Ein Verlies gibt es in vielen alten Burgen. Dunkle enge Treppen führen immer tiefer in den Berg hinein. Nur ab und zu fällt Licht durch ein kleines vergittertes Fenster. Wenn man sie heute besichtigt riechen sie alt und moderig. Früher muß es dort wahnsinnig gestunken haben.
Bei einer Tour in Frankreich besichtigten wir so eine alte Burg. Der Fremdenführer fragte uns, ob jemand mal Lust hätte, das Verlies so für eine Stunde auszuprobieren. Wir waren glücklicherweise eine größere Gruppe (so 10 Leute aus unserem Turnverein, die ich alle schon lange kannte), ansonsten hätte ich das nie gewagt. Eine Freundin von mir und ich erklärten sich bereit.
In einer großen Zelle mit einem sehr kleinen hohen Fenster sollten wir uns an die Wand stellen und bekamen richtig schwere Ketten um. Das hätte ich zwar nicht gedacht, aber einmal bereit erklärt wirkt der Gruppenzwang. Um Handgelenke kamen Eisenschellen, die so auf Schulterhöhe mit kurzen Ketten an der Wand verankert waren. Über den Bauch und über die Brust wurde uns jeweils eine Kette gelegt, die auf einer Seite fest an der Wand war, auf der anderen Seite nur eingehangen wurde. Bei den Beinen war es genauso. Kurze Ketten auf der einen Seite fest, die andere Seite nur eingehangen. Es war kein Schloß an den ganzen Ketten. Trotzdem waren wir so gefesselt, daß wir uns nicht mehr selber befreien konnten.
Es war ein Spaß Fotos wurden geknippst und viel gelacht. Dann aber wurde es für uns Ernst. Die Gruppe sollte weitergehen und uns in einer Stunde wieder abholen. Wir kicherten und meine Freundin sagte: »Macht nur, wir gehen hier nicht weg«.
Der Raum leerte sich als sich der Reiseführer mit der Laterne verabschiedete und die Tür schloß wurde es dunkel. Das kleine Fenster ließ nur wenig Licht herein. Schwere Riegel wurden vorgeschoben und rasteten laut ein. Das Stimmengewirr wurde immer leser und schließlich war es still. Ich schaute meine Freundin neben mir an und wir begannen eine Gespäch, was wir schon so alles erlebt haben und was wir noch tun werden. Aber irgendwie ging die Stimmung immer weiter runter. Der Ort war schon gruselig. Am Ende standen wir nur noch da. Ab uns zu klirrten die Ketten. »Ob die wiederkommen? Oder ob die uns hier vermodern lassen?« wagte ich zu fragen. »Nun hör aber auf, na klar kommen sie wieder« fuhr mich meine Freundin an. Aber in ihrer Stimme war neben der Aufregung auch eine Spur Unsicherheit zu hören. Es war unmöglich zu schätzen, wieviel Zeit schon vergangen war. Endlich hörten wir wieder Stimmen und waren ganz erleichtert, als die Riegeln wieder beiseite geschoben und wir von den Ketten befreit wurden. Aber vorher machte man noch ein paar Fotos. So zum vorher nachher Vergleich.
Der Reiseführer fragte dann noch, wer hier mal eine Nacht verbringen möchte .. Wir lehnten dankend ab und beeilten uns ans Tageslicht zu kommen.
Abends beim Rotwein erzählten uns die anderen, das einer unserer Truppe die ganze Zeit vor dem Verlies gewartet hatte um uns notfalls zu befreien. Er war aber so leise gewesen, daß wir ihn nicht bemerkt hatten. Die Stunde im Verlies kam mir unheimlich lange vor, obwohl sie eigentlich nur eine halbe Stunde gedauert hat. Der Reiseführer weiß schon, das eine Stunde zu lange für diese Erfahrung ist.
|