Der Ersteintrag von 'Supervision' als Doppelposting in Reverenz an folgenden Text:
simone schrieb (ich vermute pastete) am 10.9. 2005 um 20:29:35 Uhr u.a. unter Psychologe :
....... [Weglassung des dreizeiligen Einleitungsabsatzes durch mich - Ich.]
Ein Einblick in die Ausbildung aus der Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer/ Erfahrungsberichte
An dieser Stelle werden wir Artikel und Berichte über die schwierige Situation in der Ausbildung zur Psychotherapeutin / zum Psychotherapeuten vorstellen. Uns ist es ein Anliegen darüber zu informieren, wie Betroffene die Ausbildungssituation erleben und mit welchen Problemen sie konfrontiert sind. Wenn du selber etwas mitzuteilen hast, besteht die Möglichkeit, diesen Bericht (natürlich anonym) hier zu veröffentlichen.
Erfahrungsbericht 1
Wie viele meiner Leidensgenoss(innen) entschloss ich mich nach dem Studium zu einer Psychotherapieausbildung. Bei fast allen Stellenanzeigen, die ich studierte, fand sich der Zusatz »Voraussetzung: Angefangene oder abgeschlossene Therapieausbildung«, so dass mir dieser Schritt sinnvoll erschien. Auch hatte ich das Gefühl, nach der Theorie im Studium noch nicht ausreichend für die Praxis gewappnet zu sein, warum also keine »Fortbildung«?
Ich hatte Glück und fand Anstellung in einer ambulanten Praxis, in der ich gleichzeitig den ambulanten Teil der praktischen Tätigkeit (600 Stunden) bei fairer Bezahlung ableisten konnte.
Die Ausbildung begann und die 600 Stunden Theorie, die für alle Teilnehmer verpflichtend sind, empfand ich von Anfang an als sehr frustrierend. Anstatt konkrete Informationen und Material für die praktische Arbeit zu bekommen, bekommen wir häufig nur die Theorie des Studiums nochmals vorgetragen - für ca. 250 Euro im Monat, drei volle Jahre lang. Inhalte des Studiums werde ja laut Gesetz nicht anerkannt und das Psychotherapeutengesetz sieht nunmehr ganz bestimmte theoretische Inhalte vor, die man sich anhören muss, auch wenn man sie bereits kennt.
Eben dieses Gesetz sieht auch 1200 Stunden Arbeit in einer stationären Einrichtung vor (»Psychiatriejahr«). Auch um diese Stunden werde ich nicht umhinkommen. Aus diesem Grunde werde ich im nächsten Jahr meine unbefristete Stelle kündigen müssen, um kostenlos in einer Psychiatrie zu arbeiten. Keine der Psychiatrien, die ich von meinem aktuellen Wohnort erreichen kann, zahlt auch nur einen Cent. Manchmal denke ich, ich muss nicht ganz bei Trost sein, mir so etwas gefallen zu lassen.
Ich bin mir noch unsicher, wie ich diese Zeit finanziell überbrücken soll. Da es sich per definitionem ja um eine »Ausbildung« handelt, wäre eigentlich Bafög angebracht. Im Landratsamt meiner Stadt zuckte man nur ratlos mit den Schultern (»einen solchen Fall haben wir noch nie gehabt«). Man bat mich, mein Anliegen schriftlich zu formulieren, um es an eine höhere Stelle weiterzuleiten. Seit Monaten warte ich nun auf eine eindeutige Auskunft. Von Sachbearbeitern bekomme ich Hinweise wie »Ihre Ausbildung ist prinzipiell förderungsfähig, aber nicht, wenn sie schon einen Hochschulabschluss haben«. Wenn ich erkläre, dass der Abschluss Voraussetzung für die Ausbildung ist, verweist man mich verwirrt an andere Ämter. Die Sekretärin meines Therapieinstituts meinte nur, die Voraussetzungen für den Erhalt von Bafög seien so streng, dass quasi niemand sie erfüllen könnte.
Erfahrungsbericht 2
Früh aufgewacht, und das am Sonntag. Mit dem ersten Gedanken reiht sich Wort an Wort. Diese Aneinanderreihung manchmal unzusammenhängend scheinender Ideen, Gedanken, Befürchtungen, Sorgen windet sich alsbald wie eine Schlange durch mein Gehirn. Viele dieser Schlangen bilden eine klebrige, zähe Masse. Macht der Kognitionen. Allein diese Gedanken führen zu einem deutlichen Einbruch meiner Stimmungslage. Also sortieren. Seit Tagen überlege ich, wie ich diesen Bericht beginne, ob ich ihn überhaupt schreibe. Einerseits tut es gut, meinen Unmut zu äußern. Andererseits bin ich dann gezwungen, mich erneut mit diesem Thema, das ich doch nur gar zu gerne zur Seite schiebe - nur durchhalten! - auseinanderzusetzen.
Mein Psychiatriejahr als PPiA neigt sich dem Ende zu, so wie meine Kräfte und meine seelische Gesundheit. Nicht die ohnehin schon zeitlich große Doppelbelastung des Psychiatriejahres und der Ausbildung, Familienarbeit gar nicht eingerechnet, sind Ursache meines Problems. Allein die tatsächlich rechtlose Situation macht mir zu schaffen. Jeden Morgen Beginn einer Qual. Jeden Morgen Fortsetzung dieser. Jeden Morgen ein neuer Kampf. Hauptgegner: meine Gedanken. Ratio flüstert mir ein: »Du tust es für dich, da musst du durch, denke an dein Ziel.« Scheiß Vernunft, manchmal möchte ich nur noch um mich schlagen. Aus vielen Gesprächen, die uns untereinander stützen, weiß ich von anderen PPiAs auch um deren große psychische und finanzielle Belastung. Das schlägt doch dem Fass den Boden aus, so drängen empörte Gedanken durch die Windungen meines Gehirns. Wir, ausgebildete Akademikerinnen und Akademiker, arbeiten für x60 ab dem 4. Monat plus Essensmarken, seit Beginn des Jahres 2005 x250, immerhin, welch' Anerkennung unserer Leistungen, dafür Wegfall der Essensmarken. Nur, dass leider weder Vermieter, noch Energielieferant und Lebensmittelhändler ihre Preise entsprechend anpassen.
Und selbst die Qualität der gemachten Erfahrungen lässt sich, bei ehrlicher Betrachtung, in Frage stellen. Die erste Woche in der Klinik, ein reines Mitlaufen und Orientieren. Ab der zweiten Woche Übernahme einer Gruppe. Ich werde, wie meine Kolleginnen und Kollegen, in das kalte Wasser geworfen. Kenne das Gruppenverfahren nur ansatzweise aus der Theorie. Würde gerne länger hospitieren. Keine Chance. Also ran an die Buletten. Zwei Patienten kommen dazu, später werden es 2 Gruppen und 4 Patienten sein. Mehrfachdiagnosen. Ich schwimme. Versuche, mein erlerntes Wissen zu sortieren und anzuwenden. Angst, etwas falsch zu machen, meinen Patientinnen und Patienten zu schaden. Keine Möglichkeit der Rückfrage. Lerne schnell, dass dies oberhalb der Stationsarztebene auch gegen mich genutzt wird. Inkompetenzvorwürfe als Totschlagargumente bei inhaltlichen Differenzen. Supervision, ein lange unerfüllt bleibender Wunsch. »Tu was für unsere Zukunft«, flüstert mir gerade mein Partner ins Ohr. Beißende Ironie. Wohlwollend gemeint. Er hat sein Aus und Einkommen. Ich meine Abhängigkeit. Von ihm, vom Wohlwollen meines Institutsleiters und Chefarztes, nicht zu vergessen dem des Filialleiters meiner Bank. Supervision? Na gut, einmal wöchentlich beim Chefarzt in der Gruppe mit den anderen Stationsärzten. Stelle einen komplexen Fall vor. Weiß nicht so recht, wie es weitergehen soll. Chefarzt schöpft engagiert aus seinem VT-Wissens-Fundus»Na, dann macht man eine Verhaltensanalyse«... Wieder einmal unbefriedigt gehe ich abends nach Hause. Nach Monaten die erste ordentliche Supervision. Die allerdings wegen anderer Termine des krankenhaus-eigenen Dipl.-Psychologen unabhängig von meinen und seinen Urlaubsplanungen, aber darüber hinaus, auch nicht regelmäßig stattfindet. Den Patienten erklären wir, wie wichtig es ist, über ihre Gefühle, Aggressionen und Ängste zu sprechen. Ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und sie adäquat durchzusetzen. Wir wissen um das Krankmachende, wenn sie dies nicht können. Wissenschaftlich fundiert. Doch was ist mit uns? Wir fügen uns in das derzeit unabänderliche Schicksal, weil wir unser Ziel vor Augen haben. Hat nicht die Frau, die ihre berechtigten Interessen ihrem Ehemann gegenüber nicht durchsetzt, auch das Ziel des Fortbestehens ihrer Ehe vor Augen? Der Arbeitnehmer, der unter großem Druck in seiner Firma arbeitet, das Fortbestehen seines Arbeitsplatzes? Sind die psychologischen Spielregeln für uns PPiAs außer Kraft gesetzt? Einige Gehirnakrobatik ist nötig, um mit diesem Paradoxon leben zu können.
Vor dem Psychiatriejahr belächelte ich - arroganterweise, wie ich nun weiß, Verzeihung! - Autoren diverser Artikel, die davon sprachen, dass das Psychiatriejahr psychisch krank mache. Ich weiß derzeit, dass dies stimmt. Anzeichen von Depression sind auch bei mir deutlich erkennbar. Andere kämpfen mit Alkohol gegen ihren Frust an. Wieder andere verleugnen völlig oder stürzen sich tief in ihre Arbeit, weit über das von ihnen geforderte Maß hinaus.
Hilfe vom Ausbildungsleiter? Kaum zu erwarten, in Personalunion ist er Institutsleiter des Ausbildungsinstitutes für Psychologische Psychotherapeuten und angestellter Psychologe des Krankenhauses, in dem auch viele PPiAs arbeiten und welches an das das Krankenhaus angegliedert ist, Dozent und Supervisor. Er wird uns prüfen. Sich in der eigenen - von Nichts selbst zu zahlenden Supervision mal richtig auszukotzen, problematisch, die vom Institut vorgeschriebenen Supervisoren pflegen offensichtlich ein überaus freundschaftliches Verhältnis zum Institutsleiter und umgekehrt. Einer sitzt sogar in der Psychotherapeutenkammer, beschäftigt bei sich Diplom-Psychologen als Praxisassistenten, ohne natürlich die voll erbrachte Arbeitsleistung auch voll zu honorieren. Er vertritt die Position, dass PPiAs Auszubildende seien. Diese Position rechtfertigt natürlich a.g. Handeln. (Erhalten Azubis nicht ein Gehalt? Werden sie nicht angeleitet? Bspw. verdient ein Auszubildender als Fachkraft für Lagerwirtschaft bei einer großen Fluggesellschafft ca. 1200x monatlich, jedes Jahr ansteigend! Ich bin Akademikerin!)
Die Seminare wenigstens, ach ja, die Seminare. Wenn wir dafür nur nicht so viel Geld bezahlen müssten. Gleichzeitig sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einerseits, und der Dozent andererseits an Wochentagen abends derartig erschöpft, dass ein vernünftiges Arbeiten nicht oft möglich ist. Seminare werden deshalb häufig früher beendet, oder viele lange Pausen eingelegt. Diese sind zu diesen Zeiten auch sicher nötig, wegen mangelnder Aufnahmekapazitäten. Aber, sind dann diese Preise gerechtfertigt? Überhaupt, die bekannten, aber lästigen, weil Therapie-Ausbildungszeiten-verlängernden und teuren Wiederholungen von Unistoff in den Seminaren.
Und, war da nicht noch etwas? Ja, stimmt... die Kinder... Viele von uns haben Kinder. Viele von denen leben an oder unterhalb der Armutsgrenze. Mein Kind sieht inzwischen wie das eines Obdachlosen aus. Dringend benötigte Kleidung kann ich ihm nicht kaufen. Schuhe völlig abgetragen. Es schläft auf einer Matratze, was ihm gegenüber Schulkameraden und Schulkameradinnen peinlich ist, aber das Geld langt halt nicht. Extras, was schon bei regelmäßigigem Obstkonsum beginnt, sind nicht drin. Mangelernährung und falsche Ernährung sind die Regel, nicht die Ausnahme. Ohne Verwandte oder wohlmeinende Freunde - eine undenkbare Situation. Und wohlgemerkt, wir leben nicht in einem Dritte-Welt-Land sondern der reichen Bundesrepublik Deutschland. Strafbar mache ich mich ab und zu auch. Da ich mir von Nichts den teuren ÖPNV nicht leisten kann, ihn aber trotzdem nutzen muss, wenn nicht gerade mein wohlwollender Partner mir sein Auto leiht, das wohlgemerkt meistens er betankt - Stichwort »Abhängigkeit« - fahre ich des Öfteren schwarz. Fühle mich unwohl dabei, mir geht es schlecht, Angst, entdeckt zu werden, Angst vor Strafen und Konsequenzen, meiner nicht würdig. Aber ich muss doch zur Arbeitsstelle.
Diesen ganzen Stress muss nicht nur ich ertragen, er wird auch zu einer ungeheuren Belastungsprobe für meine Beziehung. Meine Unzufriedenheit äußert sich nicht nur in Depressionen, sondern auch in Aggressionen zu Hause. Hier kann ich sie - zumindest vordergründig - eher ungestraft heraus lassen als in der Klinik. Und nicht, dass da jemand denkt, ich wäre die einzige. Viele derzeitige PPiAs und auch Dipl.-Psychologen die das Psychiatriejahr hinter sich haben, berichten von diesen Belastungen, und dem guten Gefühl, wenn dieser Albtraum endlich zu Ende war.
Fragwürdig auch die Tatsache, dass unsere Leistungen gegenüber den Krankenkassen adäquat den Leistungen eines Psychologischen Psychotherapeuten abgerechnet werden und nichts davon bei uns, sondern alles im Säckel des Krankenhauses landet. Die Patienten im Glauben verbleiben, wir seien voll ausgebildete Therapeuten. Wir aber andererseits voll verantwortlich als Therapeuten abeiten, in dieser Funktion sogar Visiten durchführen, »Arztbriefe« diktieren, Verlängerungsanträge stellen und Gespräche mit dem MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) führen, dessen Vertreter sich persönlich überzeugen wollen, ob eine Verlängerung der Therapie angezeigt ist.
Auch problematisch, dass wir in unserer Klinik die 1200 - 1800 Stunden ausschließlich auf einer Station abarbeiten. Was lerne ich dabei? Vieles bleibt außen vor, nicht zuletzt aufgrund der Strukturen, die nur Patienten mit primär einem bestimmten Störungsbild aufnehmen und behandeln lassen.
Über weitere Probleme, wie z.B. Ausfallzeiten unsere Rente betreffend, wäre noch einiges hinzuzufügen. Aber ich muss heute, am Sonntag, ja auch noch arbeiten. Seminar-Vor und Nachbereitung, Therapieplanung und den nächsten Fallbericht schreiben.
Erwähnen möchte ich auch die Dinge, die mir Kraft geben: meine Beziehung zu Partner und Kind, gute interkollegiale, freundschaftliche Gespräche mit PPiAs und anderen Kollegen. Ärztliche Kollegen, die Verständnis für die Ungeheuerlichkeit unserer Situation haben, Verständnis zeigen, indem sie entlasten, da wo es der Klinikalltag zulässt. Die uns Psychologen als echte Kollegen und nicht als Handlanger betrachten, wie manch' andere PPiAs und Psychotherapeuten berichten, Ihnen möchte ich herzlich danken. (Wohl dem der Partner etc. hat!)
Ein weiteres Problem erkenne ich, welches weitreichende Konsequenzen haben kann: Psychologen sind per se eher Einzelkämpfer. Sie mussten es tlw. schon vor dem Studium sein (hoher N.C.), sind es hfg. auch während des Studiums (vom hohen N.C. ist das Konkurrenzdenken oft nicht weit entfernt). Wollen von sich gerne das Bild haben und vermitteln, dass sie kompetent sind, ergo sprechen einige in dieser folgerichtigen Logik nicht gerne über ihre Probleme, sondern wollen den Anschein erwecken, dass sie selbstverständlich gut mit der Situation zurecht kommen. Während des Klinischen Jahrs sucht jeder, für sich Vorteile auszuhandeln, so dass für unterschiedliche PPiAs unterschiedliche Regeln gelten. Gemeinsames Handeln setzt sich deshalb nur schwer durch, weil ein jeder um seine Pfründe fürchtet, und nicht zuletzt um seine Beurteilung im späteren Zeugnis, oder auch möglicherweise den potenziellen Arbeitgeber vor Augen hat.
Was mein Institut betrifft: Absprachen sind schwer möglich und werden tlw. nicht eingehalten. Zu Beginn wurde ich mit der Aussage geködert, dass ich 30x pro Therapiestunde während der 400 Stunden erhalten würde, dies sei doch viel mehr, als was die Institutsambulanz der Universität einer nahegelegenen Großstadt zahle. Davon will der Institutsleiter heute nichts mehr wissen. Semesterpläne werden immer erst sehr spät heraus gegeben. Eine sinnvolle Jahresplanung ist so nicht möglich. Andere Institute schaffen das für ein Jahr im Voraus, oder länger. Kurse werden aus reinen Profitgründen voll gestopft, wir sind derzeit 18! Die Kompetenz der Dozentinnen und Dozenten ist sehr unterschiedlich zu bewerten, manche sind sehr gut, viele durchschnittlich bis gut, manche aber auch schlichtweg schlecht.
Die Räumlichkeiten sind unter aller Kanone. Kleine Zimmer, kaum Ausweichmöglichkeiten, bei Gruppenarbeit muss tlw. in der Küche und dem Gang gearbeitet werden. Oder sie kann, wenn die Therapiezimmer belegt sind, gar nicht statt finden. Wären wir wirklich »frei«, frei zahlende Seminarteilnehmer, für die weder Wohl noch Wehe vom Dozenten/Institutsleiter abhinge, keiner von uns würde sich im Dienstleistungsgeschäft auf dem freien Markt so etwas gefallen lassen. Da sind die Plätzchen und der Kaffee, die es kostenlos gibt, auch nur ein schwacher Trost. Gerne verzichtete ich darauf, wenn stattdessen die Qualität der Seminare, Seminarräume und Dozenten stiege, und die Gruppen kleiner wären (max. 12). Und ich wünschte mir mehr Zivilcourage von den Mitlernenden. Und da wird es schon wieder schwierig, weil ca. die Hälfte in eben dem angegliederten Krankenhaus, in dem der Institutsleiter Psychologe ist, arbeitet.
Ich wünsche mir, dass zukünftige PPiAs unter rechtlich einwandfreieren Bedingungen menschenwürdig arbeiten können. Dass ihr Auskommen gesichert ist. Dafür möchte ich heute meinen Beitrag leisten. Dass ich als Psychotherapeutin später mit Praktikanten, Praktikantinnen und evtl. PPiAs anders umgehe, als es mir heute widerfährt, sie gerecht entlohne und entsprechend anleite und stütze.
Erfahrungsbericht 3
Klinikalltag eines PiAs
Ich bin in einer Klinik nahe einer Großstadt tätig. Unsere Wochenarbeitszeit beträgt in der Klinik netto 27 Stunden, dafür bekommen wir nach einem Jahr 1200 Stunden anerkannt. Klingt besser als es ist. Letztendlich leisten wir (die Klinik profitiert von insgesamt 17 PiAs) pro Woche durchschnittlich 4 Überstunden. In der ersten Woche wurde mir alles gezeigt, in der zweiten Woche bekam ich den ersten Patienten, ab der dritten Woche 3 weitere, dazu übernahm ich eine Gruppe. Inzwischen leite ich 2 Gruppen und begleite bis zu 4 Patienten therapeutisch. Dies alles vollkommen eigenständig. Das macht Spaß, fordert mich, ich freue mich über das mir entgegengebrachte Vertrauen. Der Nachteil: ich wurde, wie wir alle, ins kalte Wasser geworfen, weiß öfters nicht, ob das richtig ist, was ich tue. Dafür fallen weitere Arbeiten an: Visiten, manche von uns führen diese vollkommen alleine durch, wenn der Chefarzt oder Oberarzt nicht da ist, Gespräche mit Angehörigen, was eine große Herausforderung darstellt, ebenfalls alleine, Gespräche mit dem MDK, alleine, Arztbriefe, Gutachten, Verlängerungsanträge etc., ebenfalls alleine. Die Klinik rechnet unsere Leistungen gegenüber den Krankenkassen entsprechend der Gebührenordnung voll ab, d.h. sie bereichert sich an uns, hält ihren Qualitätsstandard durch uns aufrecht. Die Patienten wissen häufig nicht, es sei denn, wir PiAs klären sie selbst darüber auf, dass sie von »Auszubildenden« therapiert werden. Wir routieren nicht, d.h., dass wir das gesamte Jahr auf ein und derselben Station zubringen, also teilweise nur wenige Störungsbilder kennenlernen. Am Schlimmsten trifft es den, der auf der Entgiftungsstation ist, da es dort überhaupt keine kontinuierliche therapeutische Arbeit gibt. Das verstößt eindeutig gegen die Ausbildungsvorschriften. Andererseits: 1 Jahr lang als Co-Therapeut mitlaufen, nicht selbständig arbeiten dürfen, dass wäre auch nicht angenehm. Was ich mir wünsche? Volles Gehalt für volle Leistung, Anerkennung meiner Arbeit! (Wenns wenigstens Geld gäbe pfiffe ich auf die Anerkennung)!
Psychologenverband beklagt Ausbildung der Psychotherapeuten
Die Ausbildung zum Psychotherapeuten kann einen Diplompsychologen schon krank machen. Nicht etwa, weil viele Psychologen zu gut sein wollen und deshalb unter einem enormen Druck leiden, wie die Psychotherapeutin Eva Jaeggi festgestellt hat, oder weil »diese Seelenklempner meistens selbst nicht alle Tassen im Schrank haben«, wie der Volksmund sagt. Nein, die Gründe liegen in der Ausbildung selbst. Nach durchschnittlich acht Semestern Studium und Diplom muss der Psychologe nämlich anschließend eine praktische Ausbildung in einem Institut absolvieren, die theoretisch drei, de facto aber häufig fünf Jahre dauert. Die Psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung (PPiA) leisten dabei meist die selbe fachlich qualifizierte Arbeit wie fertige Psychotherapeuten – sie wird aber entweder gar nicht oder nur schlecht bezahlt. Im Gegenteil: Die Auszubildenden müssen sogar noch Geld mitbringen und das nicht zu knapp!
Die angehenden Psychotherapeuten müssen schließlich auch während der Ausbildungszeit von irgendetwas leben: sie brauchen Geld für Wohnung, Kleidung, Haushalt und ein bisschen Freizeit. Darüber hinaus müssen sie nach Darstellung des Berufsverbandes Deutscher Psychologen drei Jahre lang einen monatlichen Beitrag zahlen: für Lehrgeld, Gruppen, Selbsterfahrung. Außerdem kosten Einzel-Selbsterfahrung und Einzel-Supervision extra (»Supervision« ist die Beratung und Beaufsichtigung von Psychotherapeuten während der Ausbildung). Das bekommen die jeweiligen Therapeuten dann direkt bezahlt. So kostet die Ausbildung schnell 20.000 Euro und mehr plus individuelle Lebenshaltungskosten. Und das kann sich nur noch leisten, wer ebenso wohlwollende wie wohlhabende Eltern oder einen mutigen Kreditgeber hat.
Die Ursache dieses Übels sieht der Psychologenverband im Pschychotherapeutengesetz, das seit 1998 in Kraft ist. Das schreibt zwar drei Jahre berufsbegleitende Ausbildung und 600 zu leistende Therapiestunden in einem Institut vor, eine wie auch immer geartete Bezahlung ist aber nicht geregelt. Daraus leiten nach Darstellung des Psychologenverbands viele Klinikleiter das Recht ab, die PPiA »auch über längere Zeit unentgeltlich arbeiten zu lassen«. Außerdem habe sich in kurzer Zeit die Haltung durchgesetzt, dass Therapiestunden gratis zu leisten sind und gegen die Supervisionen verrechnet werden. Das entspricht nur zehn Prozent des Honorars, dass die Kliniken den Patienten, also den Kassen berechnen. Das alles liegt mangels gesetzlicher Regelung im Ermessen des jeweiligen Klinikleiters. Vertragliche Regelungen sind offenbar unüblich, die Konditionen werden mündlich abgesprochen, sind dadurch aber so verbindlich wie Kaufempfehlungen für den Aktienmarkt.
Sind lange Ausbildungszeit und jahrelange Finanznot für manchen PPiA vielleicht noch zu ertragen, so gibt ihm die Ungewissheit über die eigene Situation den Rest. Denn auch die für die Zulassung zur Prüfung vorgeschriebene Beurteilung hängt vom jeweiligen Institutsleiter ab. Der hat natürlich das Interesse, eine gute und extrem kostengünstige Arbeitskraft so lange an seinem Institut zu halten wie irgend möglich. Und das kann Therapeuten in Ausbildung schon fertig machen. Und führt letztendlich dazu, dass der in einer Art Duldungsstarre verharrt und nur noch stumpf darauf wartet, seine überlange Ausbildung endlich abzuschließen: »Ich hab' keine Kraft mehr, ich spring' über jedes Stöckchen, das man mir hinhält«, zitiert der Verband einen Psychologen.
Der Psychologenverband räumt zwar ein, dass es zwischen den Instituten Unterschiede gibt. Doch die gesetzlichen Voraussetzungen seien für alle gleich. Deshalb führe nicht der böse Wille einzelner Institutsleiter zu den schlimmen Zuständen, sondern die Tatsache, dass die Klinikleiter gesetzliche Spielräume konsequent ausnützen. Fazit von Hans Schumacher, Vorsitzender der nordrhein-westfälischen Landesgruppe des Psychologenverbandes: »Also wenn ich ehrlich bin, würde ich derzeit niemandem raten, diese Ausbildung zu machen«. Womit er sich zum Teil ins eigene Fleisch schneidet, denn seine Verband beklagt die langsame Überalterung des Berufsstandes mangels ausreichenden Nachwuchses. Logische Forderung des Verbandes: Das Psychotherapeutengesetz muss dringend überarbeitet werden. Das Gesetz solle der Willkür einen Riegel vorschieben und die Psychotherapeuten in Ausbildung den Ärzten gleichstellen, die in dieser Phase der Ausbildung bereits gegen Bezahlung als Assistenzarzt arbeiten.
Martin Tofern
Ein Plädoyer gegen Willkür
Zur Situation der Psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung (PPiA) an den Instituten
Dieser grobe Überblick über die Situation in den Therapieinstituten basiert auf der Verarbeitung von Berichten und Erfahrungen Dutzender PPiA aus der ganzen Bundesrepublik. Es besteht eine große Spannweite in den jeweiligen Praktiken, und eine Menge Leute ist auch um die Schaffung besserer und humanerer Zustände bemüht. Insgesamt ist aber die Tendenz erkennbar, dass sich die jetzt schon äußerst schwierigen Rahmenbedingungen in den Instituten für Psychotherapeuten in Ausbildung (PPiA) noch verschärfen.
Derzeit kann keine Rede von einer »3-jährigen Vollzeitausbildung« sein; de facto ist dieser Zeitrahmen für fast niemanden einzuhalten. Daraus ergibt sich für die meisten eine »5-jährige berufsbegleitende Ausbildung«. Welche Auswirkungen die derzeitigen Zustände haben, wird durch einen Bericht im »Hessischen Ärzteblatt«, Ausgabe PP vom Juli 2002, deutlich, wo von einem Rückgang der Zahl der PPiA um 75% im Vergleich zu vor 4 Jahren die Rede ist.
Prinzipiell sei betont, dass eine durchgreifende Verbesserung der Lage der PPiA nur durch eine Novellierung des PsychThG und insbesondere der Ausbildungs und Prüfungsverordnung möglich ist. Nur so kann eine Gleichstellung der Psychologen nach Studienabschluss mit den Ärzten nach Studienabschluss im Sinne einer Schaffung von Assistenzpsychologenstellen mit in den Klinikbetrieb integrierter Weiterbildung bzw. anschließender Weiterbildung in Lehrpraxen erreicht werden. Diese Forderung hat deshalb berufspolitisch aus unserer Sicht höchste Priorität.
Die Gründung und Zulassung von Instituten ist möglich, wenn dabei der vom PsychThG und der Ausbildungs und Prüfungsverordnung vorgegebene formale Rahmen der Anforderungen erfüllt ist.
Kontrolle im Interesse der Qualität geboten
Weitere Angaben hierzu gibt es nicht. Wie das konkret im Einzelnen und für den einzelnen Kandidaten aussieht interessiert hierbei nicht. Es ist also auch eine Minimalvariante möglich: Eine Person gründet ein Institut, das aus einem Raum besteht und füllt selbst alle verschiedenen Positionen aus, hält alle Veranstaltungen, hält alle Zwischenprüfungen, entscheidet über die Annahme aller Dokumentationen, entscheidet über sämtliche Prüfungsanmeldungen, nimmt an allen Abschlussprüfungen teil, lässt (weil 3 gefordert sind) noch 2 weitere Supervisoren zu, bietet seine eigene Praxis als einzige Lehrpraxis an, entscheidet seine Honorarforderungen und ob/wie viel Vergütung für Therapiestunden gezahlt wird oder wie viel Zusatzanforderungen über das PsychThG hinaus gestellt werden und 1.000 andere Dinge ganz nach Belieben; solche Ein-Mann-Institute existieren tatsächlich (vor allem als Zweigstellen eines Verbundes): eine Person ist Institutsleiter, Supervisor, Dozent, Ausbildungsleiter, Selbsterfahrungsleiter, Praxisinhaber, Ambulanzleiter, Prüfer und oft auch noch Vorgesetzter.
Bedingt durch die derzeitige Lage sind die Institute privatwirtschaftlich organisiert. Das Interesse des Instituts und seiner Betreiber steht im Vordergrund, die Ausbildung, die Psychotherapie oder gar der Ausbildungskandidat spielen oft eine untergeordnete Rolle. Wie in allen Wirtschaftsunternehmen bedeutet dies Maximierung der Einnahmen, Minimierung der Ausgaben.
Wenn eine einzige Bescheinigung, eine einzige Unterschrift die Gegenleistung für ein volles Jahr Arbeitsleistung (oder sogar anderthalb) ohne irgendeine Vergütung, aber mit erheblichen Unkosten für den Betreffenden, darstellt, braucht es nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, welche Macht derjenige verkörpert, der diese Unterschrift leistet, also der Klinik bzw. Institutsleiter.
Machtfülle bei Klinik und Institutsleitern
Es liegt z.B. im Ermessen der Institute, mit welcher/n Klinik/en sie bzgl. der »praktischen Tätigkeit« kooperieren, welche Supervisoren sie als Einzige zulassen, mit welchen Lehrpraxen sie – wenn überhaupt – kooperieren. Es gibt manche – vor allem Privatkliniken – , die dieser bevorzugten Versorgung mit manchmal Dutzenden kostenlosen (oder nahezu kostenlosen) Arbeitskräften bei normaler Kassenabrechnung Einsparungen im mehrstelligen Bereich verdanken.
Um an nichts gebunden zu sein und stets flexibel die Interessen des Instituts wahren zu können, wird mit den PPiA möglichst viel nur mündlich vereinbart. So können anfangs Versprechungen gemacht und später nicht eingehalten werden, so können Forderungen gestellt werden, von denen anfangs nicht die Rede war. Die PPiA können sich auf nichts berufen. Bei der Bitte um Bestätigung von in einer Klinik geleisteten Stunden kann es ihnen passieren, dass ein Verantwortlicher erklärt, die Klinik sei ja gar nicht vom Institut zugelassen, obwohl vielleicht ein Ausbildungsleiter hoch und heilig das Gegenteil versichert hatte.
Qualität des Unterrichts oft mangelhaft
Auch Institute, die kein Ein-Mann Betrieb sind, stellen häufig völlig abgeschottete kleine Reiche dar, mit ihrem jeweils eigenen kleinen Stamm an Lehrpraxen (falls außer dem Institutsvorstand überhaupt welche »zugelassen« sind) und Supervisoren (müssen gar nicht immer von derselben Richtung sein – dann unterschreibt einfach der Institutsleiter), abgeschottet oft auch vom Institut gleicher Ausrichtung in der nächsten Straße. Auch bei der Zulassung von Dozenten spielt häufig die private Verbundenheit (bzw. auch Vereinbarungen, in anderen Instituten möglichst selbst viele Kurse halten zu dürfen) eine größere Rolle als die richtungsspezifische (tiefenpsychologisch/ verhaltenstherapeutisch) oder berufliche (Psychologe/Arzt) Qualifikation. So sind des öfteren Kurse zu ertragen, deren Dozenten weniger vom Thema verstehen als ihre Zuhörer. Qualitativ hochstehenden Unterricht mit Präsentation von Patienten – wie es in der Ärzteweiterbildung selbstverständlich ist – gibt es fast nie. Ein erheblicher Teil der Seminare wird von bundesweit herumreisenden Dozenten (oft Hochschulprofessoren) bestritten, die ihre »Theorieschau « präsentieren – und eben deswegen natürlich keine Patienten beibringen können. Auch die Forderung des PsychThG, dass Ärzte nur für die »Vermittlung der medizinischen Ausbildungsinhalte« eingesetzt werden dürfen, wird meist ignoriert.
Auch wer Supervisor sein darf oder welche Praxis als Lehrpraxis zugelassen wird, können die Institute völlig frei bestimmen. Ein solches Monopol bedeutet für die PPiA erhebliche Nachteile, was Honorare (von Terminproblemen gar nicht zu reden) für Supervisionen oder die Bezahlung bzw. Nicht-Bezahlung von Praxisassistenten (bei Arbeit in einer Praxis) betrifft.
Sogar gegen die wenigen einschränkenden Passagen des PsychThG handeln manche Institute. Dass Institutsleiter »Selbsterfahrung « durchführen, ist gang und gäbe.
Disziplinierung bis zum letzten Tag
Durch die völlige Abhängigkeit der PPiA von den Institutsleitern gibt es praktisch keine Ausweichmöglichkeit. Bei wem sollte er sich auch beschweren? Wer es wagen sollte, sich beim Prüfungsamt auch nur zu erkundigen, hat in etlichen Instituten – bei Bekanntwerden – mit Konsequenzen zu rechnen. Ein bis zum letzten Tag wirksames Disziplinierungsmittel ist z.B. die Oberaufsicht des Institutsleiters über Therapiegutachten und Falldarstellungen. Hier kann jederzeit alles zerpflückt und zurückgewiesen werden. Wenn dies nach Ablauf des Anmeldetermins zur Prüfung geschieht, kann der PPiA die Prüfung oft erst erheblich später absolvieren. Im ständigen Drang nach Ausweitung der Kontrolle nehmen die Institute dem Kandidaten oft auch die Anmeldung zur staatlichen Abschlussprüfung aus der Hand. Schließlich muss er darauf gefasst sein, in der staatlichen Prüfung dem Institutsleiter des privaten Instituts gegenüberzusitzen. Auch die Drohung, als »ungeeignet « rausgeworfen zu werden bei Verlust sämtlicher geleisteter Zahlungen und allen Arbeitsaufwandes, steht ständig im Raum. Bereits in den ersten Stunden taktisch geschickt vorgebrachte Erzählungen des Ausbildungsleiters, dass man kürzlich »leider jemandem als ungeeignet kündigen musste«, verfehlen ihre Wirkung nicht. Allein wegen der Angst, Investitionen in Höhe von Zehntausenden zu verlieren – in vielen Verträgen räumen die Institute sich Kündigungsrecht, »das nicht begründet werden muss«, oder bei »Störung« ein – herrscht ein faktischer Zwang, alles hinzunehmen.
»Im Interesse der Ausbildung« kann sich jeder ambitionierte Institutsleiter nach Belieben eigene Formulare, Fragebögen, Bescheinigungen, zu schreibende Berichte, Protokolle usw. ausdenken und für die Kandidaten auf diese Weise noch ein paar Anforderungen und Hürden mehr schaffen. Besonders bei Universitätsinstituten entwickeln manche Leiter beträchtlichen Ehrgeiz, »ihr« Institut zum »besten« zu machen und eine »Therapeutenelite« zu schaffen. Jeder Supervisor, jeder Betreiber des Nachbarinstituts sieht sich unter Zwang, da mitzuhalten. Das ist die Stunde der »kreativen« Bürokraten: eine ständig steigende Papierflut, meist überflüssig und oft sogar unsinnig, geht auf die Kandidaten nieder und ist mühsam und zeitraubend zu bearbeiten.
Wenn sich einmal Protest regt, z.B. wegen des Zwangs, Therapiestunden (natürlich gänzlich unbezahlt) im Rahmen der »freien Spitze « weit über die eigentliche Forderung des PsychThG bzw. der Ausbildungs und Prüfungsverordnung hinaus zu absolvieren, dann gibt es eben eine disziplinarische Kündigung. Wer aber hat als idealistischer angehender Psychotherapeut an eine Rechtsschutzversicherung gedacht und gar daran, ob diese überhaupt Unterstützung gegen quasi staatliche Stellen bietet? In einigen Fällen werden dann dem Protestierer teilweise großzügige, geheime Zugeständnisse gewährt, um ihn ruhig zu stellen, die selbstverständlich für die anderen nicht gelten. In anderen Fällen müssen Prozesse durchgefochten werden oder die Ausbildung ist zu Ende.
Oft werden auch keine schriftlichen Bestätigungen von Leistungen wie abgeleistete Stunden oder bereits absolvierte Kurse gegeben. Gelegentlich gibt es sogar überhaupt keine schriftlichen Verträge. In einer Reihe von Ambulanzen ist es üblich, dass Ambulanzverträge über Jahre »in Arbeit« sind. Kaum jemand wagt es, auf einer Bescheinigung auch nur der selbstverständlichsten Dinge zu bestehen. Viele wagen nicht einmal zu fragen, um nicht »unangenehm « aufzufallen.
Dass die Institute die Stunde bei von ihnen erbrachten Leistungen (Theorie/Supervision) zu 45 bzw. 50 Min. rechnen, bei Leistungen (praktische Tätigkeit etc.) der PPiA aber auf 60 Min. (manchmal mit Stechuhr) bestehen, sei auch noch angemerkt.
Qualifizierte Arbeit ohne jede Bezahlung
Der Bereich, in dem die Missstände ganz deutlich erkennbar sind, ist der direkte finanzielle Bereich, v.a. die Honorierung der vorgeschriebenen Therapiestunden. Im PsychThG steht nichts von bezahlter Arbeit, weder was die Stunden in der Psychiatrie noch was die Therapiestunden betrifft. Daraus leitet auch die große Mehrzahl der Klinikleiter das »Recht« ab, PPiA auch über längere Zeit unentgeltlich arbeiten zu lassen. Noch vor 10 Jahren lehnte eine Reihe von ihnen dies bei freiwilligem Anerbieten von Psychologen fast entrüstet als »unmoralisch« ab. Bei den Honoraren treiben die Institute die Entwicklung in dieselbe Richtung. Waren noch bis vor wenigen Jahren 15-20 Abzüge auf den gezahlten Kassensatz pro Therapiestunde durch das Institut die Regel, ist die Quote heute auf 50% gestiegen. Aber damit nicht genug. Auf breiter Front wurde in kurzer Zeit durchgesetzt, dass auch die Therapiestunden (praktische Ausbildung) unentgeltlich zu leisten sind und dafür die Supervisionen kostenlos geliefert werden. Das sind dann nicht einmal 10% des Honorars. Früher warb man stets mit dem Argument, die hohen Ausbildungskosten und auch ein guter Teil des Lebensunterhaltes ließen sich durch die Honorare für Therapiestunden wieder hereinbringen. Heute heißt es, bei der unentgeltlichen Leistung der Therapiestunden entstünden durch die großzügige Übernahme der Supervisionsgebühren keine zusätzlichen Kosten.
Nicht im Einklang mit der Berufsordnung
Ein besonderes Objekt der Begierde ist die sogenannte »freie Spitze«. Das sind die mehr als 900 Stunden, die mit den einzelnen Anforderungen der Ausbildungsund Prüfungsverordnung bzw. des PsychThG nicht abgedeckt sind. Für geschäftstüchtige Institutsleiter liegt der Gedanke nah, aus diesem Fundus die vom PsychThG geforderten 600 Therapiestunden aufzustocken – mal eher zaghaft »nur« um einige 100 Stunden, mal mit großem Appetit gleich auf das Doppelte oder bei Ausschöpfung der Stundenvorgabe des PsychThG auf 1.500 Stunden. Auch dies oft unentgeltlich als »Übungsstunden im Interesse der Ausbildung« deklariert. Hierbei sind auch eine Anzahl von Varianten möglich, v.a. die Erhöhung der Zahl der Unterrichtsstunden mit Forderungen zur Absolvierung zusätzlicher zu bezahlender Kurse, oder zum direkten Vorteil eines Institutsleiters mit der (unentgeltlichen) Bestreitung »seiner« Universitätsseminare durch PPiA in Form von Patientenvorstellungen, usw. Nicht im Einklang mit der Berufsordnung sind zudem die Fälle, in denen Institutsleiter Kandidaten unentgeltlich in ihren Privatpraxen arbeiten lassen.
Die Bekanntgabe der Prüfungsfragen für die Abschlussprüfung, von denen 1/3 PsA, 1/3 VT und 1/3 Medizin sind, machte Diskrepanzen zwischen Ausbildung und Prüfung sichtbar. Einige Institute erklärten daraufhin, man sei zwar für die Ausbildung, nicht aber für die Prüfung zuständig, den fehlenden Stoff (2/3!) sollten sich die PPiA gefälligst selbst erarbeiten.
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Instituten. Aber die gesetzlichen Grundvoraussetzungen sind für alle gleich. Man darf also nicht vergessen, dass nicht böser Wille einzelner Institutsleiter zu den schlimmen Zuständen führt, sondern lediglich die konsequente Ausnutzung der gesetzlichen Spielräume. Dies alles führt zu einer Art Starre, in der jeder nur noch geduckt auf ein Ende der Ausbildungszeit, wie auch immer, wartet. »Ich hab' keine Kraft mehr, ich spring' über jedes Stöckchen, das man mir hinhält.« So der O-Ton eines PPiA.
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