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ZEIT ONLINE schrieb am 7.5. 2019 um 20:13:44 Uhr über

bedroht

Die Zahl der Arten, die für immer von dieser Erde verschwunden sind, steigt mit erschreckender Geschwindigkeit. Verantwortlich für dieses neuerliche Massenaussterben ist die menschliche Zivilisation. Zu diesem Ergebnis kommt der Global Assessment Report, die bisher umfassendste internationale Untersuchung zum Artenschutz, den der Weltbiodiversitätsrat IPBES in Paris vorgestellt hat.

Für diese weltweite Bestandsaufnahme der Artenvielfalt haben Experten und Forscherinnen aus mehr als 50 Ländern über drei Jahre lang viele Tausend wissenschaftliche Arbeiten zur Entwicklung der Biodiversität in den vergangenen fünf Jahrzehnten ausgewertet.

Sie haben dabei fünf Faktoren identifiziert, die die negative Entwicklung der Artenvielfalt auf der Welt maßgeblich beeinflussten: Zum einen bedrohe die Nutzung von Landflächen und Meeren die Biodiversitätdrei Viertel aller Landflächen und zwei Drittel der Ozeane seien bereits entscheidend durch den Menschen verändert. Zum anderen verdrängten invasive Arten heimische Tiere und Pflanzendie Zahl dieser invasiven Arten sei in allen Weltregionen um 70 Prozent gestiegen. Ebenso trügen eine direkte Nutzung von Pflanzen und Tieren, der Klimawandel und die Verschmutzung der Umwelt zum Artensterben bei. »Kein Ökosystem ist unbeeinflusst vom Menschen. Die intensive Landnutzung ist der größte Treiber für den sich verschlechternden Zustand der Erde«, sagte Marten Winter vom Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig.


»Die Nutzung und Übernutzung natürlicher Ressourcen durch den Menschen hat beispiellose Züge angenommen

(Prof. Dr. Almut Arneth)


Von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten, die es weltweit gibt, ist dem Bericht zufolge rund eine Million vom Aussterben bedroht. In den meisten Lebensräumen auf dem Land sei die Zahl der natürlich vorkommenden Arten um mindestens 20 Prozent sei gesunken. Mehr als 40 Prozent der Amphibienarten, fast 33 Prozent der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller marinen Säugetierspezies seien bedroht. Auch bei Nutztieren schwinde die Vielfalt: Mehr als neun Prozent der zur Nutzung als Fleischlieferant oder Arbeitstier domestizierten Säugetierrassen seien bis 2016 ausgestorben.


Das Artensterben bedroht die Menschheit selbst

Die Autorinnen und Autoren des Berichts sehen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen menschlichem Einfluss und negativen Folgen für die Natur. Diese Folgen seien in zunehmendem Ausmaß so stark spürbar, dass sie die Menschheit selbst bedrohten. Nach Einschätzung von Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie an der Universität Göttingen, zeige der Report, »dass der Rückgang an natürlicher Vielfalt und an Leistungen durch Ökosysteme vor allem die elf Prozent der Menschheit trifft, die unter Nahrungsmangel leiden und so arm sind, dass sie sich die grundsätzlich verfügbaren Lebensmittel nicht leisten können«. Den Rückgang der Biodiversität nannte Tscharntke »dramatisch und global«. Und auch Almut Arneth, die am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung in Karlsruhe forscht und als Leitautorin des aktuellen IPBES-Reports an der abschließenden Verhandlung des Weltbiodiversitätsrats in Paris teilnahm, sagte: »Die Nutzung und Übernutzung natürlicher Ressourcen durch den Menschen hat beispiellose Züge angenommen

Aber lässt sich der Rückgang der Artenvielfalt überhaupt noch aufhalten? Ja, schreiben die Autoren des Berichts, aber nur, wenn auf allen Ebenen unverzüglich und konsequent gegengesteuert werde. Das sei bisher nicht der Fall: »Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt wie auch die EU-Strategie zur biologischen Vielfalt sind grandios gescheitert. Die Biodiversitätsverluste sollten schon bis zum Jahr 2010 gestoppt werden, aber selbst die Verlängerung bis 2020 hat nichts geholfen; denn das Tempo der Artenverluste ist größer denn je«, sagte Teja Tscharntke.


Wir sind »auf einem zutiefst nicht nachhaltigen Entwicklungspfad«

Jens Jetzkowitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für Naturkunde in Berlin und einer der Leitautoren des aktuellen IPBES-Reports, sagte: Einen »Königsweg, um das Massenartensterben zu beenden«, biete der Bericht nicht. »Von Land zu Land und Region zu Region werden unterschiedliche Maßnahmen erfolgreich sein, um die drängendsten Gefährdungen für biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen zu beseitigenEs sei unverzichtbar, die biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme »als Voraussetzungen unseres gesellschaftlichen Lebens und Wirtschaftens« anzuerkennen. Derzeit befinde sich die Menschheit »auf einem zutiefst nicht nachhaltigen Entwicklungspfad«.


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