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Frauen schrieb am 2.8. 2015 um 13:59:30 Uhr über

Reiten

Es ist nicht ganz leicht für den, welcher den Antheil Wydenbrugk’s an den Frankfurter Verhandlungen der Jahre 1848/49 überschauen muß, stets dessen innere Persönlichkeit rein im Auge zu behalten. Im Parteigetriebe ist so manches ganz falsche oder mindestens schiefe Licht auf ihn gefallen. Wir versuchen die nach unserer Ansicht falschen Züge seines Bildes in einem Brennpunkt zu sammeln, um dann das Gemälde gewissermaßen zu restaurieren. W., nach Vincke’s sarkastischen Wortender kleine Staatsmann von Weimar der immer auf der Höhe der Zeit stehterscheint in den Schilderungen der Biedermann, Laube und Haym als ein Ultrademokrat, dessen Standpunkt haarscharf auf der Grenze liegt, wo die demokratische Lehre anfängt regierungsfähig zu werden, wol ein großes Talent aber ohne Charakter und politischen Takt. Er sucht sich nach dem Maße seines glühenden Ehrgeizes instinctmäßig immer bei der Führung der Dinge zu betheiligen und scheut nichts so sehr als Niederlagen. Seine Dialektik ist von sophistisch-taschenspielerischer Art. Oefters wird sogar seine Mißgestalt und dünne Stimme noch zur Vervollständigung dieses pikanten Zerrbildes herangezogen. Für einen Demokraten kann W. nur halten wer nicht weiß wie schon in seinem Wahlprogramm Feindschaft angesagt wird jeder Tyranneisie komme woher sie wolle, dem Pöbelunsinn nicht minder als der Willkürherrschaft eines Fürsten. Verächtlich war, ist und wird sein der schmeichelnde Liebediener, welcher dem Fürsten die Wahrheit verhüllt; nicht minder aber verächtlich ist der, welcher die heilige Vernunft zu Schanden werden läßt vor dem unverständigen und das Beste oft zerrüttenden Begehren einer leidenschaftlichen oder ununterrichteten Menge“. Wer jedoch diese Ansicht kennt der wird verstehen wie W. dazu kam den König Ernst August von Hannover weil er die Anerkennung der Centralgewalt verweigert hatte einenRebellen gegen das Gesetzzu nennen (Juli 1848), wie er sogar die Berliner Nationalversammlung – allerdings in merkwürdiger Verkennung ihres völlig demokratischen Ursprungsgegen die Preußische Regierung vertreten konnte (Nov.). Auf der andern Seite müssen wir ja wol Herzog Ernst II. in seinen Memoiren glauben, daß W. der Schöpfer der Idee eines thüringischen Gesammtstaats gewesen sei, wir werden aber in Abrede stellen, daß unser Abgeordneter mit den an diese Idee sich knüpfenden republikanischen Wühlereien das mindeste gemein gehabt habe, ebensowenig wie mit den späteren Märzvereinen. Das einzige was man von den Schilderungen unserer Gewährsmänner unbedenklich unterschreiben kann ist dies, daß W. keinen besonders weiten politischen Blick gehabt hat, und zwar war das eine Folge seines extrem großdeutschen Standpunktes. In seiner großen Rede gegen das Gagern’sche Programm (12. Januar 1849) finden sich die Worte: „Das Vaterland selbst gilt mir mehr als jede Staatsform, und Eins will ich unter allen Umständen und um jeden Preis, nämlich daß das Volk, welches als ein Naturganzes in die Weltgeschichte eingeführt worden ist, auch als solches wieder erscheine“. Damit, und besonders mit den Schlußworten „zerreißen sie den Boden Ihres Vaterlandes nicht!“ war Integrität des deutschen Bodens als einer seiner politischen Glaubensartikel ausgesprochen. Aber auch über die Form selbst, worunter Alldeutschland gefaßt werden sollte finden sich Gedanken bei ihm. Sein Princip war, wie es einmal von anderer Seite ausgedrückt wirdZusammenfassung Deutschlands unter thunlichster Festhaltung des föderativen Gedankens. Als die edelste Verwirklichung einer gänzlich einheitlichen Staatsverfassung erscheint in derselben Januarrede ein Bundesstaat mit einem Präsidium das zwischen Oesterreich und Preußen wechselt, also Deutschösterreich und Preußen balancirend, verbunden durch die Mittel- und Kleinstaaten. Die Kritiker haben wol recht wenn sie daraufhin W. im Negativen für stärker als im Positiven halten. Noch eines: neben dem Gedanken einer völligen Gleichheit aller Staaten inbezug auf ihren Werth für Alldeutschland scheint er die Meinung einer Gleichwerthigkeit aller Parteien zu hegen: daraus entsprang vielleicht sein Fraternisiren mit Blum und Genossen bei der Anfang Mai 1848 versuchten ersten Parteibildung im Parlament, ein Verhalten welches Biedermann scharf verurtheilt. WAs Wydenbrugk’s äußere Stellung in der Nationalversammlung betrifft, so gehörte er dem politisch freisinnigen aber gemäßigten „Württemberger Hof“ (linkes Centrum) an und war nach der Anfang October infolge des Waffenstillstandes zu Malmoe und der Septemberereignisse erfolgten Spaltung dieses Clubs (Secession des „Augsburger Hofes) eine Zeit lang Führer der Zurückgebliebenen. Im Herbst ward er zum Bevollmächtigten der weimarischen Regierung bei der provisorischen Centralgewalt ernannt. Das Kremsierer Programm (27. Nov.) rief bekanntlich die Frage nach der Stellung Oesterreichs in Deutschland hervor und führte eine gänzliche Neubildung der Parteiverhältnisse herbei. W., der noch eben als Hauptredner das kleindeutsche Gagern’sche Programm bekämpft hatte (12. Jan. 1849, s. o.) fand mit Welcker u. A. seinen Platz in dem am 10. Februar von den Oesterreichern und Großdeutschen gebildeten „großdeutschen Verfassungsausschuß“, welcher eine zwischen Oesterreich und Preußen abwechselnde Reichsstatthalterschaft forderte (ganz in Wydenbrugk’s Sinne). Wie sein Parteigenosse Welcker aber ward er von der Unmöglichkeit deck- Eintretens Oesterreichs in den deutschen Bundesstaat überzeugt. „Die Realisierung eines Bundesstaates in der vollen Consequenz“, so lesen wir in seiner Schrift: „Die deutsche Nation und das Kaiserreich“ (München 1862) S. 200 Anm., „war allerdings mit der Kremsierer Verfassung (für Gesammtösterreich, 4. März) unvereinbar .... Der Begriff des Bundesstaates in seiner Consequenz beherrschte die Geister; er galt für gleichbedeutend mit dem Wohl des Vaterlandes. So wurde auch für mich die Veröffentlichung der Kremsierer Verfassung die Veranlassung einen andern Weg als den bis dahin gegangenen, zur Erreichung des Bundesstaates zu betreten. Aber nicht ohne im Stillen die größten Bedenken zu hegen, schloß ich mich dem Versuche des preußisch-deutschen Kaiserthums und später dem der Union, welche der Kern einer weiteren Gestaltung sein sollte, an.“ Das ist die Motivierung seines so viel gelästerten Uebertritts zur Erbkaiserpartei. Die Aufgabe des Parlaments war z. Z. dahin bestimmt worden, eine Verfassung für Deutschland zu Stande zu bringen. Dazu gehörte aber nicht nur Berathung einer solchen, sondern auch ihre Einführung in die Wirklichkeit. Am 28. März war die Berathung der Frankfurter Verfassung vollendet. Die Erbkaiserlichen hofften, sie auf gesetzlichem Wege zu verwirklichen und damit die Thätigkeit der Nationalversammlung zum guten Ziele zu führen. Das wäre auch in dem Augenblick geschehen gewesen, da Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone angenommen hätte. Der König aber lehnte ab. Und noch gab die Partei die Hoffnung nicht auf, ihr Werk zu retten. Sie schob dem Parlament selbst die Aufgabe zu, die Verfassung durchzuführen. Am 4. Mai stand ein Antrag folgenden Inhalts zur Abstimmung: Die Nationalversammlung fordert die Regierungen und das deutsche Volk auf, die Frankfurter Reichsverfassung zur Anerkennung und Geltung zu bringen. Sie bestimmt den Tag des Zusammentritts des ersten Reichstags und den Tag der Wahlen für das Volkshaus auf Grund der Verfassung. Sollte der König von Preußen bis zum Zusammentritt des Reichstags die Verfassung noch nicht anerkannt haben so vertritt derjenige Fürst, welcher ihm an Macht am nächsten steht, einstweilen seine Stelle als Reichsoberhaupt – abgesehen natürlich von Deutschösterreich. Dieser Antrag ist unter dem Namen Wydenbrugk’scher Antrag bekannt. Er ward angenommen, konnte aber das Scheitern der Aufgabe des Parlaments und dessen Untergang nicht verhindern. W. entfernte sich von Frankfurt, ohne officiell ausgetreten zu sein. Im Juni finden wir ihn dann unter den Theilnehmern der vom ehemaligen Frankfurter Centrum besuchten Besprechungen zu Gotha. Hier wurde anerkannt, daß die Durchführung der Reichsverfassung unmöglich sei aber den preußischen Bemühungen (Dreikönigsbündniß, Union) ein Vertrauensvotum gegeben. Dagegen beugte W. seiner Wahl zum Erfurter Unionsparlament (1850), wozu die Weimaraner nicht ungeneigt waren, vor, weil er siemit seinen Berufsgeschäften für unvereinbar halte“. Wirklich nur deshalb?


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