Das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi oder Fukushima I ([ɸɯˈkɯɕima], jap. 福島第一原子力発電所, Fukushima daiichi genshiryoku hatsudensho) war ein besonders leistungsstarkes Kernkraftwerk in Japan. Es wurde ab 1971 in Betrieb genommen und lief bis zu den Nuklearunfällen von Fukushima-Daiichi am 11. März 2011.
Das Kraftwerk liegt 250 km nördlich von Tokio unmittelbar am Pazifik und gehört zu den Ortschaften Ōkuma und Futaba in der Präfektur Fukushima. Es ist das älteste Kernkraftwerk der ehemals staatlichen T333;ky333; Denryoku (Tokyo Electric Power Company – TEPCO), die auch das zwölf Kilometer südlich gelegene Kernkraftwerk Fukushima-Daini (Fukushima II) betreibt. Es hat sechs Reaktorblöcke, die bei Vollbetrieb bis zu 4,5 Gigawatt elektrische Nettoleistung erbrachten. Die Unfallserie im März 2011 beschädigte Block 1 bis 4 irreparabel, sodass sie aufgegeben werden mussten. Die japanische Regierung will das Kraftwerk vollständig stilllegen.[1]
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Bauweise
2 Lagerung abgebrannter Brennelemente
3 Konstruktionsmängel
4 Warnungen
5 Vertuschte Störfälle und mangelnde Kontrollen
6 Unfälle ab 11. März 2011
7 Siehe auch
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
Bauweise [Bearbeiten]
Luftaufnahme von 1975, Reaktorblöcke 4 bis 1 links im Bild, Block 5 rechts, daneben Block 6 im BauFukushima I besteht aus sechs Siedewasserreaktoren der dritten bis fünften Generation einer von General Electric entworfenen Linie von Siedewasserreaktoren (BWR/3, BWR/4 und BWR/5). General Electric und Toshiba bauten - teilweise gemeinsam - alle Reaktorblöcke außer Block 4, der von Hitachi erstellt wurde.[2] Der erste Reaktorblock ging 1971 in Betrieb. Die Reaktorkerne der Blöcke 1-5 befinden sich in einem als Mark I bezeichneten Sicherheitsbehälter (Containment) der ersten Generation. In Block 6 wurde ein Reaktor Bauart BWR/5 mit einem Sicherheitsbehälter des Typs Mark II verwendet. Der Bau von zwei weiteren fortgeschrittenen Siedewasserreaktoren war geplant.
Die Anlage bezieht ihr Kühlwasser aus dem Meer und hat insgesamt eine Fläche von ca. 3,5 km². Ab dem 21. August 2010 waren in Block 3 auch MOX-Brennelemente mit einer Mischung aus Uranoxid und Plutoniumoxid im Einsatz.[3]
Daten der Reaktorblöcke
Reaktorblock[4] Reaktortyp Reaktorkern (Containment) Hersteller Netto-
leistung Brutto
leistung thermische Leistung Baubeginn Netzsynchro-
nisation Betrieb
Fukushima I-1 Siedewasserreaktor BWR/3 (Mark I) General Electric 0439! 439 MW 0460! 460 MW 1380 MW 28. Juli 1967 17. November 1970 26. März 1971 - 11. März 2011 [f1]
Fukushima I-2 Siedewasserreaktor BWR/4 (Mark I) General Electric / Toshiba 0760! 760 MW 0784! 784 MW 2381 MW 9. Juni 1969 24. Dezember 1973 18. Juli 1974 - 11. März 2011
Fukushima I-3 Siedewasserreaktor BWR/4 (Mark I) Toshiba 0760! 760 MW 0784! 784 MW 2381 MW 28. Dezember 1970 26. Oktober 1974 27. März 1976 - 11. März 2011
Fukushima I-4 Siedewasserreaktor BWR/4 (Mark I) Hitachi 0760! 760 MW 0784! 784 MW 2381 MW 12. Februar 1973 24. Februar 1978 12. Oktober 1978 - 30. November 2010
Fukushima I-5 Siedewasserreaktor BWR/4 (Mark I) Toshiba 0760! 760 MW 0784! 784 MW 2381 MW 22. Mai 1972 22. September 1977 18. April 1978 - (unklar) [f2]
Fukushima I-6 Siedewasserreaktor BWR/5 (Mark II) General Electric / Toshiba 1067! 1067 MW 1100! 1100 MW 3293 MW 26. Oktober 1973 4. Mai 1979 24. Oktober 1979 - (unklar) [f2]
Fukushima I-7[5] Fortgeschrittener Siedewasserreaktor Toshiba 1325! 1325 MW 1380! 1380 MW aufgegeben [f3]
Fukushima I-8[5] Fortgeschrittener Siedewasserreaktor Toshiba 1325! 1325 MW 1380! 1380 MW aufgegeben [f3]
[f1] Reaktorblock 1 sollte Anfang 2011 stillgelegt werden. Im Februar 2011 hatte die Japanische Atomaufsichtsbehörde NISA die Laufzeit jedoch um zehn Jahre verlängert.[6]
[f2] Die Reaktorblöcke 5 und 6 wurden bei der Unfallserie im März 2011 nicht nennenswert beschädigt und sind noch voll funktionsfähig. Nach bisheriger Planung sollten sie noch bis 2018 bzw. 2019 weiter laufen.[7][8] Die japanische Regierung möchte die Anlage nun vollständig stilllegen, kann dazu aber noch keine abschließende Aussage treffen.[9] Daher ist das Laufzeitende dieser beiden Blöcke bis auf Weiteres unklar, auch wenn ihre erneute Inbetriebnahme entsprechend den Aussagen von Regierungssprecher Yukio Edano äußerst unwahrscheinlich ist.
[f3] Die Reaktorblöcke 7 und 8 sollten ab 2012 von Toshiba gebaut werden.[10] Anfang April 2011 gab Tepco diese Planung wegen der Unfallserie auf.[11]
Lagerung abgebrannter Brennelemente [Bearbeiten]
Aufbau eines Reaktorgebäudes, Abklingbecken blau dargestelltInnerhalb der Anlage existieren sieben Abklingbecken zur Zwischenlagerung verbrauchter (abgebrannter) Brennelemente. Je eines dieser Becken befindet sich im zweiten bis dritten Obergeschoss des jeweiligen Reaktorgebäudes; sie sind nicht durch den Sicherheitsbehälter geschützt. Ihre Gesamtkapazität beläuft sich auf 8310 Brennelemente. Das Volumen des Beckens von Block 1 beträgt 1020 m³, bei Block 2 bis 5 sind es 1425 m³ und bei Block 6 1497 m³.
Zudem gibt es seit 1997 direkt neben Reaktorblock 3 und 4 ein separates Abklingbecken für maximal 6840 Brennelemente. Außerdem können seit 1995 bis zu 900 weitere Elemente in speziellen Behältern trocken gelagert werden.[12][13][14]
Nach Angaben des Betreibers waren die sechs Abklingbecken der Reaktorblöcke im März 2010 zu 41 % genutzt, das separate Becken zu 92 % und die Trockenlagerung zu 45 %. Die gelagerte Brennstoffmenge wurde mit insgesamt 10149 Brennelementen bzw. 1760 Tonnen Uran angegeben, und die Neuproduktion abgebrannter Elemente mit etwa 700 pro Jahr.[13] Somit lagerten im März 2010 rechnerisch die verbrauchten Brennelemente aus 14 ½ Jahren Betrieb auf dem Kraftwerksgelände.
Im März 2011 lagerten auf dem Gelände des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi insgesamt 11.125 Brennelemente mit einem Gewicht von ungefähr 1.900 Tonnen, davon etwa 6000 im zentralen Abklingbecken.[15] In den Reaktorkernen und Abklingbecken der einzelnen Reaktorblöcke befand sich folgende Anzahl an Brennelementen:[16][17][18]
Lagerort Brennelemente
im Reaktorkern Brennelemente
im Abklingbecken Ungefähre Wärmeleistung
im Abklingbecken Volumen des
Abklingbeckens
Block 1 0400! 400 0292! 292 0060! 60 kW 1020 m³
Block 2 0548! 548 0587! 587 0400! 400 kW 1425 m³
Block 3 0548! 548 0514! 514 0200! 200 kW 1425 m³
Block 4 0000! 0 1331! 1331 2000! [Anm. 1] 2000 kW 1425 m³
Block 5 0418! 548 0946! 946 0700! 700 kW 1425 m³
Block 6 0634! 764 0876! 876 0600! 600 kW 1497 m³
1.↑ Zur Wärmeleistung in Abklingbecken 4 existieren verschiedene Schätzungen. Die Tabelle gibt die von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit veröffentlichten Daten wieder.
Ein einzelnes Brennelement besteht aus ungefähr 60 Brennstäben und wiegt etwa 170 kg.
Konstruktionsmängel [Bearbeiten]Nach den Unfällen im März 2011 wurden verschiedene Konstruktionsmängel des Kraftwerks bekannt, auf die Ingenieure, Seismologen und Aufsichtsbehörden seit langem hingewiesen hatten.
Der Sicherheitsbehälter Mark I, der in Fukushima I übernommen wurde, hatte ein mangelhaftes System zur Vermeidung eines Druckaufbaus zwischen innerer und äußerer Schutzhülle. Ein Sicherheitsexperte der Atomic Energy Commission der USA forderte deshalb 1971, den Einbau dieses Systems zu beenden und zu verbieten. Ein Verbot lehnte die AEC-Führung 1972 ab, da es die Atomindustrie der USA beenden könne. 1976 kündigten drei hochrangige Ingenieure bei General Electric wegen Sicherheitsbedenken zu Mark I.[19]
Einer davon, Dale Bridenbaugh, hielt die Auslegung des Mark I bei schweren Unfällen für unzureichend, regte einen Baustop während der Fehleranalyse an und kündigte, nachdem General Electric diesen ablehnte. Seines Wissens habe man die von ihm aufgewiesenen Design-Mängel in Fukushima I jedoch berücksichtigt. Der Sicherheitsbehälter sei keine direkte Unfallursache, aber in dem eingetretenen Fall von Erdbeben und Tsunami weniger „vergebend“ (nachgiebig) als andere Reaktorentypen gewesen.[20]
1985 hatte die US-Atomaufsicht (NRC) festgestellt, dass der Sicherheitsbehälter des Mark I in den ersten Stunden nach einer Kernschmelze versagen würde; ein NRC-Vertreter hielt dieses Versagen 1986 für zu 90% wahrscheinlich. Daraufhin wurde ein Ventilsystem entwickelt und in alle Mark I-Behälter eingebaut, das es erlaubt, radioaktiven Wasserdampf ungefiltert in die Atmosphäre zu entlassen.[21]
Nach Aussage des Ingenieurs Shiro Ogura, der am Bau von fünf der sechs Blöcke beteiligt war, wurden die für US-Standorte konzipierten Baupläne von General Electric beim Bau von Reaktorblock 1 ab 1967 unkritisch übernommen. Erst bei den weiteren Reaktorblöcken habe man diese Bauweise den japanischen Gegebenheiten angepasst. Auch dabei habe man die Gefahr von Tsunamis an diesem Küstenstandort nicht berücksichtigt. Erst 2007 habe man diese in Betracht gezogen und die Konstruktionsvorgaben überarbeitet. Die Kühlsysteme seien jedoch nach Vorgaben der Betreiberfirma nur für Erdbeben von maximal Stärke 8 auf der Richterskala ausgelegt worden. Ein stärkeres Erdbeben habe niemand für möglich gehalten. Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen habe er nie kritisiert.
Laut dem am Bau beteiligten Ingenieur Masashi Goto war das Notkühlsystem des Kraftwerks nicht als Sicherungssystem konzipiert. Man habe Ventile und Rohre nicht auf den erhöhten Druck bei einem Unfall ausgelegt, so dass schon zu Beginn der Unfallserie vom März 2011 Radioaktivität entwichen sei.[22]
Der Ingenieur Mitsuhiko Tanaka war 1974 am Bau eines Stahldruckkessels für Hitachi führend beteiligt, der sich heute im Reaktorblock 4 befindet. Er erklärte im März 2011, der Kessel habe sich bei der Herstellung verzogen. Er habe geholfen, dies zu vertuschen, um die gesetzlich verlangte Verschrottung des 250 Millionen US-Dollar teuren Kessels zu umgehen. Dafür habe er einen hohen Jahresbonus und eine Verdienstmedaille von der Firma erhalten. 1988, zwei Jahren nach der Katastrophe von Tschernobyl, habe er den Konstruktionsfehler des Kessels der Regierung Japans gemeldet. Hitachi habe seinen Bericht bestritten und die Regierung habe eine Untersuchung abgelehnt. Seit einem Treffen mit Tanaka 1988 hielt Hitachi daran fest, dass der Kessel kein Sicherheitsproblem darstelle.[23][24]
Die Bauweise von sechs Abklingbecken in Fukushima I über den Reaktoren außerhalb des Sicherheitsbehälters wird seit den Unfällen vom März 2011 verstärkt kritisiert, da sie die Gefahr von Beschädigungen und radioaktiven Emissionen erheblich vergrößere.[25] Japanische Atomaufseher beurteilen sie als fatale Fehlentscheidung: Man habe aus Kostengründen Investitionen in sicherere Möglichkeiten der Unterbringung unterlassen.[26]
Warnungen [Bearbeiten]Die Nuclear Regulatory Commission, die für Kernkraftsicherheit in den USA zuständig ist, warnte 1990 vor dem Ausfall von Notstromgeneratoren und damit der Kühlsysteme von Kraftwerken, die in für Erdbeben anfälligen Gebieten stehen. Sie bezeichnete diesen Ausfall als eins der wahrscheinlichsten Risiken. Die Japanische Atomaufsichtsbehörde NISA zitierte diesen Bericht 2004. Laut Jun Tateno, einem früher zur Japanischen Atomenergie-Agentur gehörigen Wissenschaftler, habe Tepco nicht auf diese Warnungen reagiert und keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Deshalb könne man die außergewöhnliche Stärke des Erdbebens vom März 2011 nicht als Entschuldigung gelten lassen.[27]
Filmemacher Adam Curtis hatte in einer Dokumentationsserie der BBC 1992 auf Risiken im Kühlsystem von Siedewasserreaktoren wie denen in Fukushima I hingewiesen[28], die seit 1971 bekannt waren.[29]
2005 und 2007 kam es zu Störfällen in drei japanischen Kernkraftwerken durch Erdbeben, deren Stärke bei der Auslegung von Reaktoren nicht einkalkuliert worden war. Der Seismologe Ishibashi Katsuhiko analysierte diese Fälle und warnte 2007 vor der „fundamentalen Verletzbarkeit“ japanischer Kernkraftwerke bei Erdbeben, deren zunehmende Stärke und Häufigkeit beim Bau vieler Kraftwerke in den 1970er Jahren schwer unterschätzt worden sei.[30] Katsuhiko mahnte damals fundamentale Verbesserungen der Sicherheitsstandards für japanische Kernkraftwerke an. Nach den Unfällen 2011 kritisierte er, die Atompolitik habe seit 2007 nichts dazugelernt. Auch die japanische Energiewirtschaft und akademische Elite hätten die Warnungen ignoriert. Laut General Electric sollen jedoch alle sechs Reaktoren die Sicherheitsanforderungen der Nuclear Regulatory Commission für Erdbeben erfüllt haben.[31]
Nach dem Erdbeben vom 16. Juli 2007 mit der Stärke 6,6 hatte Tepco die Standorte seiner Kraftwerke geologisch prüfen lassen, um ihre Belastbarkeit bei Erdbeben und Tsunamis festzustellen. Infolge dieser Prüfung wurde bei Fukushima I eine Schutzmauer von 5,7 m Höhe gegen Tsunamis errichtet. Einige Notstromgeneratoren befanden sich jedoch auf Bodenhöhe direkt am Meeresufer und waren unzureichend vor Überflutung geschützt. Für Atomsicherheitsexperten weist dies darauf hin, dass Tepco zwar die Reaktorgebäude sicher genug gebaut, aber den möglichen Ausfall der Notstromgeneratoren durch Tsunamis nicht berücksichtigt hat.
Der am Bau der Fukushima-I-Reaktoren beteiligte Ingenieur Masashi Goto erklärte, die Sicherheitsrichtlinien der Regierung hätten keinen Ersatz für den Ausfall von Notstromgeneratoren verlangt. Sie hätten von den Firmen nur eine freiwillige Anstrengung erbeten, die Containment-Kessel erdbebensicher zu bauen. Sie hätten nie mit einem Worst-case--Szenario gerechnet. - Die Atomsicherheitskommission Japans hatte 2009 gefordert, bei jedem Kernkraftwerk eine stationäre Feuerwehrbrigade bereitzuhalten, um Feuer nach Erdbeben sofort bekämpfen zu können.[32]
Tatsuya Ito, ein früherer Abgeordneter der Präfektur Fukushima im Nationalparlament, erklärte, er habe den Firmenvorstand von Tepco seit 2003 mindestens 20 Mal bei direkten Treffen vor der Tsunamigefahr gewarnt. 2002 habe ein von der Firma selbst angeforderter Bericht der Japan Society of Civil Engineers das Szenario eines Tsunamis nach einem Erdbeben der Stärke 9,5 beschrieben. 2005 habe er deshalb an den Präsidenten von Tepco einen Brief geschrieben. Die Firma habe jedoch alle Warnungen missachtet.[33]
Der Seismologe Yukinobu Okamura, Leiter des Erdbebenforschungszentrums (Active Fault and Earthquake Research Center) am AIST, hatte ein Regierungsgremium 2009 vor einem verheerenden Tsunami wie jenem aus dem Jahre 869 gewarnt, doch Tepco lehnte die Warnung „als zu wenig fundiert“ ab.[34][35]
Bei einer parlamentarischen Anfrage am 26. Mai 2010 hatte NISA-Vertreter Nobuaki Terasaka eingeräumt, dass ein kompletter Stromausfall die Reaktorkerne partiell schmelzen lassen und so die Kühlung ihrer Kernbrennstäbe unmöglich machen könne. Daher hätten die Betreiber die Kraftwerke mit vielen Ersatzstromquellen gesichert, die einen Stromausfall innerhalb weniger Stunden kompensieren sollten. Jun Tateno erklärte dazu, mit einem besseren Schutz dieser Ersatzgeneratoren auch gegen außergewöhnlich starke Erdbeben und hohe Tsunamis wären die Unfälle vom März 2011 vermeidbar gewesen.[36]
Vertuschte Störfälle und mangelnde Kontrollen [Bearbeiten]2002 wurde bekannt, dass Firmenvertreter über 16 Jahre lang Reparaturberichte über Tepcos Kernkraftwerke gefälscht und den Aufsichtsbehörden in hunderten Fällen sicherheitsrelevante Vorfälle verschwiegen hatten. Daraufhin gab der Vorstand von Tepco die Fälschungen zu, trat zurück und wurde von der Regierung ersetzt. Alle Tepco-Kernkraftwerke wurden heruntergefahren und drei Wochen lang überprüft. Am 16. Mai 2003 wurde Fukushima I erneut angefahren.[37]
Seit dem Vorstandswechsel 2002 kam es jedoch in Fukushima I zu mindestens sechs Notabschaltungen und einer siebenstündigen kritischen Reaktion in Reaktorblock 3. Auch diese Vorfälle wurden verschwiegen.[38]
Bei einem Erdbeben der Stärke 7,2 am 16. August 2005 lief radioaktives Wasser aus insgesamt drei Sammelbecken in Fukushima I und II. Nach Betreiberangaben gelangte es nicht in die Umgebung.[39] Bei einem weiteren Beben dieser Stärke am 14. Juni 2008 lief erneut eine geringe Menge radioaktives Wasser aus; seine Strahlung soll weit unterhalb der für Menschen gefährlichen Grenzwerte gelegen haben.[40]
Am 28. März 2007 berichtete das Wall Street Journal, Tepco habe die Inbetriebnahme der Blöcke 7 und 8 um ein Jahr auf das Jahr 2013 bzw. 2014 verschoben, um einen Unfall zu vertuschen.[41]
Am 1. März 2011 wies die NISA Tepco erhebliche Mängel bei Inspektion und Wartung nach. Am 21. März wurde bekannt, dass in Fukushima I 33 Geräte und Maschinen, darunter die Kühlpumpen, Dieselgeneratoren und Temperaturkontrollventile der Reaktorblöcke, seit elf Jahren nie sorgfältig kontrolliert worden waren.[42][43] Die NISA hatte Tepco eine Frist bis zum 2. Juni 2011 gesetzt, um einen Korrekturplan auszuarbeiten.[44]
Unfälle ab 11. März 2011 [Bearbeiten]→ Hauptartikel: Nuklearunfälle von Fukushima-Daiichi
Zustand der Reaktorblöcke 1 bis 4 (von rechts nach links) am 16. März 2011 nach mehreren Explosionen und BrändenInfolge des T333;hoku-Erdbebens am 11. März 2011 und des folgenden Tsunamis kam es in dem Kraftwerk durch umfangreiche Anlagenausfälle, insbesondere der elektrischen Energieversorgung, zu einer mangelnden Kühlung von Reaktorkernen und gelagerten Brennstäben. Dies führte zu einer Unfallserie mit Zerstörung der Reaktorblöcke 1 bis 4 und erheblichen Freisetzungen radioaktiver Stoffe. Acht Menschen im Kraftwerk verloren dabei ihr Leben.
Die Bevölkerung im Umkreis von zwanzig Kilometern Entfernung wurde evakuiert. Bewohner in einer Entfernung von zwanzig bis dreißig Kilometern zum Kraftwerk wurden zunächst aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben, und später, das Gebiet ebenfalls zu verlassen. Von der Evakuierung sind 70-80.000 Personen betroffen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse, Böden, Leitungswasser und Meerwasser in weitem Umkreis wurden mit Radioisotopen kontaminiert, teils mit einer vielfachen Überschreitung der Grenzwerte.
Die Vorfälle wurden von der japanischen Atomaufsichtsbehörde am 12. März zunächst als INES-Stufe 4 („Unfall“) eingestuft.[45] Am 18. März 2011 erhöhte die japanische Atomsicherheitsbehörde die Unfallstufe für die Blöcke 1 bis 3 auf INES 5 („Ernster Unfall“), während die Vorfälle in Block 4 als Stufe 3 („Ernster Störfall“) klassifiziert wurden.[46] Andere Organisationen kamen zu einer Gesamteinstufung von 6, Greenpeace zu Stufe 7.
Siehe auch [Bearbeiten]Kernenergie in Japan
Liste der Kernreaktoren in Japan
Weblinks [Bearbeiten] Commons: Kernkraftwerk Fukushima I – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikinews: Kernkraftwerk Fukushima I – in den Nachrichten
Leistungsdaten Fukushima Daiichi nach Daten des Power Reactor Information System (PRIS) der IAEA
Informationen zur Lage in den Kernkraftwerken bei der GRS
Webcam Kernkraftwerk Fukushima I
IAEA-Liste der Japanischen Kernkraftwerke (englisch)
Japanische Atomaufsichtsbehörde NISA (englisch)
Japanisches Atom Industrie Forum JAIF (englisch)
Kraftwerksbetreiber TEPCO (Tokyo Electric Power Company) (englisch)
Ortsdosisleistung für Fukushima-Daiichi (japanisch)
Aufbau und Funktionsweise von General-Electric-Siedewasserreaktoren (englisch)
Einzelnachweise [Bearbeiten]1.↑ Fukushima nuclear plant to be decommissioned: Gov't. Kyodo News, 20. März 2011, abgerufen am 21. März 2011 (englisch).
2.↑ Übersichtstabelle der GRS, abgerufen 07.04.2011
3.↑ MOX fuel loaded into Tokyo Electric's old Fukushima reactor. Kyodo News, 22. August 2010, abgerufen am 13. März 2011 (HTML, englisch).
4.↑ Japan: Nuclear Power Reactors – Alphabetic. In: Power Reactor Information System. IAEA, abgerufen am 12. März 2011 (englisch).
5.↑ a b Nuclear Power in Japan. World Nuclear Association, 24. Februar 2011, abgerufen am 18. März 2011 (englisch).
6.↑ Mari Yamaguchi, Jeff Donn: Japan quake causes emergencies at 5 nuke reactors. In: Forbes Magazine. Associated Press, 11. März 2011, abgerufen am 13. März 2011 (HTML, englisch).
7.↑ NUKE DATABASE SYSTEM: FUKUSHIMA DAIICHI-5. Izobraževalni center za jedrsko tehnologijo, abgerufen am 14. März 2011 (englisch).
8.↑ NUKE DATABASE SYSTEM: FUKUSHIMA DAIICHI-6. Izobraževalni center za jedrsko tehnologijo, abgerufen am 14. März 2011 (englisch).
9.↑ Fukushima nuclear plant to be decommissioned: Gov't. Kyodo News, 20. März 2011, abgerufen am 21. März 2011 (englisch).
10.↑ Toshibas Nuclear Enery Activities. Toshiba (11. Dezember 2010). Abgerufen am 5. April 2011.
11.↑ TEPCO to drop plan to add 2 reactors at Fukushima nuclear plant (en). Kyodo News (4. April 2011). Abgerufen am 5. April 2011.
12.↑ Reactor Concepts Manual – Boiling Water Reactor (BWR) Systems. Abgerufen am 19. März 2011 (pdf, englisch).
13.↑ a b Präsentation der Tokyo Electric Power Company vom Oktober 2010. Archiviert vom Original am 22. März 2011, abgerufen am 16. März 2011 (pdf, englisch).
14.↑ Kurzübersicht aktuelle Sicherheitslage. 19. März 2011, abgerufen am 19. März 2011 (pdf).
15.↑ GRS Informationen zu der Lage in den japanischen Atomkraftwerken. Abgerufen am 17. März 2011.
16.↑ Fuel Amounts at Fukushima. In: All Things Nuclear. 21. März 2011, abgerufen am 21. März 2011 (englisch).
17.↑ Kurzübersicht aktuelle Sicherheitslage. 19. März 2011, abgerufen am 19. März 2011 (pdf).
18.↑ More on Spent Fuel Pools at Fukushima. In: All Things Nuclear. 21. März 2011, abgerufen am 22. März 2011 (englisch).
19.↑ Paul Gunter, März 1996, Michael Mariotte, März 2011 (Nuclear Information and Resource Service): Hazards of Boiling Water Reactors in the Unites States
20.↑ Newsdaily/Reuters, 15. März 2011: Japan reactor design caused GE engineer to quit
21.↑ Paul Gunter, März 1996, Michael Mariotte, März 2011 (Nuclear Information and Resource Service): Hazards of Boiling Water Reactors in the Unites States
22.↑ Süddeutsche Zeitung, 19. März 2011: Kopflos in die Katastrophe
23.↑ Jason Clenfield (Bloomberg, 18. März 2011): Japan Disaster Caps Decades of Faked Reports, Accidents
24.↑ Japan Times, 24. März 2011: Defect concealed in Fukushima No. 4 reactor
25.↑ Christoph Seidler (Der Spiegel, 16. März 2011): Abklingbecken deutscher Meiler: Gefahr in Kobaltblau
26.↑ Kevin Krolicki, Ross Kerber (Reuters/The West, 22. März 2011): Special Report: Fuel storage, safety issues vexed Japan plant
27.↑ Makiko Kitamura, Maki Shiraki (Bloomberg, 16. März 2011): Japan’s Reactor Risk Foretold 20 Years Ago in U.S. Agency Report
28.↑ Adam Curtis: A Is For Atom. In: bbc.co.uk. British Broadcasting Corporation, 16. März 2011, abgerufen am 2. April 2011 (englisch, Film Pandoras Box, Teil 6).
29.↑ Ralf Streck (22. März 2011). Notkühlprobleme von Fukushima-Reaktoren seit 1971 bekannt. Telepolis. Heise Zeitschriften Verlag. Archiviert vom Original am 1. April 2011. Abgerufen am 1. April 2011.
30.↑ The Guardian, 12. März 2011: Japan ministers ignored safety warnings over nuclear reactors
31.↑ Jason Clenfield (Bloomberg, 18. März 2011): Japan Disaster Caps Decades of Faked Reports, Accidents
32.↑ Richard Gray, Michael Fitzpatrick (Telegraph, 19. März 2011): Japan nuclear crisis: tsunami study showed Fukushima plant was at risk
33.↑ Makiko Kitamura, Maki Shiraki (Jakarta Globe, 18. März 2011): Tepco Ignored Warnings About Tsunami Risk, Ex-Lawmaker Says
34.↑ Erdbeben - Tsunami - Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima. vdi-nachrichten.com. VDI Verlag (1. April 2011). Archiviert vom Original am 1. April 2011. Abgerufen am 1. April 2011.
35.↑ Researcher warned 2 years ago of massive tsunami striking nuclear plant (Englisch). Japan Today (27. März 2011). Archiviert vom Original am 1. April 2011. Abgerufen am 1. April 2011.
36.↑ Kyodonews, 3. April 2011: Gov't aware of possibility of reactor core's meltdown before quake
37.↑ Japan: Betreiber fährt nach Skandal Reaktor wieder an. 7. Mai 2003, abgerufen am 12. März 2011.
38.↑ Jason Clenfield (Bloomberg, 18. März 2011): Japan Disaster Caps Decades of Faked Reports, Accidents
39.↑ Der Spiegel, 17. August 2005: Erdbeben in Japan: Radioaktives Wasser ausgelaufen
40.↑ Der Spiegel, 14. Juni 2008: Tote und Verletzte: Schweres Erdbeben erschüttert Nordosten Japans
41.↑ TEPCO verschiebt Fertigstellung von Kernkraftwerk. 28. März 2007, abgerufen am 12. März 2011.
42.↑ Christoph Neidhart (21. März 2011). Fukushima-1: Mangelhafte Wartung - Betreiber Tepco fälschte Reparatur-Protokolle. Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 2. April 2011.
43.↑ Reaktorkatastrophe: Fukushima-Betreiber schlampte bei Kontrollen. Spiegel Online (21. März 2011). Abgerufen am 2. April 2011.
44.↑ AKW-Unglück: Fukushima-Betreiber hat bei Kontrollen gepfuscht. Zeit Online, 21. März 2011, archiviert vom Original am 2. April 2011, abgerufen am 2. April 2011.
45.↑ Explosion in Fukushima 1 als „Unfall“ eingestuft. NZZ Online, 12. März 2011, abgerufen am 12. März 2011.
46.↑ Informationen zur Lage in den japanischen Kernkraftwerken Fukushima, Onagawa und Tokai. Gesellschaft für Reaktorsicherheit, 18. März 2011, abgerufen am 18. März 2011.
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