Erzählerin schrieb am 6.2. 2001 um 00:11:36 Uhr zu
Bewertung: 7 Punkt(e)
Gedämpftes Licht erfüllte das Foyer des Hotels. Aus dem Hintergrund drang dezente Musik. Die Ober schienen über den Teppichboden zu schweben. Auch die Stimmen klangen nur wie ein angenehmes Flüstern. Das war wirklich etwas anderes als der Landgasthof im Bayerischen Wald, in dem Cornelia manches Wochenende verbracht hatte. Immer noch ungläubig staunend räkelte sie sich in dem tiefen Sessel und nippte an ihrem Begrüßungscocktail. Sie hatte einen »Mongolfiere« bestellt, sie war in einem Haus in der französischen Schweiz, und der Kellner, ein fast zu profaner Name für sein vornehmes Auftreten, hatte sie »Madame« genannt. Sie hatte Lust, die Orangenscheibe, die auf den Glasrand gesteckt war, in den Mund zu stecken und genussvoll ihren Saft zu lutschen, aber das war hier bestimmt verkehrt. Wie Aschenputtel, das sich für drei Tage in eine Prinzessin verwandeln durfte, kam sie sich vor. Und das nur, weil sie in einer Modezeitschrift bei einem Preisausschreiben für Haar Shampoo mitgemacht und ein Beauty- und Sport-Wochenende in dieser Luxusherberge gewonnen hatte. Sie sah auf die Uhr und ging in ihr Appartement, das einen überwältigenden Blick auf die Alpen hatte, die in der untergehenden Sonne in ein glutrotes Samttuch gehüllt waren. Ein Blumengesteck und eine kleine Flasche Champagner in einem Sektkühler warteten auf sie. Auf ihrem Kopfkissen lag eine verführerische Leckerei.
Unschlüssig stand sie vor dem Schrank, in den sie ihre wenige Kleidung gehängt hatte. Es waren ihre besten Stücke, und sie wählte ein schlichtes anthrazitfarbenes Kostüm mit einer silbern durchwirkten Bluse. Im Speisesaal führte sie ein Ober an einen Tisch für zwei Personen, der nicht irgendwo in der Nähe des Durchgangs zur Küche stand, ein Platz, der üblicherweise weiblichen Singles vorbehalten bleibt, sondern in einer lauschigen Ecke, von der Cornelia einen guten Überblick hatte, obwohl die zahlreichen hohen Pflanzen viele Gäste vor allzu neugierigen Blicken ihrer Nachbarn schützten. Nun kam sie sich noch mehr wie ein Aschenputtel vor, als sie die Garderobe der etwa fünfzig Menschen musterte, die den Raum füllten. Ein kleines schwarzes Cocktailkleid wäre das Mindeste gewesen, aber Designer-Stücke konnte sie sich bei ihrem Gehalt als Sekretärin nicht leisten. Auch die Männer trugen dunkle Jacketts und Krawatte.
»Madame, wir haben ein italienisches und ein französisches Menü.«
Einen Augenblick zögerte Cornelia und wählte das zweite. Damit kam sie in den Genuss eines »Diner Surprise«, da ihr Französisch mehr als mangelhaft war.
Als Vorspeise gab es »Tarte aux Tomates«. Das war etwas mit Blätterteig, anschließend »Escargots«, Schnecken, die sie mutig aß und sogar nach dem ersten zögernden Bissen gut schmeckten. Als Hauptgang ein »Escalope á la Créme«. Das hatte nichts mit Eskapaden zu tun, sondern entpuppte sich als Rahmschnitzel, und als Nachtisch nahm sie »Charlotte Créme Bavaroise«. Alle drei Wörter hatten einen vertrauten Klang und stellten eine verführerische Komposition aus Sahne, Zucker und kandierten Kirschen dar.
Cornelia kam sich wie eine Tonne vor, als sie in ihr Zimmer ging. Sie kuschelte sich tief in ihr Kissen und schlief, tapfer die Praline verschmähend, mit dem beruhigenden Gedanken ein, dass sie morgen auf der Piste die zahlreichen Kalorien wieder wegtrainieren könnte.
Um zehn Uhr stand sie in einer Gruppe von zehn anderen Gästen, die sich zu einem Skikurs angemeldet hatten. Der Lehrer war nicht so vornehm wie das Personal, sah aber unverschämt gut aus. Natürlich hieß er Toni und scheuchte seine Schützlinge den Hang hinunter. Als Cornelia das x-te Mal stürzte, hielt er mit einem eleganten Schwung neben ihr, und als er ihren unglücklichen Blick sah, half er ihr - was sonst kein Skilehrer tat - auf die Beine. Der Griff war mehr als kräftig und benützte nicht nur ihre Achseln, sondern auch ihren Busen. Sie spürte seine Hände unter ihrem Anorak. Bis zum Rest des Vormittags fiel Cornelia nicht mehr hin.
Sie war so müde und erschöpft, dass sie das Mittagessen ausfallen ließ und am frühen Nachmittag zur Kosmetik ging. Außer den Zimmermädchen beschäftigte dieses Hotel anscheinend nur männliche, junge und äußerst gut aussehende Angestellte. Der »Schönheitsstilist« schien fast in Tränen ausbrechen zu wollen, als er ihr von der Sonne gerötetes Gesicht sah. Aber seine Hände, die eine Lymphdrainage machten, gaben ihr ein wohlig entspanntes Gefühl.
»Und jetzt sollten Madame in die Sauna und anschließend zu Jean-Pierre gehen, der ein meisterlicher Masseur ist.«
Nach der Behandlung, Cornelia glaubte, ein neues, frisches Gesicht zu haben, öffnete sie die Tür zur Sauna, in der sich nur ein Mann auf der obersten Bank befand. Sie legte sich auf die mittlere und schloss die Augen, um sich an die Hitze zu gewöhnen. Allmählich reagierte ihr Körper, sie spürte die ersten Tropfen auf der Stirn und dann auf ihrem ganzen Körper und versank in einen Dämmerzustand, der sich in einen wohlig angenehmen Traum verwandelte. Sie trieb in einem warmen Meer, dessen Wellen sie zärtlich umhüllten, sie berührten und liebkosten, wie ein hingebungsvoller Liebhaber, der ihrem Körper Genüsse bereitete. Ein leises Knarzen ertönte, und Cornelia wusste, dass sie nicht träumte, sondern dass dies Wirklichkeit war. Der Mann auf der Bank streichelte sie. Seine Fingerspitzen zeichneten Linien und Kreise auf ihren Bauch, hielten kurz beim Nabel inne und wanderten zu ihrem Busen, den er mit kreisenden Bewegungen in ein Netz spannte, aus dem sie nicht mehr entkam. Sie hätte empört aufspringen, sich zur Wehr setzen und diesen Kerl in seine Schranken verweisen sollen. Aber ihre Lider drückten bleischwer auf die Augen, ihr Körper befand sich in einer Erstarrung, die sie zu jeder Bewegung unfähig machte, und sie gestand sich ein, dass dieser Unbekannte ihr ungeheuren Genuss bereitete, den sie nicht beenden wollte. Wieder knarrte ein Holzbrett. Und die Hände des Unbekannten fingen bei ihren Fußspitzen an, wanderten an der Innenseite ihrer Schenkel hoch und fanden in ihrem heißen und glühenden Dreieck ihr Ziel. Ab und zu ertönte das Knistern des Ofens, sonst war es totenstill, bis ein unterdrücktes Stöhnen erklang, das aus Cornelia hervorbrach, und die Finger des Mannes ihre ungeheuerliche Wanderung fortsetzten, tiefer und tiefer drangen, sich aus ihrer feuchten Mitte lösten, ein vorwitziges Spiel mit ihren Brustwarzen trieben, sodass sie trotz der Hitze eine Gänsehaut bekam, und dann ebenso zielsicher wieder bei ihrem empfindlichen Punkt landeten. Cornelia keuchte und wimmerte leise, bis die Erlösung kam, und konnte immer noch nicht die Augen öffnen. Erst als wieder die Holzbank knarzte, wagte sie einen Blick und sah eine Männerhand, die behutsam und doch siegessicher noch einmal eine Linie von ihrem Hals bis zu den Knien zeichnete und dann verschwand. Sie vernahm das Schließen der Tür und war allein. Diese Hand des Unbekannten war sehr kräftig mit ein paar weißen Haaren, und am kleinen Finger trug er einen Siegelring. Cornelia war immer noch fassungslos und ließ den Strahl des eiskalten Wassers unter der Dusche über sich prasseln, als müsse sie sich geißeln. Das, was sie mit sich hatte geschehen lassen, war ungehörig und amoralisch. Sie ging in den Ruheraum und legte sich mit einer warmen Decke auf eine Liege. Wenn sie ehrlich war, hatte sie diese kurzen Minuten genossen, vielleicht mehr als die Höhepunkte ihrer früheren Beziehungen. Diese waren alle so einfach gewesen. Sie lernte einen Mann kennen, flirtete mit ihm, erforschte sein Leben, und wenn es dann ein paar Gemeinsamkeiten gab, war das Ende vorhersehbar. Man mochte, liebte und trennte sich, was dann immer wehtat. Aber heute? Sie war für ein paar Minuten in einen unvorstellbaren Taumel der Lust getaucht, bei dem eigentlich nichts passiert war, oder doch? Die Massage, die auf dem Programm stand, würde ihr gut tun, auch wenn ihr Körper mehr als entspannt war.
Cornelia war häufig zum Masseur gegangen. Aber in diesem Hotel schienen andere Gesetze zu herrschen. Jean-Pierre sah aus wie eine gelungene Mischung aus Mikey Rourke und Tom Cruise, der beide Rollen in einem harmonischen Ganzen verkörperte, Cornelias Glieder mit dem hartnäckigen Egoismus eines Erotomanen bearbeitete, und wenn sie glaubte, stöhnen zu müssen, sie mit der unschuldigen Zärtlichkeit eines unbeholfenen Liebhabers versöhnte.
Als sie mit zitternden Beinen den Raum verließ, kam Cornelia der flüchtige Gedanke, dass es gut war, am Montag wieder im Zug zu sitzen, der sie zurückbrächte in ihr mehr oder weniger ereignisloses Sekretärinnendasein, bei dem allenfalls ihr Chef oder einer seiner Mitarbeiter eine Rolle spielten.
Vor dem Abendessen zog Cornelia ihr einziges Cocktailkleid an, ein Hauch in Schwarz und Gold, das ihre Figur betonte. Sie hatte es noch nie angehabt, aber heute erschien es ihr angemessen. Das Dekolleté gab den Ansatz ihres Busens frei, und ihre kastanienbraune Mähne glänzte nach dem Waschen und Bürsten. Sie war mit ihrem Anblick zufrieden. In ihren Augen entdeckte sie ein Schimmern, das ihr bislang unbekannt war. Einen Moment blieb sie an der hoteleigenen Boutique stehen, trat ein und berührte diese himmlischen Kreationen, die dort hingen. Ein Kleid nahm sie vom Bügel, hielt es sich an und betrachtete es im Spiegel. Es war rot und mehr als gewagt. Sie hatte es schon in irgendeinem Film gesehen. Es stand ihr mit Sicherheit fantastisch. Ein Blick auf das Preisschild belehrte sie eines Besseren. Sie sah zum Eingang, sie hatte das eigentümliche Gefühl, beobachtet zu werden. Aber da war niemand.
An ihrem gewohnten Tisch wurde sie mit derselben Höflichkeit bedient wie gestern. Diesmal wählte sie das italienische Menü. Da kannte sie sich besser aus. Ihre Aufmerksamkeit wurde durch ein Gespräch am Nebentisch geweckt. Sie drehte sich ein wenig zur Seite und erblickte durch den Palmwedel einen Siegelring, den sie noch deutlich vor Augen hatte. Sie lauschte der Stimme. Sie hatte ein gewisses Vibrato und entfachte in ihr eine Wärme, dass ihr beinahe das Glas aus den Händen fiel.
»Mon pauvre amoure, ich habe dich heute schmählich vernachlässigt. Ich brauchte die Entspannung in der Sauna. Ich war beim Skilaufen unglücklich gestürzt. Aber nach diesem wundervollen Essen werde ich dich in all die Himmel entführen, die ich dir vorenthalten habe.«
»Filou, ich kann es kaum erwarten.« Das Lachen seiner Begleiterin drang tief aus der Kehle und war voll unverhüllter Sinnlichkeit.
Cornelia ließ ihre Tasche fallen. So konnte sie aufstehen und vorsichtig hinter die Pflanze sehen. Diese Frau war eine Schönheit und gleichzeitig ein Vamp. Ihre Frisur und Kleidung mussten ein Vermögen gekostet haben, und ihr Schmuck war gewiß nicht als »peanuts« zu bezeichnen. Von ihrem Saunagast waren nur leicht gelockte grauweiße Haare zu sehen und ein Profil mit gerader Nase und einem energischen Kinn. Wer waren die beiden? Ein Ehepaar? Kaum. Der Altersunterschied war zu groß. Ein reicher Mann mit seiner Geliebten? Auch nicht. Dazu war die Frau zu exklusiv.
Cornelia legte den Löffel auf die Seite. Das Tiramisu schmeckte plötzlich bitter. Sie stand auf und wählte einen Weg zum Ausgang, der sie vor den Blicken ihrer Nachbarn verbarg.
Das teure Kleid landete achtlos auf dem Boden, und Cornelia hüllte sich in ihr baumwollenes Nachthemd, verzehrte die Praline und trank den Begrüßungschampagner. Im Fernsehen sah sie die letzten Minuten des Films »Ein unmoralisches Angebot«. Sie weinte ein wenig und kam sich sehr unglücklich vor. Sie fühlte sich schuldig. »Du dumme Pute, du denkst an einen Mann, von dem du gerade den Ring, eine ziemlich kleine Nase und ein paar teuflische Finger kennen gelernt hast. Diese Welt ist nichts für dich«. Ihr Alter Ego sprach in einem unerbittlichen Echo weiter: »Schuster, bleib bei deinen Leisten« und vieles andere mehr, bis sie erschöpft in einen unruhigen Schlaf fiel.
Am Sonntag Morgen bestellte sie sich ein Frühstück nach Art des Hauses, obwohl sie sonst morgens nie etwas aß. Sie verspürte richtig Hunger. Der Page, ein bildhübscher Bengel, gerade dem Schulalter entwachsen, kam mit dem Servierwagen.
»Ich hoffe, Madame hat gut geschlafen?«
»Ausgezeichnet, danke.« Sie log mit einem gequälten Lächeln. Sie war keine Madame, sie war einfach Cornelia Bauer, die sich in ein fremdes Schloss verirrt hatte. »Was ist das für ein Paket?« Ein Geschenkkarton mit einer roten Schleife lag auf der unteren Ablage des Wagens.
»Ich hatte Anweisung, Ihnen das zu bringen.«
»Ach?« Sollte sie jetzt ein Trinkgeld geben?
»Ich wünsche Ihnen guten Appetit und einen wunderschönen Tag.«
Damit war dieses Problem gelöst. Cornelia goss sich hastig einen Kaffee ein und trank einen Schluck frisch ausgepressten Orangensaft. Der Hunger war ihr vor Aufregung vergangen. Sie löste das Band und öffnete die Schachtel. Das rote Kleid war darin. Im Ausschnitt steckte eine Karte: »Falls wir uns heute nicht in der Sauna sehen, so tragen Sie es bitte heute abend beim Ball. FG.« Das war alles und nun wirklich ein unmoralisches Angebot. Sie würde das Kleid zurückgeben. Aber wem? Sollte sie sich an der Rezeption eine Blöße geben und nach dem Namen fragen? Nie und nimmer. Und in die Sauna ginge sie auch nicht. Als sie in dem Kleid vor dem Spiegel stand, fingen ihre Finger automatisch an, über ihren Busen zu streichen, an den Hüften entlang zu gleiten, ihre Schenkel zu liebkosen, bis sie - zuerst zaghaft und dann immer forschender - unter den Rocksaum wanderten und dort ... Cornelia brauchte sofort frische Luft und Abkühlung. Nach einem Blick auf die Uhr beeilte sie sich. Für elf Uhr stand ein Schlittenrennen auf dem Programm. Etwa zwanzig Hotelgäste standen dick vermummt in der Kälte, obwohl wieder eine strahlende Sonne ein zauberhaftes Licht über die Berge warf, auf der Piste. Toni, wahrhaft ein älterer Bruder von David Hasselhoff, teilte immer zwei Personen ein. Cornelia fand sich plötzlich auf einem harten Schlitten, und ein Mann setzte sich hinter sie und sagte: »Dann wollen wir mal.« Es war seine Stimme, und ihre Knie fingen zu zittern an. Den Start nahm sie nicht mehr wahr, nur noch die Piste, die hart und bucklig war, und Hände, die ihren Bauch umklammerten, Schenkel, die sich an ihre drückten, und dann die rhythmischen Stöße, einen heißen Atem in ihrem Nacken, bis Cornelia einen völlig unwahrscheinlichen, aberwitzigen Höhepunkt erlebte. Sie schrie, und als sie aufwachte, lag sie im Schnee und neben ihr eine reglose Gestalt. Sie kroch hi-nüber, schob die Skibrille nach oben und blickte in ein bleiches Gesicht und geschlossene Augen. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Sie stand mühsam auf und rief um Hilfe. Ein Skiläufer näherte sich.
Es war Toni, der sofort in seinen Piepser sprach und auf Französisch Anweisungen erteilte.
»Ich kann nichts dafür«, stammelte Cornelia, während panische Angst in ihr aufstieg.
»Natürlich nicht. Sie haben nur einen unserer besten Gäste buchstäblich auf Eis gelegt.«
Ein anderer Schlitten kam neben ihrem zum Stehen. Es war der Vamp.
»Liebling«, rief sie und streichelte das blasse Gesicht. »O Gott, was ist mir dir?«
»Er ist bewußtlos.« Toni zog die Frau an den Schultern hoch. »Lassen Sie mich, das ist mein Job.«
Zwei Sanitäter mit einer Bahre näherten sich, und nach kurzer Zeit waren sie bereits den Hang hinunter.
Eine Stunde später lag Cornelia auf ihrem Bett, verzweifelt, unglücklich, hilflos. Wenn ihm nun etwas Schreckliches passiert war? Sein Gesicht war totenbleich gewesen. Am liebsten hätte sie ihren Koffer gepackt. Sie würde noch einmal in die Sauna gehen, sich Essen auf das Zimmer kommen lassen und auf den Morgen ihrer Abreise warten. Die Sauna war gut besetzt, und alle Gäste schienen sich über den Unfall zu unterhalten, auch wenn Cornelia nur Bruchstücke verstand. Sie stand auf und prallte in der Tür mit ihm zusammen. Er sah äußerst lebendig und unverschämt gesund aus. Seine Miene war unbewegt.
»Excu ... Verzeihung, eh ...« Cornelia wollte ausweichen.
»Sie haben heute abend etwas gutzumachen. In dem Kleid, bitte!«
Sie flüchtete. Das letzte Wort, er hatte es geflüstert, ließ sie nicht mehr los. Um acht sah sie auf die Uhr. Jetzt begann das festliche Essen. Eine Stunde später glaubte sie, die zarten Klänge einer bezaubernden Melodie zu hören, als der Ball begann. Um zehn Uhr zog sie das Kleid an und wieder aus. Als das Telefon läutete, erstarrte sie. Es war der Direktor.
»Wir vermissen Sie an Ihrem letzten Abend. Fühlen Sie sich nicht wohl? Bitte, kommen Sie doch!«
»Vielleicht.« Sie würde es tun. Warum auch nicht, und Cornelia konnte das Kleid tragen. Zu Hause fände sie wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr. Sie öffnete die Tür und landete an der Brust dieses mysteriösen FG. Dieser Mann besaß eine eigentümliche Anziehungskraft auf andere Körper. Noch bevor sie ein Wort sagen konnte, drängte er sie in das Zimmer, umfasste sie und trug sie zum Bett. Er streichelte und umkoste sie, bis ihr Körper ihr nicht mehr zu gehorchen schien. Und dieses Mal nahm er sie ganz. Das Kleid war bis zu den Hüften hoch gerutscht. Die Absätze ihrer Schuhe bohrten sich in die Decke, die halterlosen Strümpfe mit dem schwarzen Spitzenbesatz wanderten über die Knie, ihr Slip zerriss und dann das Kleid. Musik - wer hatte sie angestellt? - übertönte ihre Lustschreie und sein Keuchen. War das Erlebnis in der Sauna ein erregendes Intermezzo gewesen, die Fahrt auf der Buckelpiste ein belebendes Hors d´oeuvre, so endete diese Nacht irgendwann im Morgengrauen, Cornelia flehte, wimmerte und versank in einer unbekannten Erlösung, in einem »Furie eleison«.
Einen Monat später brachte sie das Kleid zu einer Schneiderin. Cornelia hatte Franks letzte Worte noch gut in Erinnerung: »Auch wenn du mir nicht glaubst, wir werden uns wiedersehen.« Gestern hatte sie in einer Frauenzeitschrift gelesen: »Der Industrielle FG hat sich von seiner langjährigen Begleiterin, der reichen Erbin S., getrennt.« Und dann war ein Strauß roter Rosen geliefert worden mit einer Karte: »Ist das Kleid wieder repariert? Bis bald, in Liebe, Frank.«