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am 1.6. 2019 um 20:41:18 Uhr schrieb Marcus Hammerschmitt
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am 6.9. 2021 um 09:09:22 Uhr schrieb Dada Bahn
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am 6.9. 2021 um 09:09:22 Uhr schrieb Dada Bahn über Rezo
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Jan Fleischhauer schrieb am 2.6. 2019 um 00:05:59 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Er spricht im Internet! Er erreicht die Jugend! Da müssen wir reagieren! Das Deprimierende am Umgang der Traditionsparteien mit Leuten wie dem YouTuber Rezo ist nicht Ignoranz, sondern im Gegenteil der panische Annäherungsversuch.
Zu den Vorzügen des Internets gehört die Fähigkeit, auch dem Mediokren den Glanz des ganz und gar Heutigen zu verleihen. Groß ist mittlerweile die Zahl von Medienmenschen, die es zu ansehnlichen Positionen gebracht haben, weil sie angeblich etwas vom Netz verstehen. Ausdrucksvermögen, Sprachgefühl, Textverständnis? Eher nebensächlich. Hauptsache, sie machen irgendetwas Digitales.
Wenn es gut läuft, schafft man es damit sogar in die Chefredaktion einer großen Tageszeitung wie der »Süddeutschen«. Sie könne zwar keine »wuchtigen« Texte schreiben, bekannte die zum Mitglied der SZ-Chefredaktion aufgestiegene Influencerjournalistin Julia Bönisch vor drei Wochen fröhlich in einem Beitrag für ein Journalisten-Magazin. Dafür verstehe sie etwas von Workflows.
Übersetzt heißt das so viel wie: Ich habe noch nie etwas geschrieben, was Eindruck gemacht hat - aber, hey, wen kümmert das schon? Wobei, so ganz stimmt das nicht. Der Beitrag für das Journalisten-Magazin fand breite Beachtung, auch im eigenen Haus. Einige der alten Hasen, die sich immer noch einbilden, dass die Abonnenten wegen der Qualität der Texte die Zeitung beziehen, waren so bekümmert, dass sich Frau Bönisch in einer Redaktionskonferenz zu ihren journalistischen Vorstellungen befragen lassen musste. Jetzt wissen auch die Redakteure der »SZ«, wie wichtig der richtige Workflow ist.
Die neueste Entdeckung sind sogenannte YouTuber, also Leute, die ein einträgliches Geschäftsmodell entwickelt haben, indem sie vor laufender Kamera Computerspiele testen oder Schuhe empfehlen. Seit der YouTube-Unternehmer Rezo ein Video hochlud, in dem er zur Abwechslung nicht Musiktapes mixte, sondern Vorhaltungen gegen die CDU, werden den YouTubern auch wundersame Kräfte bei der politischen Massenbeeinflussung zugemessen.
In einem Teil der Berliner Elite gilt als ausgemacht, dass die Union bei der Europawahl deshalb so schlecht abgeschnitten hat, weil Internetgrößen wie Rezo zur Nichtwahl aufriefen. Angeführt wird die Gruppe der Netzgläubigen von keiner Geringeren als der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Wie sehr sie von der Idee besessen ist, der Einfluss der Influencer hätte ihre Partei entscheidende Stimmen gekostet, zeigen ihre unglücklichen Einlassungen über die Verantwortung von Medien im Wahlkampf.
Das Deprimierende am Umgang der CDU mit Leuten wie Rezo ist nicht Ignoranz, sondern im Gegenteil der panische Annäherungsversuch. Man sollte meinen, dass es die Partei Helmut Kohls gewohnt ist, von links attackiert zu werden. Rezo ist genau besehen eine Art Jakob Augstein auf Ecstasy, also Augstein plus blauer Haare und minus der Belesenheit. Er bedient sich aus exakt dem Fundus antikapitalistischer Fummel, mit denen sich jeder Anhänger der Linken drapiert.
Aber so nüchtern, und ich würde sagen: realitätsgerecht, kann man die Dinge im Adenauer-Haus nicht sehen. Rezo verbreitet seine Ideen über das Internet! Er erreicht die Jugend! Also wird er nicht als blaugefärbter Augstein, sondern als Claus Kleber der Videowelt betrachtet.
Als Beleg für die Bedeutung der »Generation YouTube« gilt die Hinwendung der Jugend zu den Grünen. Von den unter 25-Jährigen, die an der Europawahl teilnahmen, haben 33 Prozent der grünen Partei ihre Stimme gegeben, das sind neun Prozentpunkte mehr, als CDU und SPD in dieser Altersgruppe zusammen erhielten. Was die meisten Kommentatoren in ihrer Fridays-for-Future-Begeisterung allerdings übersehen, ist die relative Größe des Jungwählerblocks.
Die bedeutendste Wählergruppe in Deutschland sind Frauen über 60. Von ihnen gibt es schlicht am meisten, nämlich 12 Millionen. Hier entscheidet sich das Schicksal der Volksparteien, nicht bei Menschen, die sich noch überlegen, ob sie Jura oder doch lieber irgendwas mit Kommunikation studieren sollen. Nur knapp fünf Millionen der Wahlberechtigten sind unter 25 Jahre alt. Das ist gerade mal ein Viertel der Altersgruppe, die vor dem Pensionsalter steht oder dieses bereits erreicht hat.
Es ist übrigens auch nicht wahr, dass CDU und SPD am Sonntag das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten hätten hinnehmen müssen, wie man allenthalben lesen konnte. Vielen Politjournalisten scheint der Unterschied zwischen Wählern und Wahlberechtigten nicht geläufig zu sein. Tatsächlich hat die Union 2009 ihr historisch schlechtestes Ergebnis geholt. Damals votierten nur 16 Prozent der Wahlberechtigten für die Christdemokraten.
Diesmal war die Zahl mit 17,5 Prozent nicht wesentlich besser, aber es war eben auch nicht der Tiefpunkt, wie der Wahlforscher Manfred Güllner in einer Wahlanalyse in Erinnerung gerufen hat. Die SPD erzielte 2004 (9 Prozent) beziehungsweise 2009 (8,8 Prozent) ihre schlechtesten Ergebnisse bei einer bundesdeutschen Wahl. Wenn die ehemaligen Volksparteien unter der Abwanderung der Jugend leiden, dann leiden sie darunter schon ziemlich lange.
Warum die Grünen am Sonntag abgeräumt haben? Ganz einfach: Weil es ihnen gelungen ist, viele Deutsche über 60 von sich zu überzeugen. Hier liegt der Schlüssel ihres Erfolges, nicht bei der Strahlkraft auf die Erstwähler. Dass auch die deutsche Großmutter ihr Herz für Robert Habeck und seine Mitstreiter entdeckt hat, hängt aber wohl deutlich mehr mit der Dauerpräsenz der Grünen in deutschen Talkshows zusammen als mit der geballten Macht der Influencer, die zur Wahl der Klimawandelpartei aufriefen.
Gegen die acht Millionen Zuschauer, die Woche für Woche bei Anne Will, Maischberger und Illner zuschalten, verblassen fast alle YouTube-Filmchen. Deshalb sitzen die Grünen ja auch dort und nicht bei Julien Bam, Unge und DagiBee.
Marcus Hammerschmitt schrieb am 1.6. 2019 um 20:41:18 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Kommt die Rezolution?
Kurz vor der Europawahl erschütterte ein 26-Jähriger Youtuber die Parteienlandschaft, indem er vor allem junge Leute aufrief, weder die CDU noch die SPD zu wählen (und schon gar nicht die AfD). Die getroffenen Hunde bellen immer noch laut, vor allem, da sie jetzt, nach der Wahl, glauben könnten, das Video habe tatsächlich Wirkung gezeigt. Vor allem aber belegt die Panik der beleidigten Leberwürste eines: Rezo hat eine Lücke bespielt, um die sich die großen Medien schon lange nicht mehr kümmern.
Das Internet: Ort des Grauens, Echokammer der Vollidiotie, Spielwiese der Rumpeltrolle. Und Youtube sowieso - das digitale Bahnhofsklo, in dem man nicht weiß, was mehr Ekel hervorruft: der Werbemüll bei den Waschbecken oder der intensive Fäkaliengeruch aus den graffitiverschmierten Kabinen. Aber manchmal flackert doch noch eine Neonröhre in der Trübnis auf, und man ahnt, dass es nicht immer so war, dass es vielleicht anders sein könnte.
Rezo und sein Video »Die Zerstörung der CDU« muss man nach 13,6 Millionen Aufrufen in knapp zwei Wochen (Stand 30.5.) kaum mehr vorstellen. Es geht primär um die CDU, zusätzlich um die SPD und ein bisschen auch um die AfD. Aber hauptsächlich um die große christliche Volkspartei, die so wunderbare Gestalten hervorgebracht hat wie Konrad Adenauer, den politisch wendigen Radikalkatholiken. Oder Hans Globke, die graue (oder eher braune) Eminenz in der Adenauerzeit.
Der musste ja nicht einmal in der NSDAP gewesen sein, um sich als herausragender Nazi unvergesslich zu machen. Oder Helmut Kohl, den das Schicksal nicht nur mit einer späten Geburt und der Kanzlerschaft begnadete, sondern auch mit blühenden Landschaften im Osten und vielen, vielen schwarzen Kassen. Die traditionsreiche Partei der Lummers, Dreggers, Merkels und wie sie alle hießen und heißen.
Rezo hat nun also dieser Partei von mustergültigen deutschen Christen und Demokraten ein paar wohlgezielte Ohrfeigen im Zusammenhang mit den Themen Klima, Krieg, soziale Gerechtigkeit, Digitalisierung und Drogen verpasst. Jeder, der Annegret Kramp-Karrenbauer wegen ihrer plumpen Sprüche einen »kleinen Sherlock« nennt, verdient Sympathie.
Die hysterische Reaktion der Politprofis ist ein Schauspiel für sich, erst recht nach einer Wahl, die für die große Koalition desaströs ausgefallen ist. Wenn es eine CDU-Vorsitzende mit taktischem Verhältnis zu demokratischen Grundrechten nicht schon gäbe, müsste sie ein Satiriker jetzt auf der Stelle erfinden.
Rezos Umgang mit seinem Hauptthema, dem Klimaschutz, ist ebenfalls erfrischend. Hier kann er mit Argumenten, Fachwissen, Quellen und rhetorischem Geschick punkten, also mit allem, was das Rekuperationsopfer Greta Thunberg nicht zu bieten hatte. Insofern ist seine sachlich fundierte Polemik genau das, was einer entstehenden Bewegung fehlte, der die repetitiven Thunbergschen Phrasen nicht mehr genügten.
Dass ein 26-Jähriger die AfD als die rechte Restetonne einer verrotteten Parteienlandschaft erkennt und benennt, macht ebenfalls Mut. Es wird denkbar, dass die Altersstruktur der AfD-Wähler gemeinsam mit einer künftigen, solide überwachten Grenze zu bestimmten Teilen Ostdeutschlands das Schlimmste verhindern könnte.
Mit anderen Worten, das Video von Rezo war ein Wahlaufruf, wie man ihn sich öfter wünscht: Hier wurde einmal nicht das Wählen einfach so als Allheilmittel dargestellt (»Wählen gehen! Alle wählen gehen!«), sondern es gab eine klare, faktenbasierte Meinung zu der Frage, welche Wahlentscheidungen als Ausweis von Dummheit zu gelten haben.
Sicher, das Reflexionsniveau eines Hermann L. Gremliza erreicht Rezo noch lange nicht, aber es regnet ja auch keine gebratenen Tauben. Dass Wahlen wie der real existierende Sozialismus ein überoptimistischer Vorgriff auf Verhältnisse sind, in denen wir zu beidem fähig wären, muss man mit 26 Jahren nicht wissen. Die meisten begreifen es nie.
In einigen Punkten funktioniert die Predigt von Rezo nicht. Wenn er zum Beispiel davon phantasiert, dass sich die »Reichen von früher« ihr Geld »noch selbst verdient« hätten, während heute Reichtum durch Erben entstehe. Die Vorstellung, dass sich John D. Rockefeller oder August Borsig ihr Geld »selbst verdient« haben, ist so unmittelbar lächerlich wie bei Jeff Bezos, den Aldi-Brüdern und Wladimir Putin auch.
Bernt Engelmann hat in »Meine Freunde, die Millionäre« bitteren Spott über diese fixe Idee ausgegossen, das liest sich wie für heute geschrieben. Was man als lässlichen Patzer Rezos empfinden könnte, ist aber nicht nur wegen den Parallelen zum Gerede vom einst schaffenden und heute nur noch raffenden Kapital giftig. Es verweist darauf, dass der Youtuber überhaupt noch nicht begriffen hat, was Kapitalismus eigentlich ist.
Daher auch sein seltsamer Optimismus in Sachen Klimapolitik. Mehrfach spricht er von »Stellschrauben«, die in der Politik gedreht werden müssten. Dass es zu einer Eroberung dieser »Stellschrauben« einer sozialen und politischen Revolution bedürfte, wie es sie in Deutschland noch nie gegeben hat, ist Rezo absolut nicht klar. Die wahre Masse des Monsters, an dessen Barthaaren er mit seinem Video ein bisschen gezupft hat, würde wahrscheinlich selbst ihm die Sprache verschlagen.
Die Empörung Rezos über das »droning« von Zivilisten, das unter anderem in Ramstein koordiniert wird, ist authentisch und nachvollziehbar. Völkerrecht und Kriegsvölkerrecht äußern sich zu solchen Taten eindeutig, und er weist darauf hin.
Es muss nicht sein Thema sein, dass sich Kriege ganz allgemein selten an das Recht halten. Allerdings wirkt es streckenweise, als sähe er gerade die Deutschen in der Pflicht, die Welt über das Völkerrecht und den Frieden aufzuklären; eine Haltung, die schon die klassische Friedensbewegung in Selbstgerechtigkeit ertrinken und die Grünen auf dem Balkan bewaffnet nach dem Rechten sehen ließ.
Gerade an diesem Punkt wäre es nützlich gewesen, wenn er das bisher krasseste Schlachtfest erwähnt hätte, das je auf einen bundesdeutschen Befehlshaber zurückgegangen ist: den Luftangriff bei Kundus von 2009 mit bis zu 100 Toten.
Georg Klein, der damals trotz den Zweifeln der beiden amerikanischen Piloten den Befehl zum Abwurf der Bomben gab, ist heute der »Abteilungsleiter Ausbildung Streitkräfte (General Streitkräftegemeinsame Ausbildung) im Kommando Streitkräftebasis in Bonn«, und das sagt mehr über deutsche Heuchelei und Brutalität aus als jeder Drohneneinsatz, der nur wegen Ramstein abgewickelt werden kann.
Wenn Rezo davon spricht, dass Islamisten gern die Gewaltättigkeit des Westens als Grund für ihren Terrorismus angeben, dann klingt das stellenweise so, als müsste man ihnen aufs Wort glauben. Dass der Islam durchaus intrinsische Antriebe für die Gewalt gegen Kuffar hat, fällt dabei unter den Tisch. Die globale islamistische Offensive ist eine Tatsache.
Dass man ihr nicht mit Kriegsverbrechen begegnen sollte, liegt auf der Hand, an ihrer Gefährlichkeit ändert das nichts. Auf dieses elende Dilemma muss Rezo natürlich keine Antwort haben, um die Drohneneinsätze kritisieren zu dürfen; es zu benennen, wäre nicht verkehrt gewesen.
Und so geht es weiter. Rezo möchte den Klimaschutz verbessert sehen, um die Welt zu erhalten, wie wir sie kennen. Schon die Welt, wie wir sie kennen, ist für viele Menschen die Hölle (freilich wird sich diese Hölle noch massiv aufheizen, wenn wir ein Klimaziel nach dem anderen verfehlen).
Am Schluss posaunt Rezo heraus, dass er sich eines Tages sicher sein will, nach »christlichen und humanistischen Werten« gehandelt zu haben, und man hofft, dass er in Zukunft die zahllosen Verbrechen, die im Namen des Christentums und der humanistischen Werte begangen wurden, so ernst nimmt wie die Kriegsverbrechen, die er in seinem Video kritisiert hat.
Nein, wir sehen hier nicht den Anfang der Rezolution. Das Video Rezos ist nicht einmal ein Manifest. Es ist ein wütender, frischer, manchmal peinlich verfehlter Kommentar zu dem Elend, das von deutschen politischen Parteien auf Geheiß ihrer Geldgeber angerichtet wird. Dieses Video konnte deswegen eine Sensation werden, weil die großen Medien in ihrer korrupten Beißhemmung und »Ausgewogenheit« überhaupt nicht mehr zu klaren Standpunkten in der Lage sind.
Das langweilt und ärgert viele Medienkonsumenten, die andererseits nicht das geringste Interesse an den altrechten, neurechten Schreihälsen haben. Es ist schön zu sehen, dass genau diese Medienkonsumenten überwiegend jung, schlau und internetversiert sind. Für die anderen gibt es ja Philipp Amthor und die »Junge Alternative«.