Punker
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»Was hast du heute in der Schule gelernt, mein kleiner Boy?«
Ich lernte, daß Washington niemals log, Soldaten viel Geld bekommen und alle Menschen frei sind. Das habe ich heute in der Schule gelernt. Das lernte ich heute in der Schule."
»Was hast du heute in der Schule gelernt, mein kleiner Boy?«
»Ich lernte, daß Polizisten meine Freunde sind, daß unsere Gerechtigkeit grenzenlos ist und daß Verbrecher sterben müssen, auch wenn wir manchmal irren. Das hat mir heute der Lehrer gesagt. Das lernte ich heute in der Schule.«
»Was hast du heute in der Schule gelernt, mein kleiner Boy?«
»Ich lernte, die Regierung ist gut und stark, weil unsere Führer feine Männer sind, weshalb wir sie immer wieder wählen. Das habe ich heute in der Schule gelernt. Das lernte ich heute in der Schule.«
»Was hast du heute in der Schule gelernt, mein kleiner Boy?«
»Ich lernte, Krieg ist nicht soo schlimm. ich hörte von den Schlachten, die wir gewannen - und daß auch ich meine Chance bekomme. Das hat mir heute der Lehrer gesagt. Das lernte ich heute in der Schule.«
Pete Seeger: »We Shall Overcome« (wir werden überwinden)
Punker existierten schon lang, bevor sie einen wesentlichen Zeitgeist und seine Mode verkörperten. Das läßt sich jedem Herkunftswörterbuch entnehmen. Der »gewöhnliche, weil nur nachahmende Punker« ist ein Fan jener Künstler, die Punk als Stil entdeckten, erfanden, schufen.
Muß extra erklärt werden, daß die Bezeichnung »gewöhnlicher, weil nur nachahmender Punker« nicht abwertend gemeint ist?
Ein Leben als Fan und das gewöhnliche Nachahmen gehören - untrennbar - zum sozialen Lernen. Junge Menschen können nicht darauf verzichten. Weil nämlich jede Kunst eine Geschichte hat. Und nicht unmittelbar einleuchtet.
Die Künstler, die den Punk-Stil schufen, waren junge Arbeitslose, und oft aus der untersten Schicht der Arbeiterklasse. Im Gegensatz zu den Hippies*, die fast nur aus der Mittelschicht kamen, und daher viel sanfter, friedlicher, gemütlicher waren. Aber am Anfang genauso empörten.
Was am Punk empört, ist nicht die Differenz, sondern die zur Schau getragene Absicht sich zu unterscheiden. Weshalb Punks, obwohl sie sich keiner anderen Klasse anpassen, eher von dieser als von der eigenen akzeptiert werden (weil da Rivalität nicht da ist). Ein Punk kann, will und muß mit ihrem Stil nicht konkurrieren. Daß Punks ganz besonders bei den Aufstiegsorientierten verhaßt sind - und daher oft in der eigenen Verwandtschaft Schwierigkeiten bekommen -, bedarf keiner Erklärung. Ich setze Wissen über das nach oben glotzende, anpassungsgeile Verhalten in unteren Schichten bei meinen Lesern voraus. Wie aber konnten Punks, trotz ihrer Außenseitersituation, ökonomische, kulturelle und militärische Führungspositionen besetzen?
Eine Antwort auf diese Frage gibt uns der französische Soziologe* Pierre Bourdieu. Ich zitiere:
Können Kleinbürger immer dann auftrumpfen, wenn sich das Spiel um spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten und um abfragbares Wissen dreht, werden sie auch noch dem ungebildetsten Angehörigen der Avantgarde* als zutiefst unterlegen erscheinen, sobald es auf Selbstsicherheit oder Fingerspitzengefühl oder auch nur den Wissenslücken kaschierenden* Bluff ankommt: man kann einen Roman von Trivialan als Philosophie ansehen, das Wort Psychiater mit dem Wort Psychopath verwechseln, Familie mit zwei mal »ie« schreiben (»Famielie«) und sich dennoch in den höchsten Rängen der Avantgarde behaupten, nur vorausgesetzt: man besitzt die entsprechenden distinktiven* Merkmale: sichere haltung, aggressionsfreies Auftreten, Umgangsformen und Lebensart, ohne die alles Schulwissen - zumindest in diesen Kreisen - wenig oder gar nichts gilt."**
Hans-Peter Kossaj: »Anmerkungen zur Situation in Arrakis«; Band 23, S. 478; Archiv in Abankor
* Soziologe (griech.) Gesellschaftswissenschaftler
* Avantgarde (frz.) Vorhut, Vorkämpfer; aus avant »vor« und garde »Wache, Wachgesellschaft«
* kaschieren (frz.) verbergen, verdecken, bemänteln
* distinktiv (lat.) vornehm, zu distinguere »sich absondern, unterscheiden«
** Pierre Bourdieu: »Die feinen Unterschiede«. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft"; Suhrkamp 1983, S. 159
»Ihr lungert herum in Straßen und Gassen, wer kann eure sinnlose Faulheit nur hassen? Wir. Denn jemand muß da sein, der nicht nur vernichtet, der uns unsere Häuser erhält, der sammelt, verteilt und über den Handel berichtet, denn nur so funktioniert das morgige Geld. Ihr aber wollt immer nur demonstrieren, auf Plätze gehen und dort randalieren.«
»Auch wir sind für Ordnung. Auch wir sind für Treue.«