Mediziner erfahren eine Ausbildung, die über die formellen Grenzen des Faches hinaus in die Tiefen der Philosophie im klassisch-antiken Wortsinne hineinreicht. Die Medizin gehört, wie die Jurisprudenz und die Theologie, zu den Disziplinen, in denen vorwissenschaftliches Denken als Konterbande durch die Zensur des aufklärerischen Rationalismus hindurchgewitschelt kommt. Und wie Konterbande wird dieser Teil des Wissens dieser Disziplinen auch behandelt: man spricht nicht darüber. Die meisten wissen es garnicht, was sie da studieren und erlernen, ballern sich es einfach in den Kopf, wenden es an. Das ist gefährlich, denn die Macht dessen, was sie können und anwenden, ohne es zu wissen, verführt die Jünger dieser Disziplinen immer wieder dazu, sich selbst und ihr Fach heillos zu überschätzen. Nur in der Theologie, die ja ohnehin die Tugend der Demut pflegt, spricht man offen darüber. Das kann man sich leisten, da man ja ohnehin von den Aufklärern nicht für voll genommen wird. Die Narrenkappe hat eben auch viele Vorteile für ihre Träger.