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positiv bewertete Texte
Der erste Text am 27.3. 2001 um 12:19:19 Uhr schrieb
philipp über Kalifornien
Der neuste Text am 24.6. 2021 um 09:39:55 Uhr schrieb
Christine über Kalifornien
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am 20.3. 2006 um 00:37:42 Uhr schrieb
(f) e l i X über Kalifornien

am 30.9. 2017 um 08:14:11 Uhr schrieb
Ehemann über Kalifornien

am 20.10. 2004 um 20:25:09 Uhr schrieb
Kementari über Kalifornien

Einige überdurchschnittlich positiv bewertete

Assoziationen zu »Kalifornien«

Ugullugu schrieb am 12.10. 2002 um 19:17:28 Uhr zu

Kalifornien

Bewertung: 4 Punkt(e)

An der Ostsee gibt's den kleinen Badeort Kalifornien. Die Bewohner von Kalifornien ignorieren scheinbar mit wütender Entschlossenheit, daß Fremde irgendetwas an dem Ortsnamen »Kalifornien« lustig finden könnten. Denn obwohl Kalifornien ein Touristenort ist, gibt es nirgendwo Andenk-Artikel zu kaufen, die einen Bezug zu Kaliforniens Namensvetter am Pazifik erkennen lassen. Es gibt nur die ewig gleichen Ostseebad-Postkarten mit kleinen häßlichen Bildern auf blauem Grund, nur daß hier nicht »Grömitz« oder »Weissenhäuser Strand« sondern eben »Kalifornien« steht. Auch beim Ortsschild erweisen sich die Kalifornier als humorresistent. Der Alltag in Kalifornien sieht so aus, daß bei eiskaltem Wind und unter sturmwolkenverhangenen Himmel ältere Ehepaare ihre vierbeinigen Freunde in den Hundestrandsand kacken lassen, während Kinder den beliebten Standart-Plastikdrachen für zehn Mark am Strandkiosk dabei beobachten, wie der bei orkanartigen Böen mit Schmackes in die Hundestrandsandkacke saust. Im Herbst jedenfalls.

Hagbard schrieb am 19.9. 2001 um 23:25:07 Uhr zu

Kalifornien

Bewertung: 4 Punkt(e)

Die ultimative amerikanische paranoide Fantasie ist die, eines Individuums, das in einer idyllischen kalifornischen Kleinstadt lebt, das plötzlich anfängt den Verdacht zu hegen, dass es in einer Scheinwelt lebt, in einem Spektakel, daß aufgeführt wird um es davon zu überzeugen, dass es in einer realen Welt lebt, während alle Leute um es herum tatsächlich Schauspieler und Statisten in einer gigantischen Show sind. Das letzte Beispiel hierfür ist Peter Weirs »The Truman Show« (1998), in der Jim Carrey den Kleinstadt-Büroangestellten spielt, der allmählich herausfindet, dass er der Held einer permanenten 24-Stunden-TV-Show ist: Seine Heimatstadt wurde auf einem gigantischem Studiogelände errichtet mit Kameras, die ihn permanent verfolgen. Unter seinen Vorläufern ist es wert Philip Dicks »Time Out of Joint« (1959) zu erwähnen, in dem ein Filmheld ein anständiges Leben in einer idyllischen kalifornischen Kleinstadt der späten 50er-Jahre führt und allmählich herausfindet, dass die ganze Stadt eine Inszenierung ist um ihn zufrieden zu halten... Die zu Grunde liegende Erfahrung aus »Time Out of Joint« und der »The Truman Show« ist, dass das spätkapitalistische Konsumenten-paradies Kalifornien in seiner Hyper-Realität auf eine Art IRREAL ist, substanzlos und seiner materiellen Unendlichkeit (wörtl. »Trägheit«; offenbar im physikalischen Sinn; d. Übs.) beraubt.
Es ist also nicht nur, dass Hollywood, einen Anschein von realem Leben aufführt, das der Schwere und Unendlichkeit der Materialität beraubt ist - in der spätkapitalistischen Konsumenten-gesellschaft nimmt das »reale soziale Leben« selbst Züge einer inszenierten Fälschung an, in der unsere Nachbarn sich im »realen« Leben wie Schauspieler und Komparsen benehmen...

Noch mal, die ultimative Wahrheit des kapitalistischen utilitaristischen (auf Nützlichkeit ausgerichteten d.Übs.) entspiritualisierten Universums ist die Entmaterialisierung des »realen Lebens« selbst, seine Umkehr in eine gespenstische Show. Unter Ihnen gab Christopher Isherwood der Unrealität des amerikanischen Alltags Ausdruck, veranschaulicht am Motel-Zimmer: »Amerikanische Motels sind unwirklich!/.../ sie sind absichtlich konstruiert um unwirklich zu sein. /.../ Die Europäer hassen uns, weil wir uns zurückgezogen haben um in unserer Reklame zu leben wie Eremiten die in die Höhle ziehen um zu meditieren
Peter Sloterdijk's Begriff der »Sphäre« ist hier wörtlich realisiert worden, als die gigantische metallene Sphäre, die die gesamte City einschließt und isoliert. Jahre vorher hatte eine Serie von Science-Fiction-Filmen wie »Zardoz« oder »Logan's Run« die heutige missliche Lage vorausgezeichnet, indem sie die Fantasie auf die Gemeinschaft selbst ausdehnte: die isolierte Gruppe, die ein aseptisches Leben in einer abgeschlossenen Gegend führt sehnt sich nach der Erfahrung der wirklichen Welt materiellen Verfalls.
Der Kassenschlager der Wachowski-Brüder »Matrix« (1999) brachte diese Logik zum Höhepunkt: die materielle Realität, die wir alle erfahren und um uns sehen ist eine virtuelle, generiert und koordiniert von einem gigantischem Mega-Computer an den wir alle angeschlossen sind. Als der Held (Keanu Reeves) in der »wirklichen Realität« aufwacht sieht er eine trostlose Landschaft voller brennender Ruinen - was von Chicago nach einem globalen Krieg übrig blieb. Der Widerstandsführer Morpheus grüßt ironisch: "Willkommen in der Wüste der Realität.“
War es nicht etwas dieser Art was in New York am 11. September geschah?

Seine Bürger wurden der »Wüste der Realität« vorgestellt - und uns, korrumpiert von Hollywood, mussten die Großaufnahmen und die Bilder der in sich sackenden Türme an die atemberaubendsten Szenen der großen Katastrophenproduktionen erinnern.
Wenn wir hören, wie die Bomben ein total unerwarteter Schock waren, wie das unvorstellbar Unmögliche passierte sollte man sich die andere definierende Katastrophe des beginnenden 20. Jahrhunderts in Erinnerung rufen, die der Titanic. Es war auch ein Schock, aber der Raum hierfür war bereits durch ideologisches Fantasieren vorbereitet, da die Titanic ein Symbol der Macht der industriellen Zivilisation des 19. Jahrhunderts war. Trifft dies nicht auch für diese Bombardierungen (= die Anschläge auf das WTC + Pentagon; d. Übs.) zu? Nicht nur, dass die Medien uns die ganze Zeit mit dem Gerede über die terroristische Bedrohung bombardierten; diese Bedrohung wurde auch libidinös benutzt - erinnern Sie sich nur an die Reihe der Filme von »Escape From New York« bis »Independence Day«. Das Undenkbare, das passierte war nun das Objekt der Fantasie: In gewisser Weise bekam Amerika wovon es fantasierte und dies war die größte Überraschung.
Genau jetzt, wenn wir mit der rohen Realität einer Katastrophe umgehen, sollten wir der ideologischen und fantasmatischen Koordinaten bewusst sein, die ihre (der Katastrophe; d. Übs.) Wahrnehmung bestimmen. Wenn es einen Symbolismus in dem Kollaps der WTC Türme gibt, ist es weniger die altmodische Ansicht, dass die zwei WTC Türme für das »Zentrum des finanziellen Kapitalismus« standen, sondern eher für den VIRTUELLEN Kapitalismus, für finanzielle Spekulationen losgelöst von der Sphäre materieller Produktion.

Die gewaltige Wirkung der Bombardierungen kann nur vor dem Hintergrund der Grenze zwischen der digitalisierten Ersten und »Realitätswüste« der Dritten Welt erklärt werden. Es ist das Bewusstsein, dass wir in einem künstlichen inselartigen Universum leben, dass die Idee eines ominösen Agenten generiert, der uns jederzeit mit totaler Zerstörung bedroht.
Ist konsequenterweise Osama Bin Laden der verdächtigte Drahtzieher hinter den Bombardierungen nicht der reale Widerpart zu Ernst Stavro Blofeld, dem Oberkriminellen in den meisten James-Bond-Filmen, stets in globale Zerstörung verwickelt. Was man sich hier in Erinnerung rufen sollte ist, dass der einzige Ort in Hollywoodfilmen, an dem wir den Produktionsprozess in all seiner Intensität sehen können, der ist wenn James Bond in die geheime Domäne des Schurken eindringt und dort auf den Ort intensiver Arbeit trifft (destillieren und verpacken von Drogen, Konstruieren einer Rakete, die New York zerstören wird...).
Wenn der Oberkriminelle, nachdem er Bond gefangen nimmt, ihm gewöhnlich seine illegale Fabrik zeigt, ist dies nicht der Punkt an dem sich Hollywood am Nähesten an die stolze Präsentation von Fabrikproduktion im Realsozialismus annähert? Und die Funktion von Bond's Intervention ist, natürlich, diesen Produktionsort in Feuerwerk zu verwandeln, wodurch er uns erlaubt zu unserem täglichen Schein unserer Existenz in einer Welt der »verschwindenden Arbeiterklasse zurückzukehren«. Ist es nicht so, dass diese gegen das bedrohliche Außen gerichtete Gewalt in den explodierenden WTC-Türmen sich gegen uns zurück wandte?

Die sichere Sphäre in der Amerikaner leben, wird als bedroht von terroristischen Angreifern aus der Außenwelt wahrgenommen. Diese Angreifer sind rücksichtslos selbstopfernd UND Feiglinge, listig intelligent UND primitive Barbaren. Wann immer wir auf eine solch durchweg böse Außenwelt treffen, sollten wir den Mut sammeln der Hegelschen Lehre zu folgen: In dieser reinen Außenwelt sollten wir die destillierte Version unserer eigenen Essenz erkennen. Über die letzten fünf Jahrhunderte, wurde der (relative) Wohlstand und Frieden des »zivilisierten« Westens durch den Export rücksichtsloser Gewalt und Zerstörung in die »barbarische« Außenwelt erkauft: die lange Geschichte von der Eroberung Amerikas bis zum schlachten im Kongo. So grausam und indifferent es sich auch anhören mag, wir sollten, nun mehr als je zuvor, bedenken, dass die tatsächlichen Auswirkungen dieser Bombardierungen weit symbolischer als realer sind. Die Vereinigten Staaten haben nur einen Geschmack davon bekommen, was auf der ganzen Welt jeden Tag vorkommt, von Sarajevo nach Grozny, von Ruanda und Kongo nach Sierra Leone. Wenn man zu der Situation in New York Heckenschützen und Gangvergewaltigungen hinzufügt, bekommt man eine Idee was Sarajevo vor einer Dekade war.

Es war als wir am Fernsehschirm die beiden WTC-Türme zusammenbrechen sahen, dass es möglich wurde die Falschheit der »reality TV«-Sendungen zu erfahren: Auch wenn diese Sendungen »für real« sind, spielen Leute noch in ihnen - sie spielen einfach sich selbst. Der Standard-Disclaimer in einem RomanCharaktere in diesem Text sind fiktiv, jede Ähnlichkeit mit tatsächlich Lebenden sind zufällig«) gilt auch für die Teilnehmer von reality-soaps: Was wir dort sehen sind fiktionale Charaktere auch wenn sie sich selbst »für real« spielen. Natürlich kann der »Rückkehr zur Wirklichkeit« verschiedene Wendungen gegeben werden: Rechte Kommentatoren wie George Will proklamierten sofort das Ende des amerikanischen »Urlaubs von der Geschichte« - die Auswirkung der Wirklichkeit zerschmettern die isolierten Türme der liberal-toleranten Attitüde und kulturelle Studien fokussieren auf Textualität. Jetzt sind wir gezwungen zurückzuschlagen, mit den wirklichen Feinden in der wirklichen Welt abzurechnen...Nur, WEN angreifen?

Es gibt eine teilweise Wahrheit in der Idee des »Kampfes der Kulturen« die hier bestätigt wird - beachte die Überraschung des Durchschnitts-amerikaners: »Wie ist es möglich, dass diese Leute ihr eigenes Leben dermaßen verachten?“ Ist nicht die Kehrseite dieser Überraschung die ziemlich traurige Tatsache, dass wir, in den Ländern de Ersten Welt, es immer schwieriger finden auch nur an einen Grund zu denken, für den man bereit wäre sein Leben zu opfern? Wenn, nach den Bombardierungen, selbst der Außenminister der Taliban sagt, er könne «den Schmerzder amerikanischen Kinder »fühlen«, bestätigt er dadurch nicht die hegemoniale Rolle dieser Warenzeichen-Phrase Bill Clintons?
Des weiteren ist die Ansicht, Amerika sei ein sicherer Hafen natürlich eine Fantasie: Als ein New Yorker kommentierte, dass man nach den Anschlägen nicht mehr sicher durch die Straßen der Stadt gehen könne ist die eigentliche Ironie, dass gerade vor den Bombardierungen New Yorks Straßen für die Gefahr, angegriffen oder zumindest ausgeraubt zu werden bekannt waren - wen überhaupt, dann haben die Bombardierungen zu einem neuen Solidaritätssinn beigetragen; mit Szenen junger Afro-Amerikaner, die einem älterem jüdischen Herren über die Straße helfen - Szenen die vor ein paar Tagen undenkbar waren.

Nun in den Tagen direkt nach den Bombardierungen ist es, als ob wir uns in der einzigartigen Zeit zwischen einem traumatischen Ereignis und seinen symbolischen Auswirkungen befinden, wie in dem Moment, wenn wir uns tief geschnitten haben und den Schmerz noch nicht voll spüren - es ist offen wie die Ereignisse symbolisiert werden, was ihre symbolische Effizienz sein wird und welche Handlungen hervorgerufen werden um sie zu rechtfertigen. Auch hier in diesen Momenten größter Spannung ist diese Verbindung nicht automatisch sondern ungewiss. Es gibt bereits die ersten schlechten Omen. Am Tag nach den Bombardierung bekam ich eine Nachricht von einer Zeitung, die gerade dabei war einen längeren Text über Lenin von mir zu veröffentlichen, in der mir mitgeteilt wurde, dass sie die Veröffentlichung verschoben haben - sie hielten es für inopportun einen Text über Lenin nach der Bombardierung zu veröffentlichen. Deutet dies nicht auf die künftigen bedrohlichen ideologischen Reartikulationen hin?
Wir wissen noch nicht welche Auswirkungen dieses Ereignis auf die Wirtschaft, Ideologie, Politik und Krieg haben wird, aber eins ist sicher: Die Vereinigten Staaten, die sich bisher als eine Insel frei von dieser Art Gewalt wahrgenommen hat, die solche Sachen nur von der sicheren Distanz des Fernsehschirms beobachtete, ist jetzt direkt einbezogen. Die Alternative ist also: Werden die Amerikaner entscheiden ihre »Sphärezu befestigen oder riskieren aus ihr herauszutreten? Entweder wird Amerika in der Attitüde «Warum sollte uns das passieren? Solche Sachen passieren nicht HIER!“ verweilen, sie sogar verstärken, was zu mehr Aggressivität gegen die bedrohliche Außenwelt führt - kurz: Zu einem Paranoiker der sich auslebt.

Oder Amerika wird endlich riskieren, durch den fantasmatischen Bildschirm zu treten, der es von der Außenwelt trennt und seine Ankunft in der Wirklichen Welt akzeptieren und den lange überfälligen Schritt von »Eine solche Sache sollte nicht HIER passierenzu »Eine solche Sache sollte NIRGENDWO passierenvollziehen. Amerikas »Urlaub von der Geschichte« war eine Fälschung: Amerikas Frieden wurde mit den Katastrophen anderswo erkauft. Hierin liegt die wahre Lehre der Bombardierungen: Der einzige Weg sicherzustellen, dass es nicht noch mal HIER passiert ist der, zu verhindern, dass er IRGENDWO ANDERS noch mal passiert.

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