Verlegung erledigt werden. Erkennen Sie, wie diese aussieht ?
Und zwar verdoppelt jeder alte Gast seine Zimmernummer - das heisst : Die Person von Raum 1 geht in Raum 2, die von Raum 2 geht in Raum 4, die von Raum 3 geht zu Raum 6... die von Raum n geht zu Raum 2n. Alle diese Wechsel werden natürlich simultan durchgeführt, und nach der Verlegung sind alle geradzahligen Räume belegt und alle unendlich vielen Räume sind nun frei. Und folglich geht der erste neue Gast Q1 in den ersten ungeraden Raum - Raum 1; Q2 bezieht Raum 3; Q3 bezieht Raum 5, und so weiter (Qn bezieht Raum 2n-1).
4. Lösung : Zuerst »numerieren« wir die Gäste aller Räume in allen Hotels entsprechend dem folgenden Plan:
1 4 9 16 . . . .
. . . . .
2 3 8 15 . . . .
. . . .
5 6 7 14 . . . .
. . . .
10 11 12 13 . . . .
. . . . . . . .
Dadurch wird jeder Gast durch eine positive ganze Zahl »gekennzeichnet«. Dann verlassen alle ihre Räume und warten eine Zeitlang draußen. Darauf schließt das Managemant alle Hotels bis auf eins, und jeder Gast wird gebeten, den Raum zu beziehen, dessen Nummer mit der übereinstimmt, die ihn kennzeichnet - die Person mit dem Kennzeichen n geht in Raum n.
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