Anzahl Assoziationen zu diesem Stichwort (einige Beispiele folgen unten) 3, davon 3 (100,00%) mit einer Bewertung über dem eingestellten Schwellwert (-3) und 2 positiv bewertete (66,67%)
Durchschnittliche Textlänge 13732 Zeichen
Durchschnittliche Bewertung 1,000 Punkte, 1 Texte unbewertet.
Siehe auch:
positiv bewertete Texte
Der erste Text am 15.6. 2007 um 13:59:30 Uhr schrieb
Yadgar über Ilthanalg
Der neuste Text am 30.6. 2016 um 13:28:57 Uhr schrieb
Kyjhf Gyjks über Ilthanalg
Einige noch nie bewertete Texte
(insgesamt: 1)

am 15.6. 2007 um 15:01:41 Uhr schrieb
Bettina Beispiel über Ilthanalg

Einige überdurchschnittlich positiv bewertete

Assoziationen zu »Ilthanalg«

Yadgar schrieb am 15.6. 2007 um 13:59:30 Uhr zu

Ilthanalg

Bewertung: 2 Punkt(e)

Die Geschichte, die hier erzählt werden soll, handelt von einem jungen Menschen namens Ktemgin. Sie beginnt auf Ilthanalg, einem der zahlreichen Planeten des Sirius-Systems. Dieser Planet ist von einer hochstehenden Zivilisation bevölkert, ausgewanderten Bewohnern des untergegangenen terranischen Reiches Atlantis. Eine vollautomatisierte Wirtschaft garantiert, daß niemand dort für seinen Lebensunterhalt arbeiten muß, sondern sich, wie die Oberschicht im antiken Griechenland, ganz geistigen Interessen widmen kann. Mathematik und Naturwissenschaften wurden auf Ilthanalg seit jeher besonders gepflegt, und so entwickelte sich der Planet zu einer Hochburg dieser Disziplinen, lange bevor auf der Erde die ersten nach-atlantischen Hochkulturen entstanden. Aus einem Umkreis von mehreren hundert Lichtjahren kommen Vertreter aller möglichen Arten intelligenter Wesen nach Ilthanalg, um in der Hauptstadt Thexdaru Relilg oder in einer der anderen zahllosen, über den ganzen Planeten verstreuten Universitätsstädte zu studieren. Die Bewohner Ilthanalgs verfügen über einen Vorzug, der sie weit über alle anderen vernunftbegabten Lebensformen heraushebt: die relative Unsterblichkeit. Relativ bedeutet, daß sie zwar keinen Alterungsprozessen unterliegen, aber durchaus durch gewaltsame äußere Einflüsse ums Leben kommen können. So trifft man immer wieder auf Menschen, die auf ein Leben von mehreren 1000 Erdjahren zurückblicken können.

Die andere Seite dieser einzigartigen biologischen Verfaßtheit ist allerdings, daß niemand dort jemals das Stadium der Geschlechtsreife erreicht, sie körperlich auf dem Entwicklungsstand von 10jährigen Kindern bleiben. Auf psychischem Gebiet liegen die Dinge komplizierter. Zwar sind den Bewohnern Ilthanalgs elementare Lebenserfahrungen wie Sexualität und die Sorge um die materielle Existenz fremd, aus naheliegenden Gründen (die gleich erläutert werden) aber nicht die Erfahrung des Todes. Dazu kommt die enorm lange Lebensspanne, die ebenfalls dazu beiträgt, daß der geistig-seelische Zustand der Bevölkerung Ilthanalgs nicht mit dem irdischer 10jähriger verglichen werden kann, auch wenn Ilthanalg in der Galaxis weithin als der »Planet der Ewigen Kinder« bekannt ist.

Ktemgin verbrachte die 3410 Erdjahre (Ilthanalg braucht für einen Umlauf um den Sirius jedoch 419,57 Erdtage, also ist Ktemgin nach dortigem Kalender »erst« 2968 Jahre alt) seines bisherigen Lebens auf die dort übliche Weise, mit wissenschaftlichen Studien (wobei sein Hauptinteresse der Mathematik, Astronomie und Geographie galt) und Reisen. Mehrmals hatte er überdies schon an der alle 720 Jahre (also etwa alle 827 Erdjahre; die Zahl 720 war in der atlantischen Mystik von zentraler Bedeutung, sie stand für die Harmonie des materiellen und geistigen Kosmos und galt als Symbol des höchsten Glückes) zum Gedenken an die Landung der Atlanter vor fast 600000 Erdjahren (genau: 593516 v. Chr.) stattfindenden Radfernfahrt teilgenommen.

Dieses so offensichtliche Paradies hat jedoch einen gravierenden Schönheitsfehler. Seit Ktemgin sich erinnern kann (und er kann sich nicht erinnern, jemals anderswo als auf Ilthanalg gelebt zu haben) lag der Planet im Krieg mit einem übermächtigen Gegner, den Andreaten unter ihrem Diktator KDZ 666. KDZ 666 hatte sich mittels einer praktisch uneinnehmbaren Festung, eines künstlichen Planeten von ungefähr 500 km Durchmesser, der allgemein als der »Stählerne Tod« bekannt wurde, das Siriussystem unterworfen. Auch den Atlantern, die einige Jahrhunderte zuvor auf dem damals noch nicht von intelligenten Lebensformen bewohnten Ilthanalg eingetroffen waren, gelang es nicht, KDZ 666 vernichtend zu schlagen oder ihn wenigstens mitsamt »Stählernem Tod« aus dem Sirius-System zu vertreiben. Immerhin konnten sie während der gesamten Dauer der Auseinandersetzung verhindern, daß die Andreaten auf Ilthanalg landeten und ihre tyrannische Herrschaft dort direkt ausüben konnten.

KDZ 666 muß schon früh eingesehen haben, daß der Kampf um die Vorherrschaft auf Ilthanalg für ihn möglicherweise allzu aufreibend hätte werden können und daß der Sieger keineswegs feststand; jedenfalls begnügte er sich bis auf weiteres damit, ein Kraftfeld um den Planeten zu legen, das nur von außen nach innen durchlässig war, nicht jedoch in umgekehrter Richtung. So sollte verhindert werden, daß die Atlanter sich Verbündete außerhalb des Sirius-Systems suchten und dann irgendwann den »Stählernen Tod« mit einer interplanetaren Flotte angriffen. Das Kraftfeld bewirkte aber auch Veränderungen bei den Bewohnern Ilthanalgs, mit denen KDZ 666 nicht gerechnet hatte, ja, die seinen Interessen zum Teil sogar zuwiderliefen, nämlich deren physische Rückentwicklung (es waren auch die zu diesem Zeitpunkt erwachsenen Atlanter betroffen, nicht erst deren Kinder) und ihre relative Unsterblichkeit. KDZ 666, einem genialen Informatiker, war es noch zu Lebzeiten seines Körpers gelungen, sämtliche Bewußtseinsinhalte aus seinem Gehirn in einen Computer zu übertragen und damit das, was seine Persönlichkeit ausmachte, von einer vergänglichen Hülle unabhängig zu machen; eine ihm absolut ergebene Kaste von Technikern war Generation um Generation mit der Wartung des gewaltigen Computersystems beschäftigt, das sozusagen das Gehirn des »Stählernen Todes« und seiner Kriegs- und Herrschaftsmaschinerie bildete und an dessen Spitze der elektronisch unsterblich gemachte Geist KDZ 666s stand. Die Bewohner Ilthanalgs waren ihm nun ebenbürtig, was Langlebigkeit betraf; er hoffte jedoch, da sie durch ihre physische Stagnation niemals die Fähigkeit zur Fortpflanzung erreichten, die Bevölkerung des Planeten durch pausenlose Kriegszüge soweit zu dezimieren, bis er Ilthanalg militärisch in jeder Hinsicht überlegen war und es gefahrlos seinem Imperium einverleiben konnte.

Doch diese Hoffnung trog. Auf Ilthanalg wurden alle Anstrengungen in die Entwicklung von im industriellen Maßstab praktizierbaren Methoden der ungeschlechtlichen Fortpflanzung gesteckt, und innerhalb kurzer Zeit war die neue Technologie soweit ausgereift, daß in allen größeren Städten Laborzentren eingerichtet werden konnten, in denen durch Klonung und gezielte Manipulation der Erbanlagen (so sorgte man dafür, daß jedem Embryo ein potentieller IQ von mindestens 140 mitgegeben wurde, der dann dank des hervorragenden staatlichen Erziehungssystems in den allermeisten Fällen auch erreicht wurde; die Veränderungen der Gene, die für psychische Dispositionen ausschlaggebend sind, wurden hingegen von elektronischen Zufallsgeneratoren gesteuert, um den so »gezüchteten« Menschen ein Mindestmaß an Individualität zu garantieren) Embryonen erzeugt wurden, die man dann in Brutmaschinen bis zur selbständigen Lebensfähigkeit aufzog. In der nun entstandenen Pattsituation zogen es die Andreaten vor, bis auf weiteres auf die eigentliche Eroberung Ilthanalgs zu verzichten und vorläufig nur mittels des Kraftfeldes seine Bewohner daran zu hindern, sich Verbündete in anderen Sonnensystemen zu suchen. Der Verkehr nach Ilthanalg blieb nicht nur möglich, sondern wurde durch die Andreaten sogar noch gefördert; da es nur andreatischen Raumschiffen möglich war, das Kraftfeld von innen nach außen zu passieren, übernahmen die Andreaten fortan den Pendelverkehr der auswärtigen Studenten und sonstigen Besucher Ilthanalgs (auf diese hatte das Kraftfeld merkwürdigerweise selbst bei jahrzehntelangem Aufenthalt auf dem Planeten nicht die Wirkungen, die es bei Einheimischen hervorrief) von ihren außerhalb des Kraftfeldes auf weitläufigen Umlaufbahnen geparkten Schiffen nach Ilthanalg und zurück. In einem solchen Raumschiff hätten theoretisch natürlich einheimische Bewohner Ilthanalgs den Einflußbereich des Kraftfeldes verlassen können; praktisch waren aber solche Versuche von vornherein zum Scheitern verurteilt, da die andreatischen Pendelfähren zwar eine Grundausstattung an Bordwaffen besaßen, es aber für einen »blinden Passagier« von Ilthanalg keinen Sinn gemacht hätte, die Fähre in seine Gewalt zu bringen, da die stets mitfliegende - um ein Vielfaches überlegene - andreatische Militäreskorte in einem solchen Fall sofort das Feuer eröffnet hätte; zweitens wurden die außerplanetarischen Passagiere beim Übergang von der Fähre in ihre eigenen Schiffe von bewaffnetem andreatischen Sicherheitspersonal streng kontrolliert; in den Äonen, die sich die andreatische »Belagerung« Ilthanalgs hinzog, war es Bewohnern des Planeten niemals gelungen, sich auf fremde Schiffe zu schmuggeln und auf diese Weise raumfahrende Zivilisationen außerhalb des Sirius-Systems zum Beistand gegen KDZ 666 zu rufen. Die zur Aufrechterhaltung des Fährdienstes auf Ilthanalg stationierten Andreaten enthielten sich klugerweise jeder Aggression und politischen Einflußnahme auf Ilthanalg; abgesehen davon, daß sie auf dem Planeten selbst den Streitkräften Ilthanalgs bei weitem unterlegen gewesen wären, lag dies auch im Interesse KDZ 666s, dessen Kalkül es war, durch den ungehinderten Informationsaustausch mit anderen Zivilisationen die weitere Entwicklung die weitere Entwicklung von Wissenschaft und Technik auf Ilthanalg zu fördern. Sobald es KDZ 666 gelänge, so seine Hoffnung, einen entscheidenden Sieg über die Raumflotte Ilthanalgs herbeizuführen (und darauf konnte er durchaus Millionen Jahre warten), würden ihm nach der endgültigen Eroberung Ilthanalgs dessen technologische Errungenschaften (insbesondere jene auf dem Gebiet der Genmanipulation) wie eine reife Frucht in den Schoß fallen. Das Risiko, daß Ilthanalg durch diese außerplanetarischen Kontakte in die Lage hätte versetzt werden können, das andreatische Kraftfeld zu überwinden, erwies sich als verschwindend gering; Agenten KDZ 666s konnten im Umkreis von mehreren tausend Lichtjahren keine Zivilisation ausfindig machen, die die dazu notwendigen Technologien entwickelt hätte. Vorerst hielten sich jedoch beide Seiten im Gleichgewicht, und keiner gelang es, das Kräfteverhältnis wesentlich zuungunsten des jeweiligen Gegners zu verschieben.

Viele Jahrtausende vergingen, und auf Ilthanalg erfreute sich eine hochorganisierte technokratische Zivilisation einer weitgehend ungestörten Blüte. Der Krieg mit den Andreaten fand weit draußen im Weltraum statt und zog normalerweise auch den Handels- und Bildungsverkehr nach Ilthanalg nicht in Mitleidenschaft (es gab eine stillschweigende Übereinkunft, zivile Schiffe nicht anzugreifen). Eigenartigerweise waren sich die Bewohner Ilthanalgs niemals der Tatsache bewußt, daß ihre relative Unsterblichkeit einzig und allein auf dem andreatischen Kraftfeld beruhte, das nur durch die Zufuhr großer Mengen Energie aus den Atomreaktoren im Innern des »Stählernen Todes« aufrechterhalten wurde und mit einem Sieg über die Andreaten, d.h. mit der Vernichtung KDZ 666s und seines künstlichen Planeten zwangsläufig zusammenbrechen mußte. Vielmehr sahen sie darin einen Akt göttlicher Vorsehung, ein Zeichen ihrer Auserwähltheit gegenüber den auf der Erde zurückgebliebenen Atlantern, die nach ihrer Ansicht in ihrer materialistischen Gier und Verblendung weit abgekommen waren vom »Weg der 720«, der zum vollkommenen Glück führt. Kurz vor Errichtung des Kraftfeldes war ein von einer nahen Supernova herrührendes Licht am Himmel Ilthanalgs erschienen, das sogar tagsüber sichtbar war und von den Atlantern auf Ilthanalg in Zusammenhang mit entsprechenden Weissagungen in ihren heiligen Büchern gebracht wurde. Es entstand der Mythos von der Berufung Ilthanalgs, seine Lehre nach einem endgültigen Sieg über KDZ 666 in der Galaxis und darüber hinaus zu verbreiten, um schließlich allen Zivilisationen im Universum den Weg zum Heil zu eröffnen. Auch ihre physische Stagnation im kindlichen Zustand sahen sie als ein solches Zeichen der Auserwähltheit an; waren sie doch so von den »Fesseln des Fleisches«, den sexuellen Trieben befreit, die sie als größtes Hindernis auf dem »Weg der 720« ansahen. Vor der Errichtung des Kraftfeldes herrschte daher in den theokratisch regierten atlantischen Städten auf Ilthanalg eine strikte Reglementierung der Sexualität: Ehepaaren war nur alle drei Jahre einmal Geschlechtsverkehr gestattet, selbstverständlich ausschließlich zur Zeugung von Nachkommen und nur nach Einnahme von chemischen Präparaten, die jegliches Lustgefühl abtöteten; alle anderen Formen sexueller Betätigung, von der Selbstbefriedigung bis zur Homosexualität, waren streng verboten. Im allgemeinen wurden diese religiös begründeten Regeln auch eingehalten; die spezielle Organisation des Zusammenlebens half nach: Bis zur Errichtung des andreatischen Kraftfeldes lebten in den damals noch selbständigen einzelnen Stadtstaaten die Atlanter in Hausgemeinschaften von 10 bis 20 Personen unter der jeweiligen Aufsicht eines oder einer vor allem mit der korrekten Durchführung des Kultes und Aufsicht über die religiöse Disziplin betrauten Ältesten (atlantisch tmaxlelg oder weiblich tmaxlatí) ohne jede persönliche Privatsphäre. Verstöße gegen diese Gesetze wurden, da die Religion jegliches Töten von Menschen verbot (Andreaten galten nicht als solche, gegen sie durfte folglich Krieg geführt werden), nicht etwa mit Hinrichtung, sondern mit Verbannung nach Etimul Gulalgip, einer glühendheißen Wüstengegend auf der Südhalbkugel geahndet. Diese Region ist ringsum von bis zu 17500 m hohen Gebirgen umschlossen, die ohne technische Hilfsmittel nicht überwunden werden können; so war eine Rückkehr der Verbannten von vornherein ausgeschlossen. Später, unter dem Einfluß des Kraftfeldes, wurde die rigide Unterdrückung des Sexualtriebs überflüssig, und Etimul Gulalgip wurde mittels langer Tunnels und Luftverkehrsverbindungen erschlossen und nach und nach besiedelt. Die Erinnerung an die Zeit vor Eintritt der relativen Unsterblichkeit und der mir ihr verbundenen »ewigen« Kindheit verblaßte allmählich. Aufgrund des permanenten Weltraumkrieges mit den Andreaten war die tatsächliche Lebenserwartung relativ niedrig (selbst zu Ktemgins Zeit wurden nur wenige Bewohner Ilthanalgs - im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht wurde jeder Bürger alle 100 Jahre für jeweils 20 Jahre eingezogen - älter als 5000 Jahre; in der Frühzeit der andreatischen Belagerung, auf einem unvergleichlich niedrigeren technischen Stand der Medizin, waren selbst 300jährige selten!) und so starben die Zeitzeugen der »vor-andreatischen« Ära schon bald aus.

Infolgedessen erwartete man eine eventuelle Befreiung Ilthanalgs von der andreatischen Bedrohung mit Zuversicht. Einige zehntausend Jahre nach der Errichtung der andreatischen Kraftfeldes tauchte die Propezeiung auf, der zufolge »720 mal 720«, also 518400 Jahre nach der Ankunft der Atlanter in Thexdaru Relilg ein Thexdalgelg (Titel der Planetarherrscher von Ilthanalg; einige Zeit vor Beginn des Krieges mit den Andreaten waren die Stadtstaaten des Planeten zu einer föderativen Wahlmonarchie vereinigt worden, deren zentraler Regierungssitz zumeist im dazu neu gegründeten Thexdaru Relilg (»Ruhm des Reiches«) lag) den Thron besteigen würde, der Ilthanalg ein für allemal von den Andreaten befreien würde und einen Zustand ewiger Glückseligkeit herbeiführen würde, in dem die Bewohner des Planeten ihrem mythischen Auftrag zur universellen Mission (s. o.) entsprechend als interstellare Raumfahrtzivilisation, nun endlich nicht mehr durch die andreatische Abschirmung gehindert, in den Weltraum aufbrechen und den »Weg der 720« den anderen Völkern in der Galaxis bekannt machen würden. Zu Ktemgins Zeit stand dieses seit Hunderttausenden von Jahren ersehnte Ereignis unmittelbar bevor, und es traf dann auch tatsächlich ein. Es spielte sich so ab:

KDZ 666s Waffentechnikern war es nach vielen Jahren Forschung gelungen, eine Art Röntgenlaser zu entwickeln, der erstmals imstande war, bis zur Oberfläche von Ilthanalg durchzustoßen und dort die Elektronik der Bodenstationen, die die Kampfeinsätze der Raumflotte koordinierten, außer Gefecht zu setzen, was einer größeren Zahl andreatischer Schiffe ermöglicht hätte, durch die Linien Ilthanalgs zu stoßen, auf dem Planeten zu landen und dort zusammen mit den dort seit jeher zu zivilen Zwecken stationierten Einheiten die planetaren Truppen in andreatische Gewalt zu bringen. Der Laser war von Ilthanalg aus weder zu orten noch abzufangen, und was entscheidend war: seine Reichweite betrug etwa 20 Millionen Kilometer, er konnte also problemlos außerhalb des Kraftfelds auf dem »Stählernen Tod« stationiert und auf Ilthanalg gerichtet werden. Ilthanalg hatte niemals über Artillerie oder Schiffe verfügt, die in der Lage gewesen wären, das Kraftfeld von innen zu durchdringen und KDZ 666 in seiner Festung direkt anzugreifen. Der endgültige andreatische Sieg lag also in greifbarer Nähe. Doch beim letzten Test des Lasers (es existierte bislang lediglich ein einziges Exemplar als Prototyp; KDZ 666 war sich seiner Sache derart sicher, daß er bereits nach dessen Fertigstellung zum finalen Schlag gegen Ilthanalg anzusetzen beabsichtigte) vor dem ersten militärischen Einsatz ereignete sich eine folgenschwere Panne. Wahrscheinlich war der Überhitzungsschutz defekt, der den Laser eigentlich bei Erreichen einer bestimmten Betriebstemperatur automatisch ausschalten sollte - im Nachhinein war die Ursache nicht mehr genau zu rekonstruieren - jedenfalls versagte mit einem Mal die Steuerung, und der Strahl war einige Sekunden lang auf das Zentrum des »Stählernen Todes« gerichtet, das den elektronisch verewigten KDZ 666 barg, bevor Yorhil Tarnazzu, der zur Beaufsichtigung der Laserkanone abkommandierte Techniker und einer der führenden Köpfe bei der Entwicklung der Waffe, den Laser per Hand abschalten konnte. KDZ 666 war zwar durch mehrere hundert Meter dicke Wände aus Beton und verschiedenen Metallen gegen alle möglichen Arten schädlicher Strahlung abgeschirmt, jedoch konnten sie die gewaltige Energie des Lasers nicht völlig absorbieren, und ein Teil der Strahlung erreichte die zentralen Prozessoren KDZ 666s und beschädigte sie teilweise. KDZ 666 geriet dadurch in einen Zustand geistiger Verwirrung, er war nicht mehr Herr seiner elektronischen Sinne. Es war zwar selten, aber nicht das erste Mal in den Äonen, während derer KDZ 666 mit seinem »Stählernen Tod« das Sirius-System beherrschte, daß das Herz des künstlichen Planeten derart lahmgelegt war; für solche Fälle standen stets Reservesätze an Zentralprozessoren zur Verfügung, Sicherheitskopien von KDZ 666s Persönlichkeit, die gewissermaßen das Betriebssystem des »Stählernen Todes« bildete. Gewöhnlich war der Schaden innerhalb weniger Erdtage durch simples Auswechseln der Prozessoren behoben, zumal wenn wie in diesem Fall die äußeren Speicher, sozusagen das kurz- und mittelfristige Gedächtnis KDZ 666s unbeschädigt geblieben waren. Doch diesmal sollte es dazu nicht mehr kommen. Um die nun folgenden Ereignisse verständlich zu machen, ist ein Exkurs über die Herrschaftspraxis der Andreaten notwendig.

Wie schon erwähnt, hatte sich KDZ 666, bevor er den Krieg gegen Ilthanalg begann, die anderen, technologisch weniger weit entwickelten Zivilisationen des Sirius-Systems untertan gemacht. Diese Planeten befanden sich größtenteils noch im vorindustriellen Stadium; die Andreaten hatten leichtes Spiel, ihre Herrschaft unmittelbar auf den Planeten sowohl zu errichten als auch zu sichern. Nachdem durch Verbreitung fortschrittsfeindlicher Denksysteme (zumeist in religiöser Form) seitens der Andreaten - KDZ 666 beschäftigte zu diesem Zweck auf dem »Stählernen Tod« eine eigene Philosophenschule) sichergestellt war, daß sich die Zivilisationen dieser Planeten nicht aus eigener Kraft weiterentwickelten und der Abschirmung von äußeren Einflüssen durch Kraftfelder ähnlich jenem um Ilthanalg (die aber keine relativ unsterblichen »ewigen Kinder« erzeugten; die Vorgänge auf Ilthanalg waren ein unbeabsichtigtes Novum) konnten sie ungehindert darangehen, die Bodenschätze der Planeten auszubeuten. Alle paar Jahrzehnte schickte KDZ 666 Kundschafter auf die Planeten, die zwecks Rekrutierung neuer Soldaten und Techniker nach Kindern mit besonders entwickelter Intelligenz Ausschau hielten. Die Eltern stellten den Andreaten ihre Kinder freiwillig zur Verfügung; man hatte ihnen beigebracht, daß es ein hoher Verdienst sei, den Herrschenden auf diese Weise zu dienen, ein Opfer, das im Jenseits tausendfach belohnt werden würde. Auf dem »Stählernen Tod« wurde den neu eingetroffenen Kindern zunächst ein drahtlos steuerbarer organischer Prozessor, ein »Bio-Chip« ins Gehirn implantiert, mittels dessen KDZ 666 den Willen der zukünftigen Andreaten (den größten Teil seiner Armee und seines sonstigen Personals hatte KDZ 666 auf diese Weise erhalten) theoretisch auf jede beliebige Weise manipulieren konnte und so ständig über bedingunglos ergebene Handlanger verfügte, bevor die fast 20 Erdjahre währende Ausbildung zu Kampfschiffpiloten, Computertechnikern oder Philosophen begann. Diese Willenssteuerung darf man sich allerdings nicht als ständige, umfassende Manipulation jedes einzelnen Gedankens und Gefühls der Untergebenen vorstellen; damit wäre selbst ein so gigantisches Computersystem wie KDZ 666, der ja mit der militärischen Koordinierung des Kampfes gegen Ilthanalg und der Steuerung der technischen Systeme des »Stählernen Todes« gleichzeitig eine Unzahl anderer Aufgaben zu erledigen hatte, überfordert gewesen - die Zahl der Andreaten einschließlich der kämpfenden Truppen und der andreatischen Verwaltungen auf den bereits unterworfenen Planeten betrug stets zwischen 300000 und einer halben Million, sowohl Humanoide als auch Angehörige anderer Arten intelligenter Lebensformen. Vielmehr installierte KDZ 666 im Bewußtsein der Andreaten ein quasi-religiöses Wertsystem, das keine Zweifel an seiner absoluten Autorität und Mission der universalen Herrschaft zuließ. Dieses Wertsystem, das durch die Philosophen auf dem »Stählernen Tod« ständig weiter ausgebaut wurde (insofern waren sie die Theologen der internen »Religion« des »Stählernen Todes«), garantierte gewissermaßen die Selbstkontrolle der Andreaten und deren Autonomie in Alltagsangelegenheiten, die für die Loyalität zu KDZ 666 irrelevant waren. Vorsichtshalber wurden jedoch jedem neuen Andreaten (die Bezeichnung ist eine Verballhornung des atlantischen xanderialn, »Prüfung«, womit die Bewohner Ilthanalgs von Anfang an die Raumtruppen KDZ 666s bezeichneten; sie wurde schon bald von diesen selbst als Eigenbezeichnung verwandt, was der quasi-religiösen Selbstauffassung als Vollstrecker des »göttlichen« Willens KDZ 666s entsprach) alle Erinnerungen an die Gehirnoperation und die Kindheit auf dem jeweiligen Heimatplaneten aus dem Gedächtnis getilgt; an ihre Stelle setzte KDZ 666 die Gewißheit, ein von ihm erschaffenes Geschöpf und zum Kampf für seine in letzter Konsequenz das gesamte Universum umfassende Herrschaft berufen zu sein.

Yorhil Tarnazzu, der Waffeningenieur, stammte wie die meisten aus seiner Brigade aus Larvezz-na-Meshantur, einer schwer zugänglichen Gebirgsgegend auf dem zwei Orbits innerhalb der Bahn Ilthanalgs gelegenen Planeten Tilinak, deren Jäger- und Hirtenstämme den andreatischen Besatzern mehrere Jahrhunderte lang erfolgreich Widerstand leisteten, bis sie in jüngster Vergangenheit dann doch unterworfen wurden. Die Angehörigen dieser Stämme hatten in der langen Zeit ihres Widerstandes Techniken der mentalen Konzentration entwickelt, die ihnen einerseits im Kampf nützlich waren, andererseits aber auch dazu dienten, im Falle einer Gefangennahme den andreatischen Foltermethoden zu widerstehen. Diese Techniken wurden von Generation zu Generation weitervermittelt, beide Geschlechter lernten sie von klein auf und wandten sie schon früh intuitiv-spielerisch an. Zur Zeit Yorhil Tarnazzus waren sie soweit entwickelt, daß sie sogar im Zustand der Bewußtlosigkeit unwillkürlich angewandt wurden. Genau dies taten Yorhil Tarnazzu und seine Stammesgenossen, als sie als Kinder bei einer Strafexpedition der Andreaten aus besagter Gegend auf den »Stählernen Tod« verschleppt wurden (in diesem Fall natürlich gegen den Willen ihrer Eltern). Die Folge davon war, daß es den andreatischen Neurochirurgen nicht gelang, die Bewußtseinsinhalte aus ihrer Zeit auf Tilinak völlig zu löschen. Vorerst verdeckten jedoch die Erziehung im Geist der »Religion« KDZ 666s und die, wie in solchen »kritischen Fällen« üblich, von KDZ 666 ausgestrahlten Impulse zur Verstärkung der oben beschriebenen Wertorientierung diese Erinnerungsreste. Als nun aber durch den Unfall mit der Laserkanone KDZ 666s Funktionen gestört wurden, brach die zentrale Willensstabilisierung für die Gesamtheit der Andreaten einschließlich der kämpfenden Truppen draußen bei Ilthanalg völlig zusammen. Da sich die Loyalität der Andreaten zu KDZ 666 wie gesagt in aller Regel weitgehend selbst trug, hatte dies auf die Disziplin der meisten von ihnen keinerlei Auswirkungen; sie taten weiterhin pflichtbewußt ihren Dienst. In Yorhil Tarnazzus Brigade war man sich jedoch mit einem Mal klar, daß irgendetwas an all dem, was ihnen die andreatischen »Theologen« in der jahrzehntelangen geistigen Schulung über ihre Herkunft und Bestimmung vermittelt hatten, nicht stimmen konnte. Was an Kindheitserinnerungen übrig geblieben war, reichte offensichtlich aus, um ihre wirkliche Vergangenheit rekonstruieren zu können. Mit geradezu rasanter Geschwindigkeit begriffen sie, daß man sie als Kinder ihren Eltern gewaltsam weggenommen und dann einem Eingriff unterzogen hatte, der ihr bisheriges Bewußtsein zerstören und sie zu blinden Werkzeugen KDZ 666s machen sollte; daß ihre Heimat Larvezz-na-Meshantur und damit ganz Tilinak endgültig an KDZ 666 verloren war und daß sie ihr halbes Leben als willenlose Rädchen in der Maschinerie des »Stählernen Todes« ihren Teil zur Versklavung nicht nur ihres eigenen Planeten, sondern eines ganzen Sonnensystems geleistet hatte, schließlich, daß durch die Einwirkung des Lasers es KDZ 666 fürs erste unmöglich geworden war, weiterhin auf ihr Denken und Wollen Einfluß zu nehmen. In Tarnazzu und seinen Kollegen keimte der verzweifelte Plan einer Erhebung gegen KDZ 666.

Die Laserkanone, die offensichtlich imstande war, das elektronische Gehirn KDZ 666s erheblich, möglicherweise sogar - bei gezielter Anpeilung auch der äußeren und der Reservespeicher - irreparabel zu beschädigen, bot vielleicht nach Hunderttausenden von Jahren zum ersten und wohl auch zum letzten Mal (wenn es KDZ 666 gelänge, Ilthanalg zu erobern, gäbe es niemand mehr im Sirius-System, der seiner Tyrannei ernstzunehmenden Widerstand entgegensetzen könnte) die Chance, das andreatische Joch abzuschütteln! Als Verbündeter käme hierbei nur Ilthanalg in Frage, das als einziger der Planeten des Sirius - wenn auch durch das Kraftfeld beschränkte - Raumfahrt hervorgebracht hatte. Die Technikerbrigade, mit der Tarnazzu den Röntgenlaser entwickelt hatte, galt trotz ihrer kritischen Herkunft als zuverlässig; die Kontrolloffiziere sahen nur gelegentlich vorbei, die meiste Zeit arbeitete sie ohne Bewachung. so war es auch, als sich der Zwischenfall mit dem Laser ereignete. Man beriet unter der Führung Tarnazzus, wie nun am besten vorzugehen sei; auch die beiden Nicht-Tilinaker, die ebenfalls der Brigade angehörten, konnten (fürs erste) zur Zusammenarbeit überredet werden. Es waren sich alle einig darüber, daß nicht viel Zeit bliebe; die Reparaturabteilungen hatten bei derlei Störungen noch nie mehr als drei Erdtage benötigt, um den Zentralcomputer wieder funktionsfähig zu machen. Die Gruppe sandte Kundschafter zu anderen Abteilungen des »Stählernen Todes« aus, um Unterstützung für die Verschwörung zu finden. Ich will die nun folgenden Ereignisse nicht detailliert schildern; dies wäre Stoff für einen eigenen Roman. Es gelang jedenfalls den Verschwörern unter Yorhil Tarnazzu, die Laserkanone in einem kleinen Raumgleiter vom »Stählernen Tod« vorbei an den andreatischen Linien nach Ilthanalg zu schmuggeln. Nach anfänglichem Mißtrauen seitens der dortigen Militärführung - andreatische Überläufer waren selten und hatten sich oft genug als Spione und Saboteure entpuppt - wurde ihnen erlaubt, den Laser auf Ilthanalg zu stationieren und ihn auf KDZ 666s Weltraumfestung zu richten. Ob sie es schafften, KDZ 666s Elektronik auf Dauer zu zerstören, wird wohl nie mehr herauszufinden sein: denn irgendwann traf der Strahl einen der geheimen Entlüftungsschächte der Reaktoranlage, die das gesamte System mit Strom versorgte. Seine enorme Energie beschleunigte die dortigen Kernspaltungsprozesse derart, daß innerhalb weniger Sekunden der ganze »Stählerne Tod« in einem Millionen Grad heißen Feuerball explodierte und verdampfte.

Auf Ilthanalg begriff man in den ersten Minuten nicht so recht, was da eigentlich geschehen war, aber dann brach ein Siegestaumel los, wie man ihn begreiflicherweise noch nie erlebt hatte. Der Teil der andreatischen Flotte, der unmittelbar mit den Raumstreitkräften Ilthanalgs in Kampfhandlungen verwickelt war und daher das atomare Inferno überlebt hatte, war schnell geschlagen (KDZ 666 hatte aus taktischen Gründen schon einige Tage zuvor, da der Ersteinsatz der Laserkanone bevorzustehen schien, den größeren Teil seiner Flotte zum »Stählernen Tod« zurückbefohlen); die auf den anderen Planeten des Sirius-Systems stationierten andreatischen Einheiten, die selbst zusammengenommen unterlegen gewesen wären, wagten es erst gar nicht, Ilthanalg anzugreifen; sie fielen bald darauf den auf die Nachricht vom Ende KDZ 666s unweigerlich ausbrechenden Revolten der bislang unterworfenen einheimischen Bevölkerungen zum Opfer. Die Raumflotte Ilthanalgs wurde zum ersten Mal in ihrer Geschichte demobilisiert, und die folgenden 100 Tage lang fanden bombastische Siegesfeiern in Thexdaru Relilg und vielen anderen Städten statt. Nun hatten sich die alten Weissagungen aus atlantischer Zeit endgültig erfüllt: von jetzt an, so glaubte man, würde die Botschaft vom »Weg der 720« im ganzen Universum verbreitet werden und auf Ilthanalg die ewige Glückseligkeit beginnen.

Doch etwa ein Erdjahr nach der Vernichtung des »Stählernen Todes« kam es, erst in den tropischen Gebieten Yag Dilgurs und im subtropisch-kontinentalen Süden des Hochlandes von Xelldimorunth (siehe Karte 1), bald aber schon überall auf dem Planeten zu merkwürdigen Vorkommnissen, von denen sich niemand die Ursache erklären konnte; ebensowenig waren sie aus der Geschichte, soweit sie erforscht war, vergleichbare Vorkommnisse bekannt. Bei immer mehr Bewohnern Ilthanalgs kam es zu deutlichen körperlichen, bald auch psychischen Veränderungen. An verschiedenen Körperstellen setzte Haarwuchs ein, der Klang der Stimmen veränderte sich und eine seltsame, nie gekannte Unruhe befiel die Menschen: hier und da kam es zu panikartigen Reaktionen der Bevölkerung; auch die Mediziner waren ratlos. Wiederum ein halbes Erdjahr später geschah dann das völlig Unvorstellbare: Eine Dozentin des »Palastes der Wissenschaft« hatte offensichtlich die Fähigkeit zur selbständigen Fortpflanzung erworben; sie brachte ein vollentwickeltes, lebensfähiges Kind zur Welt. Dergleichen war auf Ilthanalg durchaus nicht unbekannt; unter den zahlreichen außerplanetarischen Studenten und sonstigen fremden Besuchern Ilthanalgs, auf die das andreatische Kraftfeld nicht wirkte, war dies in der Vergangenheit regelmäßig vorgekommen. Es gab sogar in einigen größeren Städten spezielle Kliniken, in denen Außerplanetarier, deren Fortpflanzungsweise sich von der auf Ilthanalg üblichen unterschied, ihre Kinder gebären konnten; die Ärzte dort waren auch auf die Behandlung Nicht-Humanoider eingestellt. Aber natürlich hielt man es für völlig ausgeschlossen, daß unter den Nachfahren der Atlanter, dieser auserwählten Rasse unter den Völkern des Universums, irgendwann einmal derartiges geschehen könnte. Der Glaube an eine göttlich begründete Ausnahmestellung Ilthanalgs, die sich in relativer Unsterblichkeit und »ewiger Kindheit« zeigte, hatte sich durch die Jahrtausende gehalten; hingegen war die Erinnerung an die Zeit vor der Errichtung des andreatischen Kraftfeldes, wie bereits erwähnt, und mit ihr auch das Bewußtsein von der Notwendigkeit totaler sexueller Abstinenz auf dem »Weg der 720«, die zumindest das zweite Zeichen der Auserwähltheit, die »ewige Kindheit« religiös erklärte, verloren gegangen. Infolgedessen kam es - Mittel zur Empfängnisverhütung waren zunächst nicht bekannt, es bestand auch kein Bedarf danach, zu neuartig, zu revolutionär war die Erfahrung, sich erstmals selbst, ohne die staatlichen Genlabors fortpflanzen zu können - immer häufiger solchen Geburten. Der sexuelle Verkehr beschränkte sich übrigens keineswegs auf Einheimische; auch Außerplanetarier beteiligten sich, soweit es ihre organische Beschaffenheit zuließ, an dieser Revolution, die nun den Planeten ergriff; schließlich war eine ganze Welt neuer körperlicher und seelischer Gefühle zu entdecken, die bedingt durch die Wirkung des Kraftfeldes solange verschlossen war.

In Regierungskreisen betrachtete man all dieses Treiben mit zunehmender Sorge. Seit die Andreaten vor undenklichen Zeiten ihre Abschirmung installiert hatten und auf Ilthanalg im Gegenzug die ungeschlechtliche Vermehrung entwickelt worden war, kam dem Teil der »technischen Intelligenz«, der mit der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der diesem Zweck dienenden Infrastruktur beschäftigt war, eine bevorzugte Rolle im Staat zu. Durch die ununterbrochenen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Andreaten herrschte ständiger Notstand (auch wenn davon im Alltagsleben kaum etwas zu spüren war), und so war der ganze Verwaltungsapparat auf die Erhaltung und Stärkung der militärischen Schlagkraft Ilthanalgs ausgerichtet. Der Schlüssel hierzu war wiederum die Kontrolle der Reproduktionstechnologie, die das einzige Mittel darstellte, die Menschenverluste im Krieg mit den Andreaten auszugleichen. Daher hatte das Ministerium für Bevölkerungspolitik und Erziehung, dem neben den Genlabors auch das Bildungswesen unterstand, eine beherrschende Position in der Regierung. Zwar war in der letzten Verfassungsreform (die auch schon über 30000 Jahre zurücklag) eine Kontrolle der Regierung durch ein frei gewähltes Parlament garantiert worden, aber durch das Kriegsrecht waren die Befugnisse der Regierung und vor allem des Bevölkerungsministerium derart erweitert worden, daß faktische eine solche Kontrolle nicht existierte. Infolgedessen bestimmten bis hinunter auf Lokalebene die für die Reproduktionstechnik zuständigen Beamten (deren Zahl beträchtlich war; zu Ktemgins Zeit beschäftigte das Ministerium für Bevölkerungspolitik und Erziehung bei einer Gesamtbevölkerung Ilthanalgs - einer recht kleinen Welt von noch nicht einmal 2000 km Durchmesser - von etwa 125 Millionen rund 2 Millionen Menschen) die Politik. Aber nun wurde durch die zunehmende Ausbreitung der selbständigen, geschlechtlichen Fortpflanzung auf Ilthanalg dieser Technokratie das Fundament entzogen. Als Reaktion darauf verabschiedete die Regierung (das Parlament war vom Beginn seines Bestehens nie viel mehr als ein Akklamationsorgan gewesen; die wirklich wichtigen Beschlüsse wurden ohnehin auf dem Verordnungsweg durchgesetzt) fünf Monate nach jener ersten Geburt in Thexdaru Relilg ein Dekret, welches jede sexuelle Betätigung untersagte und mit Gefängnisstrafen bedrohte. So sollte die Tendenz zur geschlechtlichen Fortpflanzung eingedämmt und der alten Vermehrungspraxis wieder zu ihrem Recht verholfen werden. Das Dekret stieß verständlicherweise auf wütende Ablehnung bei den Bürgern. An vielen Orten des Planeten bildeten sich Aktionskomitees, die zu lokalen Demonstrationen und schließlich zu einem Sternmarsch auf den Sitz der Zentralregierung aufriefen. Sechs Wochen nach Verkündung des Erlasses trafen etwa eine Million Demonstranten in Thexdaru Relilg ein. In der aufgeheizten Stimmung kam es zu Handgreiflichkeiten, auf die die Sicherheitskräfte, die mit derartigen Massenkundgebung keinerlei Erfahrung hatten, ausgesprochen hysterisch reagierten, nämlich mit massivem Waffeneinsatz, worauf die Situation eskalierte und außer Kontrolle geriet. Am Ende waren 50 Tote und mehrere hundert Verletzte zu beklagen. Die bislang noch leidlich freien Medien verbreiteten die Nachricht davon auf ganz Ilthanalg, und der Protest erhielt ungeahnten Auftrieb. Es kam zu ersten gewalttätigen Übergriffen auf Behörden, vornehmlich auf solche, die dem Bevölkerungsministerium unterstanden. Die Regierung antwortete mit drastischen Zensurmaßnahmen, um dem Aufruhr weitere Nahrung zu entziehen. Doch inzwischen hatten die Aufstände praktisch den gesamten Planeten erfaßt. Die ersten Teilstaaten errichteten Gegenregierungen und erklärten sich für von der Föderation unabhängig. Die Streitkräfte der Zentralregierung waren hinsichtlich ihrer Haltung gespalten; ein Teil der Truppen versuchte auf Seiten der Regierung, die Revolte niederzuwerfen, ein anderer schlug sich zu den Aufständischen. Auf Ilthanalg war ein Bürgerkrieg im Gange, der auf beiden Seiten immer brutaler geführt wurde, dessen Ende nicht abzusehen war und der im Begriff war, die zivilisatorischen Errungenschaften von mehreren hunderttausend Jahren zunichte zu machen.

Und Ktemgin? Als die Explosion des »Stählernen Todes« auf Ilthanalg die Nacht zum Tag machte, war er natürlich genauso begeistert wie alle anderen und gab sich in den folgenden Wochen der kollektiven Euphorie hin, obwohl ihn in seiner verträumt-eigenbrötlerischen Art Ereignisse in seiner menschlichen Umwelt nie sonderlich interessiert hatten. Er war ein Mensch, der sich mit einem Enthusiasmus in - meistens ausgesprochen esoterische - wissenschaftliche Studien vergraben konnte, der selbst auf Ilthanalg nicht alltäglich war. Von klein auf war er es gewöhnt, tage- und nächtelang durch die riesigen Bibliotheken im »Palast der Wissenschaft« in Thexdaru Relilg - wo er die meiste Zeit seines bisherigen Lebens gewohnt hatte - und anderer Städte zu streifen; wegen seiner außergewöhnlichen Belesenheit nannten ihn seine Nachbarn, wenn er ihnen gelegentlich begegnete, leicht spöttisch »die Datenbank«. Die schon bald als Folge des Endes der vermeintlich ewigen Kindheit auftretenden seltsamen Veränderungen bei vielen seiner Mitmenschen nahm er daher meistens schlicht erst gar nicht wahr, weshalb sie ihn nicht weiter beunruhigten. Selbst von ihnen betroffen war er nicht - er war wohl ziemlich widerstandsfähig gegenüber diesen wie auch immer gearteten fremden Einflüssen. So konnte er auch die Empörung nicht nachvollziehen, die das Dekret der Zentralregierung zur Bekämpfung der geschlechtlichen Fortpflanzung in weiten Kreisen hervorrief; er beschäftigte sich zu jener Zeit stattdessen mit der Computersimulation eines Schwarzen Loches, deren Programmierung er vor kurzem begonnen hatte. Als es ihm infolge der zunehmenden Ausschreitungen der Regierungsgegner in der Hauptstadt zu unruhig wurde, siedelte er nach Xallit auf dem Südpolarkontinent über. Doch schon einige Wochen später erklärte sich dieser, wie vorher schon andere Teilstaaten der planetaren Föderation, ebenfalls für unabhängig. Die Ausweitung des Bürgerkrieges in diesen bislang von ihm verschont gebliebenen Landstrich schien nur eine Frage von Tagen zu sein. Ktemgin faßte den Entschluß, Ilthanalg bis zu einer Entspannung der Situation den Rücken zu kehren, ein Schritt, zu dem sich nicht wenige entschlossen. Zumeist versuchte man, in kleinen privaten Raumgleitern (öffentlichen interplanetaren oder gar interstellaren Verkehr hatte es von Ilthanalg ja nie gegeben; allerdings besaßen viele Leute kleine Raumfahrzeuge mit begrenzter Reichweite für Ausflüge in die Umlaufbahn oder zu den drei Monden des Planeten, die noch innerhalb des andreatischen Kraftfelds lagen) nach Tilinak oder anderen bewohnten Planeten im Sirius-System zu gelangen. So auch Ktemgin. Er kam jedoch nie dort an. Nicht allzuweit von Ilthanalg entfernt geriet er in einen Dimensionsriß, der wahrscheinlich bei der Explosion des »Stählernen Todes« entstanden war.

Einige zufällige Stichwörter

RussischeNachnamen
Erstellt am 17.2. 2002 um 17:25:38 Uhr von Das Gift, enthält 146 Texte

Stichwortedieniemandhabenmöchte
Erstellt am 25.4. 2003 um 18:27:17 Uhr von Bärt, enthält 14 Texte

Marktplatz
Erstellt am 19.5. 2001 um 23:19:05 Uhr von GlooM 2oo1, enthält 14 Texte

Drei-schöne-Dinge-sind
Erstellt am 29.10. 2007 um 12:53:11 Uhr von mcnep, enthält 16 Texte

Schamlippensushi
Erstellt am 26.7. 2007 um 08:57:08 Uhr von mcnep, enthält 9 Texte


Der Assoziations-Blaster ist ein Projekt vom Assoziations-Blaster-Team (Alvar C.H. Freude und Dragan Espenschied) | 0,0631 Sek.