Erdbeere
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Sie wird als »Königin« der Beerenobstarten bezeichnet: die Erdbeere. Und das zu Recht, schließlich ist die »Fragaria ananassa«, so ihr botanischer Name, bei uns das beliebteste Obst, abgesehen vom Apfel. Aktuelle Befragungen kommen zu dem Schluß:
96 Prozent aller Leute essen gern Erdbeeren, im Jahr etwa 2,3 kg pro Kopf und Einwohner - heimische und importierte Früchte.
Im Handel gehört die Erdbeere zu den Rennern im Sortiment, allerdings nur in der Saison. Gleichzeitig aber zählt sie zu den empfindlichsten Produkten in der Obst- und Gemüse-Abteilung.
Walderdbeeren kannten bereits unsere Urahnen. Erste Funde reichen bis in die jüngste Steinzeit zurück. Bereits in der Antike priesen römische Dichter die Qualitäten der kleinen, aromatischen Walderdbeeren: die Dichter Vergil (19 v. Chr.), Ovid (18 n.Chr.) und Plinius (79 n.Chr.) beschrieben diese Früchte. Sie nannte sie »frega« oder »fregum«.
Der botanische Name »fragaria« taucht zum erstem Mal bei Matthäus Silvatius im Jahre 1330 auf. Dieser Begriff leitet sich ab aus dem lateinischen »fragare« (duften).
Der schwedische Botaniker Carl von Linné (1707 bis 1778) hat die Pflanzenwelt systematisch geordnet. Er fügte dem Namen das lateinische Wort »vesca« hinzu. Es stammt von »versusa« (essbar). Leitet man »vesca« jedoch vom lateinischen »vescus« (zehrend) ab, weist das auf eine weitere Eigenschaft der Erdbeere hin: Sie ist die Frucht, von der man nicht satt wird. Weniger deshalb, weil man von dieser Köstlichkeit kaum genug kriegen kann, sondern vielmehr, weil sie so kalorienarm ist.
Im Mittelalter gab es große Flächen, auf denen Walderdbeeren kultiviert wurden. Man kannte bereits allerlei Kulturmethoden, um die Reife zu beschleunigen oder die Ernte zu verlängern. Nur die Fruchtgröße der aromatischen Winzlinge ließ sich durch nichts verbessern, sie wachsen bis heute kaum fingernagelgroß.
Mit der Entdeckung der Neuen Welt war dieses Problem gelöst. Französische Siedler fanden entlang des kanadischen Sankt-Lorenz-Stromes leuchtend scharlachrote Erdbeeren, die sehr aromatisch schmeckten und zugleich recht groß waren. Als »Amerikanische Scharlacherdbeere« fand diese langkegelförmige Frucht rasch Eingang in die botanischen Gärten Europas.
Englische Siedler entdeckten in Virginia eine weitere Form der Schlarlacherdbeere (Fragaria virginiana) mit fast kugelrunden Früchten. Diese Erdbeerart reifte deutlich vor der Walderdbeere. Die ansehnliche Fruchtgröße tat das ihre, um die Walderdbeere rasch aus dem Anbau wieder auf ihr ursprüngliches Gebiet - wild wachsend im Wald - zu verdrängen. 1820 gab es bereits 70 Sorten der Scharlacherdbeeren.
Die direkten Vorfahren der großen roten Erdbeeren, die heute den heimischen Markt bestimmen, kommen ebenfalls aus Übersee. Sie sind nicht, wie man vermuten könnte, eine Züchtung aus der Walderdbeere, die bei uns in Europa schon seit jeher beheimatet ist. Sie sind eine Kreuzung aus der kleinen amerikanischen Scharlach-Erdbeere mit der großfruchtigen »Schönen von Chile«, die der französische Fregattenkapitän und Hobbybotaniker Amédée François Frezier 1714 von seinen Fahrten mitbrachte.
Diese Chile-Erdbeere sah ganz anders aus als die bisher bekannten Arten: ledrigstarre, blaugrüne Blätter, behaarte Stengel und sensationell große Früchte. Sickler, der diese Erdbeeren aus dem Hohenheimer Hofgarten des Herzogs von Württemberg kannte, schrieb seine Begeisterung 1805 nieder: »Eine Erdbeere, die so groß ist wie ein mäßiges Hühnerei. Gott im Himmel - welche Wohltat für unsern Gaumen und Zunge, und nur ein halbes Dutzend solcher Erdbeeren, welch' ein Göttergericht!«
Nach längerem Beobachten zeigte sich jedoch, daß die Pflanzen kaum Früchte ansetzten und deutlich unter der Winterkälte litten. Die bretonischen Bauern hatten den Grund für die geringen Erträge wesentlich schneller als die deutschen Gärtner herausgefunden. Chile-Erdbeeren waren zweihäusig, es gab also rein männlich und rein weiblich blühende Pflanzen. Die Bretonen setzten die Chile-Erdbeeren deshalb zwischen Schlarlacherdbeeren und garantierten so die Befruchtung der Blüten. Die Walderdbeere war als Befruchtersorte ungeeignet. Mit dieser Anbaumethode hatten die Franzosen so viel Erfolg, daß sie von 1750 an in der Hochsaison im Hafen von Brest täglich 20 Schiffe mit Erdbeeren beladen konnten. Übrigens: der deutsche Begriff »Bresling« oder »Prestling« ist keine Ableitung vom Erdbeerhafen Brest, sondern bezieht sich auf die Brustwarze der Frau, mit der die Erdbeere mancherorts verglichen wird.
Wer sich noch vor ein paar Jahrhunderten am Geschmack der Erdbeere erfreuen wollte, mußte mehrere Tagelöhne dafür opfern. Edward I. verdanken wir die Entdeckung der Erdbeere als Genussmittel; davor wurde sie nur wegen ihrer Heilkräfte gesammelt und verspeist. Auf Umwegen über Holland und England kamen die ersten Früchte 1751 in die Hofgärten König Georg des II. von Hannover.
In Amsterdam tauchte um 1750 eine neue Art von Erdbeeren auf. Die Holländer n nannten sie wegen ihres Geschmackes und der Form »Ananas-Erdbeere«. Der Gärtner Antoine Nicolas Duchesne erkannte, daß es sich um eine Mischform handelte, hervorgegangen aus Blüten der Chile-Erdbeere, die mit Pollen der Schlarlacherdbeere bestäubt worden waren.
Diese Artkreuzung ist die Stammform unserer heutigen Gartenerdbeere (fragaria ananassa). Aber erst 1840 begann man in der Nähe von Baden-Baden mit dem erwerbsmäßigem Anbau in Deutschland.
Es gibt inzwischen weit über tausend Sorten mit recht unterschiedlichen Boden- und Klimaansprüchen, verschiedenem Aussehen, Geschmack und Wuchshabitus und jedes Jahr kommen ein paar neue hinzu.
Leider trifft man oft genug auf Sorten, die mehr den Bedürfnissen der Erzeuger und des Handels als denen des Verbrauchers gerecht werden. Und die wünschen nun mal große, ansehnliche Früchte, die unbeschadet längere Transportwege und ein paar Tage Lagerung überstehen. Daß diese Früchte oft kaum mehr saftig sind, sondern eher eine schaumgummi-ähnliche Konsistenz haben und im Aroma nur noch ganz entfernt an die intensive Würze der traditionellen Sorten erinnern, scheint da gar nicht so wichtig zu sein.
Die traditionellen Sorten aber verschwinden immer mehr aus dem Erwerbsanbau. Heute wird im Handel kaum noch die vor gar nicht so langer Zeit meistangebaute, aromatische Sorte »Senga Sengana« angeboten: Sie gilt als zu empfindlich und nicht ansehnlich genug. Und so aromatische Sorten wie »Mieze Schindler« oder »Hansa« wurden völlig von den Anbauflächen der gewerblichen Erdbeererzeuger verbannt und gelten heute als reine Liebhabersorten der Hobbygärtner.
Allerdings: Inzwischen lassen sich auch wieder Ansätze zum Positiven erkennen. Aus Spanien kamen in letzter Zeit zum Beispiel Früchte, die nicht nur robust und ansehnlich waren, sondern auch wie aromatische Erdbeeren schmeckten. Vielleicht gelingt in nächster Zeit doch noch die Züchtung einer Erdbeere, die nicht nur schön aussieht, sondern auch transportunempfindlich ist und das Aroma früherer Sorten hat.
Eine Zwischenstellung nimmt die Wiesenerdbeere ein, sie hat ihren Namen von der Eigenschaft, so zahlreiche Ausläufer (Ranken) zu bilden, daß in kürzester Zeit ein dichter, wiesenartiger Bestand entsteht. Diese Wiesenerdbeeren sind aus mehreren Kreuzungsstufen zwischen Walderdbeere und Gartenerdbeere hervorgegangen und haben sich eine Nische als Bodendecker im Garten erobert. Auch biologisch wirschaftende Obstbaubetriebe bieten teilweise solche Wiesenerdbeersorten an, da sie weitgehend ohne Pflanzenschutzmittel gedeihen und der Walderdbeere in Bezug auf den Geschmack näher kommen als die meisten Sorten der reinen Gartenerdbeere.
Wie man an aromatische Erdbeeren kommt
Wer keine eigenen Beeren anbauen kann, der sollte sich trotzdem nicht benachteiligt fühlen. Er kann sich nämlich seine Erdbeeren selbst auf einer der vielen Erdbeerplantagen pflücken, die es rund um jede größere Stadt gibt. Die Mühe lohnt sich in jedem Fall. Auf solchen Plantagen werden in der Regel immer noch so aromatische Sorten wie »Senga Sengana« angebaut. Dann kann man auch feststellen, daß eine frisch gepflückte Erdbeere unvergleichlich viel besser schmeckt.
Eine weitere Möglichkeit, sich beim Erdbeerkauf Enttäuschungen zu ersparen, ist der Gang über den Wochenmarkt. Hier bieten oft heimische Bauern ihre Waren in kleinen Mengen an, und die Chance, aromatische Erdbeeren kaufen zu können, ist ziemlich groß.
Es dauert meistens nicht länger als einen Tag, bis die geernteten Erdbeeren vom Feld zum Verkauf gelangen. Die Erdbeere ist nämlich sehr sensibel und altert nicht gerne. Wenn sie allerdings frisch genossen wird, belohnt sie die Mühe des schnellen Transports vom Feld auf den Obstteller mit ihrem vollen Aroma und dem unverwechselbaren Geschmack.
Vom Umgang mit den zarten Früchten
Erdbeeren müssen vorsichtig transportiert werden. Sie sind druckempfindlich und faulen dann schnell. Erdbeeren verlieren schnell ihr Aroma. Sie sollten spätestens zwei Tage nach der Ernte verzehrt werden. Und wenn Sie sie nicht gleich verbrauchen können, dann sortieren Sie alle Früchte mit Druckstellen aus, breiten die unbeschädigten Beeren locker nebeneinander auf einem Teller aus und stellen diesen zugedeckt an einen kühlen Ort (am besten im Gemüsefach des Kühlschranks).
Erdbeeren sollten Sie nie mit hartem Wasserstahl abbrausen, sondern nur kurz in kaltes Wasser tauchen. Die gewaschenen Beeren sollten gut abtropfen oder vorsichtig trockengetupft werden. Erst nach dem Waschen entfernt man Stiele und Blätter, sonst wird das Aroma verwässert. Zuckern Sie die Erdbeeren auch erst kurz vor dem Servieren, sonst verlieren sie zu viel Saft und werden weich und schlaff.
Gesunde Früchte
Erdbeeren haben einen höheren Vitamin C-Gehalt als Orangen und Zitronen: 60 mg pro 100 g Fruchtfleisch. Außerdem enthalten sie wertvolle Mineralstoffe wie Kalzium, Kalium, Phosphor und besonders auch Eisen.
Nicht bloß zufällig gelten Erdbeeren in der Volksmedizin als wirksames Mittel gegen Blutarmut. Und wegen ihres hohen Gehalts an Salizylsäure werden sie zu Linderung von Gicht und Rheuma empfohlen. Frische Erdbeeren mit Zucker oder Schlagsahne zählen zu den köstlichsten Genüssen des Frühsommers.