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Platon schrieb am 16.10. 2001 um 14:12:28 Uhr über

Natur

109. a) Auswahl der für diese Kenntnisse geeigneten Naturen

Nun ist dir also noch die Verteilung übrig, sprach ich, wem wir diese Kenntnisse mitteilen wollen und auf welche Weise. -
Offenbar, sagte er. - Erinnerst du dich nun noch unserer ersten Auswahl der Herrscher, was für welche wir ausgewählt haben?
- Wie sollte ich nicht! sagte er. - Im übrigen nun, sprach ich, nimm an, daß es jene Naturen sein müssen, die auszuwählen sind;
denn man muß die festesten und tapfersten vorziehen und nach Vermögen die wohlgestaltetsten. Außerdem aber müssen wir
nun noch suchen nicht nur edle und mutige von Gesinnung, sondern auch die für diesen Unterricht günstigen Anlagen müssen sie
haben. - Und welche bezeichnest du als solche? - Scharfblick, o Bester, sprach ich, müssen sie mitbringen und nicht schwer
lernen. Denn viel eher noch wird die Seele mutlos bei schwierigen Kenntnissen als bei Leibesübungen. Denn die Anstrengung ist
ihr eigentümlicher, weil sie ausschließend ist und sie sie nicht mit dem Körper teilt. - Richtig, sagte er. - Und einen von gutem
Gedächtnis müssen wir suchen, der auch unermüdlich ist und außerordentlich arbeitslustig. Oder wie meinst du sonst werde
einer jenes Körperliche alles durcharbeiten können und noch dazu so große Aufgaben des Lernens und Nachdenkens
vollenden? - Keiner gewiß, sagte er, der nicht in jedem Sinne gutgeartet ist. - Der jetzige Fehler wenigstens, sprach ich, und die
Geringschätzung ist der Philosophie daraus entstanden, wie wir auch vorher sagten, daß man sich nicht gehörig mit ihr abgibt;
denn nicht Unechte sollten es tun, sondern Echte. - Wie meinst du das? - Zuerst, sagte ich, muß einer an der Arbeitsamkeit
nicht hinken, der sich mit ihr abgeben will, daß er halb arbeitslustig ist und halb träge. Und so ist es doch, wenn einer zwar die
Leibesübungen liebt und die Jagd und, wo es auf den Leib ankommt, sich gern anstrengt, aber weder lernlustig ist noch hörlustig
noch forschlustig, sondern in dem allen sich ungern anstrengt. Ebenso hinkt nun auch, wer seine Arbeitslust nur auf die
entgegengesetzte Seite geworfen hat. -Vollkommen richtig. - Und werden wir nicht auch in bezug auf die Wahrheit eine Seele
für verstümmelt hatten müssen, welche das freiwillige Falsche zwar haßt, es nicht leidend an sich selbst, und wenn andere lügen,
in heftigen Unwillen gerät, das unfreiwillige aber sich leicht gefallen läßt und, wenn man sie auf der Unwissenheit ertappt, nicht
unwillig wird, sondern gar lustig nach Schweineart in der Dummheit herumsudelt? - Allerdings, sagte er. - Auch was
Besonnenheit anlangt und Tapferkeit und Großmut und alle Teile der Tugend, muß man nicht weniger darauf achten, wer unecht
ist und wer echt. Denn wer dergleichen nicht zu unterscheiden weiß, es sei ein einzelner oder ein Staat, der hat dann, ohne es zu
wissen, Hinkende und Unechte, worin er nun eben auf solche treffe, jener zu Freunden, dieser zu Anführern. - Gar sehr, sagte
er, verhält es sich so. - Wir aber müssen uns vor allem der Art gewaltig hüten, so daß, wenn wir nur Geradgliedrige und
Geradsinnige zu so großen Unterweisungen und Übungen zulassen und ausbilden, die Gerechtigkeit selbst uns nicht wird tadeln
können und wir den Staat und die Verfassung retten werden; bringen wir aber Ungeschickte dazu, so werden wir ganz das
Gegenteil bewirken und der Philosophie noch mehr Gelächter zuziehen. - Das wäre ja schmählich, sagte er. - Freilich, sprach
ich. Aber Lächerliches scheint auch mir gegenwärtig begegnet zu sein. - Was doch? - Ich vergaß, daß wir scherzten, und habe
die Rede zu scharf gespannt. Denn indem ich sprach, blickte ich zugleich auf die Philosophie, und da ich sie so unwürdig
geschmäht sah, scheint mir, daß ich unwillig und ereifert über die Schuldigen zu ernst gesprochen habe, was ich sprach. - Nein
beim Zeus, sagte er, für mich wenigstens als Zuhörer nicht. - Wohl aber für mich, sprach ich, als Redner. Das aber laß uns nicht
vergessen, daß bei unserer ersten Wahl wir Alte gewählt haben, bei der jetzigen dies aber nicht angehen wird. Denn es ist dem
Solon nicht zu glauben, daß alternd einer noch viel zu lernen vermag, sondern noch weniger als zu laufen; vielmehr gehören alle
großen und anhaltenden Anstrengungen der Jugend. - Notwendig, sagte er. -

109. b) Ausbildungsgang der Ausgewählten

Was nun zum Rechnen und zur Meßkunde und zu allen den Vorübungen gehört, die vor der Dialektik hergehen sollen, das
müssen wir ihnen als Knaben vorlegen, indem wir jedoch die Form der Belehrung nicht als einen Zwang zum Lernen einrichten.
- Warum nicht? - Weil, sprach ich, kein Freier irgendeine Kenntnis auf knechtische Art lernen muß. Denn die körperlichen
Anstrengungen, wenn sie auch mit Gewalt geübt werden, machen den Leib um nichts schlechter, in der Seele aber ist keine
erzwungene Kenntnis bleibend. - Richtig, sagte er. - Nicht also mit Gewalt, o Bester, sprach ich, sondern spielend beschäftige
die Knaben mit diesen Kenntnissen, damit du auch desto besser sehen könntest, wohin ein jeder von Natur sich neigt. - Das hat
wohl Grund, sagte er. - Erinnerst du dich nun nicht, sprach ich, daß wir sagten, man müsse die Knaben auch in den Krieg zu
Pferde als Zuschauer führen und, wenn es einmal sicher ist, sie auch ganz nahe hinzubringen und sie Blut kosten lassen, wie man
es mit den jungen Hunden macht? - Daran erinnere ich mich. - In allem diesem nun, in den Anstrengungen, dem Unterricht und
den Gefahren, muß man, die jedesmal am tüchtigsten hineingehen, in eine gewisse Liste eintragen. - In welchem Alter? fragte er.
- Wenn sie, sprach ich, von den notwendigen Leibesübungen losgesprochen werden. Denn diese Zeit, währe sie nun zwei oder
drei Jahre, kann unmöglich noch etwas anderes ausrichten; denn Müdigkeit und Schlaf sind dem Lernen feind, auch ist dies
selbst nicht eine von den kleinsten Prüfungen, wie sich jeder in den Leibesübungen zeigt. - Wie sollte es nicht. - Nach dieser
Zeit aber, sprach ich, von zwanzig Jahren an, sollen die vorzüglichen größere Ehre vor den andern genießen, und die den
Knaben zerstreut vorgetragenen Kenntnisse müssen für sie zusammengestellt werden zu einer Übersicht der gegenseitigen
Verwandtschaft der Wissenschaften und der Natur des Seienden. - Wenigstens, sprach er, wird nur das so Erlernte fest sein,
wem man es auch beigebracht hat. - Und, sagte ich, die stärkste Probe, wo eine dialektische Natur ist und wo nicht. Denn wer
zur Zusammenschau fähig ist, ist dialektisch: wer nicht, ist es nicht. - Ich stimme dir bei, sagte er. - Hierauf also, sprach ich,
wirst du achten müssen, und welche unter ihnen dieses am meisten sind und beharrlich im Lernen, beharrlich auch im Kriege
und in allem Vorgeschriebenen, diese wiederum, wenn sie dreißig Jahre zurückgelegt haben, aus den Auserwählten auswählen
und zu noch größeren Ehren erheben, um, indem du sie durch die Dialektik prüfst, zu sehen, wer von ihnen Augen und die
andern Sinne fahrenlassend auf das Seiende selbst und die Wahrheit loszugehen vermag. Und hier ist nun viele Behutsamkeit
nötig, o Bester. - Weshalb eigentlich? fragte er. - Merkst du denn nicht, sprach ich, das jetzige Übel mit der Dialektik, wie groß
es ist? - Welches denn? - Daß sie ganz mit Gesetzwidrigkeit angefüllt ist? - Das freilich, sagte er. - Glaubst du also, sprach ich,
daß denen etwas ganz Wunderbares begegnet, und verzeihst ihnen nicht? - Wieso eigentlich? - Wie wenn, sprach ich, ein
untergeschobenes Kind bei großem Vermögen in einem vornehmen und ausgebreiteten Geschlecht und unter vielen
Schmeichlern erzogen wäre und, wenn es ein Mann geworden, erführe, es sei nicht von diesen Eltern, die dafür ausgegeben
worden, die wahren aber nicht auffinden könnte, kannst du wohl ahnen, wie dieser gegen die Schmeichler und gegen die,
welche ihn untergeschoben haben, gesinnt sein wird zuerst in der Zeit, wo er noch nichts von dem Unterschieben wußte, und
dann wieder in der, wo er es weiß? Oder willst du meine Ahnung davon hören? - Das letztere will ich. -(Dialektik)


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