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! schrieb am 31.3. 2008 um 01:03:52 Uhr über

Paradiesweg

Es war in unseres Lebensweges Mitte,[*]
Als ich mich fand in einem dunklen Walde;
Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege,
Wohl fällt mir schwer, zu schildern diesen Wald,
Der wildverwachsen war und voller Grauen
Und in Erinnrung schon die Furcht erneut:
So schwer, dass Tod zu leiden wenig schlimmer.
Doch um das Heil, das ich dort fand, zu künden,
Will, was ich sonst gesehen, ich berichten. -
Wie ich bin hingelangt, kann ich nicht sagen,
So schlafbenommen war ich um die Zeit
Als ich zuerst den wahren Weg verlassen.
Doch als ich eines Hügels Fuss erreichte,
An welchem jenes Tal zu Ende ging,
Das mir das Herz mit solcher Furcht befangen,
Blickt' ich empor und sah des Hügels Schultern
Bekleidet schon mit des Planeten Strahlen,[*]
Der uns den rechten Weg zeigt allerwege.
Beruhigt wurde da die Furcht ein wenig,
Die in des Herzens See mir angedauert
Die Nacht durch, die so angstvolt ich verbrachte.
Wie einer, der mit ganz erschöpftem Atem,
Dem Meer entronnen, das Gestad' erreicht,
Auf die verräterische Flut zurückblickt,
So wandte sich mein Geist, noch immer fliehend,
Zurück, um zu beschaun die dunkle Talschlucht,
Die keinen, der drin weilt, lebendig liess. -[*]
Als etwas ich den müden Leib gerastet,
Setzt' ich den Weg am wüsten Abhang fort,
So dass der ruhnde stets der untre Fuss war.[*]
Doch, siehe, fast bei dem Beginn des Anstiegs,
Ein Panthertier, leichtfüssig und behende,[*]
Das überdeckt war mit geflechtem Haare.
Vor meinen Augen wich das Untier nimmer
Und störte mich so sehr in meinem Wege,
Dass mehrmals schon zur Umkebr ich mich wandte.
Es war die Zeit der ersten Morgenfrühe
Die Sonne stieg empor mit jenen Sternen,[*]
Die sie begleiteten, als Gottes Liebe
Zuerst bewegte diese schönen Dinge,
Sodass kein Unheil mich befürchten liess
Von jenem Tier mit buntgeflecktem Felle
Die Stunde, wie die schöne Jahreszeit.
Doch war darum der Schrecken nicht geringer,
Der mich ergriff beim Anblick eines Löwen[*]
(Erhabnen Hauptes und mit grimmem Hunger
Kam dieser dräuend auf mich zugeschritten,
So dass die Luft vor ihm zu fürchten schien)
Und einer Wölfin, die von jeder Gier[*]
Besessen schien in ihrer Magerkeit
Und über viele schon Verderben brachte.
Sie gab mir durch die Furcht, die von ihr ausging,
so grosses Ungemach, dass ich die Höhe
Des Berges zu erreichen nicht mehr hoffte.
Und wie der Mann, der gern Reichtümer sammelt,
Wenn eine Zeit kommt, die Verlust ihm bringet,
In seinem Herzen sich betrübt und wehklagt,
So ward mir ob des friedelosen Tieres,
Das, wie es auf mich zukam, ganz allmählich
Mich dahin drängte, wo die Sonne schweiget.
Und während ich zur Tiefe niederstürzte,
Erschien mir plötzlich eines Manns Gestalt,
Der heiser mir, vor langem Schweigen, deuchte.
Als in der grossen Wüst' ich den erblickte,
Rief flehend ich ihn an: Erbarm dich meiner,
Seist du ein Lebender, seist du ein Schatten. -
Kein Lebender! Wohl war ich einst ein solcher,
Lombarden waren meine Eltern beide
Und ihre Vaterstadt war Mantova.
Geboren unter Julius, wenn auch spät,[*]
Lebt' ich in Rom zur Zeit des Augusts des Guten,
Als man die falschen Lügengötter ehrte.
Ein Dichter war ich, sang von des Anchises
Gerechtem Sobne, der von Troja kam,
Als Ilion war verbrannt, die stolze Feste.
Doch du, weshalb zu soviel Plage kehrst du?
Wesbalb ersteigst du nicht den schönen Berg,
Der Anfang ist und Ursach' aller Freude:' -
So bist du der Virgil und jene Quelle,
Der so gewalt'ger Redestrom entfliesset?
Entgegnet ich mit schamgefärbter Stirne.
O Licht und Ehre du der andren Dichter,
Mein Eifer, meine Liebe für dein Buch,
Die ich bewährt, sei'n mir bei dir Empfehlung.
Du bist mein Meister, du mein hobes Vorbild,
Und nur von dir hab' ich die schöne Schreibart
Entnommen, die zur Ehre mir gereichte.
Sieh jenes Tier, das mich zur Umkehr trieb.
Errette mich vor ihm, gepriesner Weiser,
Denn Puls' und Adern macht es mir erbeben. -
Willst du entgehen diesem armen Orte,
Erwidert' er als er mich weinen sah
So musst zu andrer Reise du dich wenden
Denn jenes Tier, das deiner Klage Anlass,
Gestattet niemand, diesen Weg zu ziehen.
Es hindert jeden, bis es ihn getötet.
So bösgeartet ist es, so verworfen,
Dass seine schnöde Gier es nimmer sättigt
Und nach dem Frass mehr Hunger als zuvor hat.
Viel Tiere sind, mit denen es sich gattet,
Und mehr noch werden sein, bis dass der Rüde[*]
Erscheinen wird, der unter Qual es tötet.
Nicht Land, nicht Silberblech sind seine Speise,
Wohl aber Weisheit, Christenlieb' und Tugend.
Daheim ist zwischen Feltro er und Feltro.
Italien wird er retten, das gebeugte,
Für das Camilla einst, die Jungfrau, starb,
Euryalus, Turnus, Nisus sich verblutet.
Von Stadt zu Stadt wird er die Wölfin jagen,
Bis er zurückgetrieben sie zur Hölle,
Von wo der erste Neid sie losgelassen.
Wesbalb zu deinem Heil ich denk' und ordne,
Dass du mir folgst; ich will dein Fübrer sein.
Geleiten werd' ich dich durch ew'ge Räume,
Wo der Verzweiflung Schrei du wirst vernehmen
Von jenen alten schmerzgebrochnen Geistern,
Die alle nach dem zweiten Tod begehren.
Dann wirst du jene sehn, die in den Flammen
Zufrieden sind, weil sie, wie spät auch immer,
Zu den Erwählten zu gelangen hofften.
Willst auch zu diesen du empor dann steigen,
Wird eine Seele, würdiger als ich bin,
Dahin dich führen, wenn ich von dir scheide.
Denn, der dort oben herrseht, des Weltalls Kaiser,
Will, weil ich unbefolgt liess sein Gesetz,[*]
Nicht, dass durch mich in seine Stadt man komme.
Im Weltenall gebeut, doch dort regiert er,
Dort ist die Stadt und dort sein hoher Thron.
Gesegnet ist, wen dort er auserkoren. -
Und ich zu ihm: O Dichter, ich beschwöre
Bei jenem Gotte dich, den du nicht kanntest,
Damit ich dies und grössres Unheil fliehe,
Dass du mich dorthin führest, wo du sagtest,
So dass des heil'gen Petrus Tür ich sehe
Und jene, die du schilderst als so traurig. -
Dann ging er, und ich folgte seinen Schritten.Der Tag entfloh, das abendliche Dunkel
Entnahm die Tiere, die auf Erden weilen,[*]
Allseitig ihrer Müh' ; nur ich allein
Bereitete mich vor zum Doppelkampfe
Der Wanderschaft sowohl als auch des Mitleids,
Den die Erinnrung, die nicht irrt, nun melde.
Jetzt, Musen, belft mir, hilf erhabner Geist,[*]
Gedächtnis, das verzeichnet, was ich schaute,
Hier möge sich dein Adel offenbaren!
O Dichter, hub ich an, der du mich leitest,
Erwäge meine Kraft, ob sie auch hinreicht,
Eh' du mich wagen lässt die kühne Wandrung.
Zwar sagst du, dass des Silvius frommer Vater[*]
Verweslich noch zur wandellosen Welt
Gepilgert sei mit seinem Erdenleibe;
Doch, vvenn der Feind des Bösen, in Ervvägung
Der Zukunft, die sich an Äneas knüpfte
Des wer und was, ihm solche Gunst gewährte,[*]
Kann tiefer Denkende das nicht befremden,
Weil er erkoren war im Empyreum
Zum Vater Roms und seines hohen Weltreichs.
Denn beides war, die Wahrheit zu bekennen,[*]
Vorherbestimmt zum gottgeweihten Orte,
Wo der Nachfolger Petri seinen Sitz bat.
Auf jener Wanderung, die du ihm nachrühmst,
Vernahm er Dinge, die zu seinem Siege
Und zu der Päpste Mantel rnitgewirket.
Auch das erwählte Rüstzeug ging hinüber,[*]
Um für den Glauben Kräftigung zu bringen,
Der Anfang ist zum Wege der Erlösung.
Doch welchen Grund hab' ich und wer gewährt mir's?
Äneas bin ich nicht und bin nicht Paulus;
Für würdig hält mich niemand und ich selbst nicht.
Drum, wenn dem Wunsch des Gehns ich mich ergebe,
Befürcht' ich Törichtes zu unternehmen.
Erwäg' es selbst, der weiser du als ich bist. -
Und wie, wer nicht will, was zuvor er wollte,
Und, Neues sinnend, seinen Vorsatz ändert,
Sn dass sein erstes Ziel er gänzlich aufgibt,
So widerfuhr mir an dem düstren Abhang.
Bedenkenvoll entsagt' ich dem Beginnen,
Das, als ich es ergriff, bei mir so feststand. -
Wenn richtig deine Meinung ich verstanden,
Erwiderte der Schatten jenes Hohen,
Hat Kleinmut deiner Seele sich bemächtigt,
Der oft in solchem Mass den Mann betöret,
Dass er von ehrenvoller Bahn ihn abzieht,
Wie falsches Sehn die Tiere, wenn sie scheuen.
Damit von solcher Furcht du dich befreiest,
Vernimm, weshalb ich kam und was ich hörte,
Als deiner mich zum erstenmal erbarmte.
Ich weilte da, wo Freude nicht noch Pein ist.
Da rief ein Weib mich, die so schön als selig,[*]
So dass, mir zu gebieten ich sie ansprach.
Ihr Auge leuchtete so hell als Sterne,
Und leis und langsam hub sie zu mir an
Mit engelgleichem Laut in ihrer Rede:
Du wohlgesinnte Mantuanerseele,
Von deren Ruhm die Welt noch itzt erfüllt ist
Und bleiben wird so lang als die Bewegung,[*]
Mein Freund, der aber nicht des Glückes Freund ist
Wird an dem wüsten Berghang so behindert
In seinem Weg, dass er vor Furcht zurückweicht.
Nach dem, was ich von ihm im Himmel hörte,[*]
Besorg' ich fast, er sei schon so verirret,
Dass ich zu spät zur Hilfe mich erhoben.
So eile denn, mit kunstgeübter Rede
Und dem, was sonst zu seiner Rettung not tut,
Um so zu helfen, dass ich sei getröstet.
Ich bin Beatrix, die zu gehn dir aufträgt.
Dorthin zurück, woher ich kam, verlangt mich.
Die Liebe liess mich gehn und heisst mich reden.
Bis ich demnächst aufs neu vor meinem Herren,
So werd' ich oft, was du getan, ihm rühmen. -
Dann schwieg sie; aber ich begann zu reden:
O Frau, so hochbegnadigt, dass die Menschheit[*]
Nur ihretwillen alles überraget,
Was sonst noch in sich schliesst der engste Himmel,
So sehr ist mir, was du befiehlst, willkommen,
Dass, hätt' ich's schon getan, zu spät mir's schiene;
Mir deinen Wunsch mehr zu enthüll'n bedarf's nicht.
Doch, sage mir den Grund, dass du nicht Scheu trägst,
In diesen Mittelpunkt herabzusteigen
Vom weiten Raum, wohin du dich zurücksehbnst. -
Verlangst du denn so tief eingehnde Auskunft
Sprach sie zu mir, will ich dir kurz berichten,
Warum hierherzukommen ich nicht fürchte.
Furcht hegen soll man nur vor solchen Dingen,
Die Schaden uns zu tun die Macht besitzen;
Vor andren nicht, weil nichts an ihnen furchtbar.
Durcb seine Gnade schuf der Herr mich also,
Dass all eu'r Elend mich nicht kann berühren,[*]
Und dieses Brandes Flamme mir nichts anhat.
Ein holdes Weib beklagt im Himmel droben[*]
Das Hindernis, zu dem ich dich entsende,
So dass sie harten Richterspruch dort umstösst.[*]
Lucìen trat sie an mit ihrer Bitte,[*]
Und ihre Worte waren: dein Getreuer[*]
Bedarf itzt dein und dir sei er empfohlen. -
Lucìa, die jedweder Härte Feind ist,
Begab sich zu dem Ort, wo ich verweilte,
Wo ich mit Rahel sass, der Tochter Labans.
Beatrix, sprach sie, wahres Lob des Herrn,
Was hilfst du dem nicht, der dich so geliebt hat,
Dass er um dich verliess den grossen Haufen?
Vernimmst du nicht den Schmerzlaut seiner Klage,
Gewahrst du nicht den Tod, der mit ihm streitet[*]
Am Flussgestade, schlimmer als der Meeresstrand? -
Dort in der Welt war niemand je so eilig,
Ihm Dienliches zu tun, zu flieben den Schaden,
Als ich, nachdem ich dieses Wort vernommen.
Zu dir kam ich von meinem sel'gen Sitze,
Auf deiner würd'gen Rede Macht vertrauend
Die dich und alle, die sie hörten, ehret. -
Als diese Wort sie zu mir gesprochen,
Verwandt' in Tränen sie den Glanz der Augen,
Wodurch sie zu noch grössrer Eil' mich antrieb.
Wie sie geboten, kam ich her zu dir
Und führte dich hinweg von jenem Tiere,
Das dir zum Berg den graden Weg versperrte.
Was hast du nun, dass du noch länger zauderst?
Was nährest solchen Kleinmut du im Herzen?
Was hegst du Zuversicht und frischen Mut nicht,
Da drei so hoch gebendeiten Frauen
In Himmel führsorgend dein gedenken
Und meine Rede solches Heil dir zusagt? -
Die Blümlein, die der Nachthauch schloss und senkte,
Sobald die Morgensonne sie erleuchtet,
Sich auf dem Stiel aufrichten und erschliessen,
So kräftigte sich mein gesunder Mut,
Und so viel Sicherheit gewann mein Herz,
Dass ich begann, wie wer von Zweifeln frei ist:
Gesegnet sei, die mir zu helfen eilte.
Dir aber dank' ich, dass du gern bereit warst,
Zu tun, wie wahrheitstreu sie dir gesagt hat.
Den Wunsch, mit dir zu gehn, hast du im Herzen
Mir also angefacht durch deine Worte,
Dass ich zurück zum ersten Vorsatz kehrte.
So geh denn; nur ein Will' ist in uns beiden.
Sei du mir Herr, mir Meister, sei mir Führer. -
Da wandt' er sich zum Gehn, und unsre Schritte
Betraten einen Pfad, der rauh hinabstieg. Der Eingang bin ich zu der Stadt der Schmerzen,
Der Eingang bin ich zu den ew'gen Qualen,
Der Eingang bin ich zum verlornen Volke.[*]
Gerechtigkeit bestimmte meinen Schöpfer,
Geschaffen ward ich durch die Allmacht Gottes,
Durch höchste Weisheit und durch erste Liebe.
Vor mir entstand nichts, als was ewig währet,
Und ew'ge Dauer ward auch mir beschieden;[*]
Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.
In dunkler Farbe sah ich diese Zeilen
Als einer Pforte Inschrift. Drum begann ich :
O teurer Meister, düster ist ihr Sinn mir. -
Er aber sprach, das Rechte wohl erfassend:
Absagen musst du jeglichem Bedenken
Und jeden Kleinmut hier in dir ertöten.
Gelangt sind wir dahin, wo ich dir sagte,
Du würdest sehn die schmerzerfüllten Scharen
Die der Erkenntnis hohes Gut verloren. -[*]
Als seine Hand er dann gelegt in meine
Mit heitrer Miene, die mir Mut gewährte,
Führt' er mich ein in die geheimen Dinge.
Hier tönten Seufzer, Schluchzen, laute Klagen
Erschütternd durch die sternenlose Luft,
So dass zu Anfang ich mitweinen musste.
Verschiedne Zungen, grauenvolle Sprachen,
Des Schmerzens Worte, zornentbrannte Töne
Erstickt' und laute Rufe, Schlag der Hände,
Sie bildeten ein wildverworrnes Tosen,
Das in der ewig düstren Luft sich umtreibt,
Wie bei des Wirbelwindes Wehn der Sand tut.
Ich aber, dem das Haupt Entsetzen einnahm,
Begann: Was ist das Meister, was ich höre,
Und was für Volk, das übermannt vom Schmerz scheint?
Und er zu mir: Solch jammervolle Weise
Verführen die unwürd'gen Geister deren,
Die ohne Lob gelebt und ohne Schande.[*]
Der Engel schlechter Schar sind sie verbunden,
Die, ohne gegen Gott sich zu empören,
Ihm treu nicht, sondern unparteisch waren.
Der Himmel Schönheit hätten sie getrübt,
Auch nimmt die tiefre Hölle sie nicht auf,
Weil etwas Ruhm sie den Verdammten brächten. -[*]
Da sprach ich: Meister, was ist denn so quälend
Für sie, dass solche Klagen es hervorruft? -
Und er: Das will ich kürzlich dir berichten:
Der Tod hat Hoffnung ihnen nicht zu bieten,
Und so verächtlich ist ihr blindes Leben,
Dass sie jedwedes andre Los beneiden.
Die Welt gestattet ihnen keinen Nachruhm;
Erbarmen und Gerechtigkeit verschmäht sie.[*]
Kein Wort von ihnen; schau' und geh vorüber. -
Ich blickte hin: Da sah ich eine Fahne,[*]
Die so geschwind umkreisend sich bewegte,
zu verschmähn sie mir jedwede Rast schien.
Und hinterdrein lief solch endloser Haufen
Von Volke, dass ich nimmermehr vermutet,
So viele habe schon der Tod vernichtet:
Als erkannt ich hatte den und jenen,
Erblickt' und kannte ich den Schatten dessen
Den Feigheit zum Verzicht, dem grossen, antrieb.[*]
Sofort ward ich bewusst mir und versichert,
Dies sei die Schar der schmachbeladenen Seelen,
Die Gott und seinen Feinden gleich missliebig.
Die Elenden, die nimmer wahrhaft lebten,
Sie waren nackt und wurden schwer gepeinigt
Von Bremsen und von Wespen, die dort waren.
Bei deren Stichen troff von Blut ihr Antlitz,
Die tränenuntermischt zu ihren Füssen
Von ekelhaften Würmern ward verschlungen.
Und als ich weiter noch den Blick entsandte,
Sah Schatten ich am Ufer eines Stromes;
Weshalb ich sprach: Gewähre mir nun, Meister;
Dass, wer sie sind, ich hör', und welcher Antrieb
Sie scheinbar so zur Überfahrt geneigt macht
Wie in dem falhen Licht ich unterscheide. -
Erfahren wirst du, sagt' er, was du fragest,
Sobald wir hemmen werden unsre Schritte
Am Uferand des traur'gen Acheron. -
Da senkte schamerfüllt ich meine Blicke
Und, fürchtend, dass ihm lästig sei mein Reden,
Enthielt ich bis zum Flusse mich der Worte.
Und sieh, im Nachen kam herangefahren
Ein Greis, der ob des Haares Alter weiss war
Und ausrief: Weh euch, ihr verruchten Seelen!
Den Himmel hoffet nimmermehr zu schauen.
Ans andre Ufer komm' ich euch zu führen
In ew'ge Finsternis, in Frost und Hitze.
Und, die du dort verweilst, lebend'ge Seele
entferne dich von diesen, die gestorben. -
Und als er sah, dass ich mich nicht entfernte
Sprach er: Nicht hier, durch andre Weg' und Häfen[*]
Wirst du zum Strand der Überfahrt gelangen;
Das Schiff, das einst dich tragen soll, ist leichter. -
Mein Führer aber sprach: Sei ruhig, Charon.
So will man's droben wo jedwedes Wollen
Zugleich ein Können ist; nichts frage weiter. -
Da glätteten sich die behaarten Wangen.
Des Fährmanns auf dem trübgefärbten Sumpfe,
Der um die Augen Flammenräder hatte.
Doch jene Seelen, nackend und ermattet,
Verfärbten sich und klappten mie den Zähnen,
Sobald die harten Worte sie vernahmen.
Sie fluchten Gott und fluchten ihren Eltern,
Der Menschenbrut, dem Ort, dem Tag, dem Samen,
durch die gezeugt sie wurden und geboren.
Dann drängten sie sich unter lautem Wehnen
In dichten Scharen an das schlimme Ufer,
Das jedes wartet, welcher Gott nicht fürchtet.
Mit feur'gen Augen sammelt Teufel Charon
Gebieterischen Winks die Seelen alle,
Schlägt mit dem Ruder Jeden, der da zaudert.
Gleichwie zur Herbsteszeit die Blätter alle,
Eins nach dem andern, abfall'n, bis der Zweig
Am Boden alles sieht; das ihn bekleidet,
So stürzt hier Adams scbuldbeladener Samen
Sich Haupt für Haupt vom Ufer in den Nachen,
Wie Vögel tun, wenn sie den Lockruf hören.
Hinüber fahren sie auf dunkler Flut,
Und eh' dem Kahne drüben sie entstiegen,
Hat diesseits schon sich neue Schar gesammelt.
Mein Sohn begann zu mir der güt'ge Meister,
Die unter Gottes Zorne sterben, alle
Versammeln hier sich aus jedwedem Lande.
Auch ist zur Überfahrt bereit ein jeder;
Die göttliche Gerechtigkeit ist ihnen Sporn,
So dass die Furcht sich wandelt in Verlangen.
Nie fuhr noch fährt ein Guter hier hinüber!
Darum, wenn Charon scheltend dich zurückweist
Verstehst du nun den Sinn von seinen Worten. -
Darauf erzitterte die düstre Fläche[*]
So heftig, dass noch itzt in der Erinnrung
Mich des Entsetzens Schweiss kalt überrieselt.
Ein Luftstoss drang aus dem betränten Boden,
Worin ein roter Lichtesglanz erblitzte.
Darob entschwand mir jegliches Bewusstsein
Und nieder sank ich wie wen Schlaf ergriffen.


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