Die europäische Malerei
Die Europäer verstehen sich auf die Geometrie. Darum weichen ihre Gemälde, was Licht und Schatten, Fern und Nah betrifft, nicht um ein Quentchen [von der Wirklichkeit] ab.
Die Figuren, Häuser und Bäume, die sie malen, haben sämtlich einen Schlagschatten. Die Farben und Pinsel, die sie benutzen, sind von denen Chinas völlig verschieden.
Die Darstellung geht vom Breiten ins Enge; man vermißt sie mit Hilfe eines Dreiecks.
Malt man [auf diese Weise] Paläste an eine Wand, so hat es die Wirkung, daß die Leute fast den Wunsch haben, hineinzugehen.
Lernende, die sich den einen oder anderen [Punkt davon] zunutze machen können, schaffen sich immerhin eine Methode, mit der sie Aufmerksamkeit erregen; allein, mit [wahrer] Pinsel–Methode (pi–fa) hat das ganz und gar nichts zu tun: [Solche Bilder] mögen zwar gekonnt sein, bleiben aber im Handwerklichen stecken. In der Malerei von Rang ist darum kein Platz für sie.
Tsou I–Kuei (1686–1772), in:
Lob der Naturtreue – Das Hsiao–Shan Hua–P'u
Übertragen von Günther Debon
Wiesbaden 1969
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