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Wicki schrieb am 27.7. 2016 um 22:40:19 Uhr über

Fugu

Fugu (jap. 河豚) ist eine japanische Spezialität, die aus dem Muskelfleisch von Kugelfischen besteht.

In einer besonderen Zubereitungstechnik werden die durch das darin enthaltene Tetrodotoxin hochgiftigen Körperteile wie Darm, Rogen, Leber und je nach Kugelfischart auch die Haut vorsichtig entfernt und nur das meist ungiftige Muskelfleisch verwendet.[1][2][3] Daher muss heute in Japan jeder, der mit Fang, Handel oder Zubereitung zu tun hat, eine spezielle Lizenz besitzen. Für die Zubereitungslizenz muss der Koch zwei Jahre in einem Fugurestaurant gearbeitet haben und dann eine Prüfung ablegen. In der Schweiz ist diese Lebensmittelgewinnung verboten,[4] was bedeutet, dass Fugu nur für den privaten Konsum importiert werden darf.

Heute können allerdings mithilfe einer besonderen Ernährung auch ungiftige Kugelfische herangezogen werden, da die Fische das Gift nicht selbst herstellen, sondern seine Bestandteile mit ihrer Nahrung aufnehmen.

Inhaltsverzeichnis

1 Etymologie
2 Arten, Geschmack und Darreichung
3 Gefährlichkeit und Verbote von Kugelfischkonsum
4 Kugelfischfang und giftfreie Aufzucht
5 Fugu in der Populärkultur
6 Weblinks
7 Einzelnachweise

Etymologie

Im Altertum hieß der Fisch Fuku und wird auch heute noch im Raum Shimonoseki so bezeichnet. Den Namen erhielt er deshalb, weil sich der Fisch mit Wasser aufbläst und dieses beim Fangen herausspritzt, was sich wie pūpū anhört[5] – /f/ und /p/ sind im Japanischen beides stimmlose Bilabiale.

Geschrieben wurde er als 布久 oder 鰒. Ersteres ist eine phonetische Schreibweise und findet sich erstmals im Wörterbuch Wamyō Ruijushō von 938. 鰒 ist dagegen viel jüngeren Datums und stammt aus der Edo-Zeit, wo es in der illustrierten Enzyklopädie Wakan Sansai Zue von 1712 verwendet wird.[5] Dasselbe Schriftzeichen allerdings mit der Aussprache awabi bezeichnet aber auch Seeohren.

Die heutige übliche Kanji-Schreibweise 河豚 bedeutet wörtlich „Flussschwein“ und stammt aus China, wo es den im Jangtsekiang heimischen Takifugu obscurus (jap. mefugu) bezeichnete. DasSchweinbezieht sich auf bereits vorher genannten Laut, der an ein Schwein erinnert, als auch dessen wohlschmeckendes Fleisch.[5]
Arten, Geschmack und Darreichung
Fugu-Verkauf in einer Marktstraße in Ōsaka, Japan

Fugu wird zumeist in Restaurants angeboten, die sich auf das Zubereiten von Kugelfischen spezialisiert haben. Die Restaurants erkennt man oft an einem getrockneten und aufgeblasenen Kugelfisch am Eingang. Er ist wegen der nötigen Sicherheitsmaßnahmen und der Spezialausbildung der Köche teuer und gilt als Statussymbol. Der Fisch wird zumeist als Sashimi roh in hauchdünnen Scheiben, jedoch auch frittiert oder gebraten (karage) verzehrt oder in einer Suppe zubereitet. Um den Rohfischgeschmack voll wahrzunehmen, werden traditionell zwei bis drei Scheiben übereinandergelegt in den Mund gesteckt, die üblicherweise zuvor mit Sojasauce (Shōyu) benetzt werden. Sein Geschmack wird meist als fade beschrieben. Die Kunst der Zubereitung liegt darin, gerade noch ohne ernsthafte Vergiftungserscheinungen tolerierbare Giftdosen zu verabreichen, die neben einem prickelnden Taubheitsgefühl im Mund beim Gast auch rauschhafte Euphorie auslösen sollen.[2]

Folgende Kugelfisch-Arten werden vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales als für den Verzehr geeignet erlaubt, wobei Leber, Eierstöcke und Gedärme als generell sehr giftig bis tödlich gelten:[6]
Name Giftigkeit / zum Verzehr erlaubt (grün = ja, gelb = teilweise, rot = nein)
Wissenschaftlich Japanisch Hoden Haut Muskelfleisch
Takifugu chrysops Akamefugu ungiftig sehr giftig ungiftig
Lagocephalus inermis Kanafugu ungiftig ungiftig ungiftig
Takifugu chinensis Karasu ungiftig ungiftig ungiftig
Takifugu niphobles Kusafugu schwach giftig sehr giftig schwach giftig
Lagocephalus gloveri Kurosabafugu ungiftig ungiftig ungiftig
Takifugu stictonotus Gomafugu ungiftig schwach giftig ungiftig
Takifugu poecilonotus Komonfugu sehr giftig sehr giftig schwach giftig[Anm. 1]
Takifugu flavidus Sansaifugu schwach giftig sehr giftig ungiftig
Takifugu xanthopterum Shimafugu ungiftig ungiftig ungiftig
Takifugu snyderi Shōsaifugu ungiftig sehr giftig ungiftig
Lagocephalus wheeleri Shirosabafugu ungiftig ungiftig ungiftig
Takifugu rubripes Torafugu ungiftig ungiftig ungiftig
Takifugu vermicularis[7] Nashifugu ungiftig[Anm. 2] tödlich ungiftig[Anm. 3]
Takifugu pardalis Higanfugu schwach giftig sehr giftig ungiftig[Anm. 4]
Takifugu porphyreus Mafugu ungiftig sehr giftig ungiftig
Takifugu obscurus Mefugu ungiftig sehr giftig ungiftig
Sphoeroides pachygaster Yoritofugu ungiftig ungiftig ungiftig
Fugu-Sashimi

Anmerkungen:

Verzehr verboten für Fänge aus der Okirai-Bucht (越喜来湾, Okirai-wan) bei Ōfunato, der Kamaishi-Bucht (釜石湾, Kamaishi-wan) bei Kamaishi, sowie der Ogatsu-Bucht (雄勝湾, Ogatsu-wan) bei Ogatsu, Ishinomaki.
Verzehr der Hoden möglich für Fänge aus der Ariake-See und Tachibana-Bucht, nach einer von der Präfektur Nagasaki festgelegten Verarbeitungsweise.
Verzehr des Muskelfleisches möglich für Fänge aus der Ariake-See, Tachibana-Bucht und der Seto-Inlandsee von Kagawa und Okayama.

Verzehr verboten für Fänge aus der Okirai-Bucht (越喜来湾, Okirai-wan) bei Ōfunato, sowie der Kamaishi-Bucht (釜石湾, Kamaishi-wan) bei Kamaishi.

Unter die Bezeichnung Fugu fallen aber auch die Igelfisch-Arten Grauer Igelfisch (Ishigakifugu), Braunflecken-Igelfisch (Harisenbon), Masken-Igelfisch (Hitozura-Harisenbon) und Gepunkteter Igelfisch (Nezumifugu) bei denen Hoden, Haut und Muskelfleisch essbar sind, sowie die Kofferfisch-Art Ostracion immaculatus (Hakofugu), deren Hoden und Muskelfleisch essbar sind.[6]
Gefährlichkeit und Verbote von Kugelfischkonsum
Gebratene Fugu-Fischmilch

Die Wirkung wie auch die Gefährlichkeit der Kugelfische werden bereits im ältesten chinesischen Kräuterbuch (Pen tsao chin) erwähnt.

Während der Muromachi-Zeit (14.–16. Jahrhundert) wurde ein allgemeines Verzehrverbot erlassen. Bei Samurai wurde eine Fuguvergiftung als sinnloser Tod betrachtet und führte zur Aufhebung der Besoldung der ganzen Familie. Als der Premierminister Itō Hirobumi 1888 im Restaurant Shunpanrō (春帆楼) in Shimonoseki in der Präfektur Yamaguchi Kugelfischund von dessen Geschmack begeistert war, hob der Gouverneur dieser Präfektur Hara Yasutarō das Verbot für diese auf. Andere Gegenden Japans folgten, wobei sich in Ōsaka das Verbot bis 1941 hielt.[5]

Die Zahl der in Japan in den Jahren 1956 bis 1958 an Fugu-Vergiftung gestorbenen Menschen beläuft sich auf 420. Seit die Handhabung des Fisches in Japan Lizenzen erfordert, ist diese Zahl quasi auf Null zurückgegangen. Die durchschnittlich fünf Japaner im Jahr, die auch heute noch nach Kontakt mit Fugu-Innereien sterben, waren bisher ausnahmslos Privatleute, die ohne Lizenz mit dem Fisch arbeiteten oder bewusst die gifthaltige Leber als Rauschmittel konsumierten (seit 1983 verboten). Fugu ist auch das einzige Nahrungsmittel, das den Mitgliedern der kaiserlichen Familie nicht aufgetischt werden darf. Eine moderne Legende ist, dass Fugu-Köche, in deren Restaurant Leute vergiftet wurden, Seppuku (rituellen Selbstmord) begingen.

Nach deutschem Recht darf Fugu nicht zum Verzehr nach Deutschland importiert werden. Diesen Umstand nutzte die hessische Partei Die Grünen 1985 für einen Scherz, als sie in die Koalitionsvereinbarung mit der SPD ein fiktives Shanghaier Kugelfischabkommen aufnahm, das angeblich die Fristen von Arbeitserlaubnissen für Fugu-Köche verlängern sollte.

In den USA haben einige wenige japanische Restaurants die Erlaubnis, Fugu zu servieren; dieser darf allerdings nicht vor Ort zubereitet, sondern muss filetiert und tiefgefroren aus Japan importiert werden.
Kugelfischfang und giftfreie Aufzucht

Fugu ist eine Spezialität verschiedener japanischer Hafenstädte der Präfektur Yamaguchi, z. B. Shimonoseki, da in dieser Region das Tiefenwasser nahe dem Meeresgrund die von den Fischen bevorzugte Temperatur von 13 Grad Celsius aufweist. Gefischt wird durch Schleppfischen mit der Besonderheit, dass der Fisch sich beim Einholen infolge Druckabfalls aufbläht und ohne nachfolgende Manipulation kieloben im Fangbehälter treibt. Dem wird abgeholfen, indem ein gezielter Stich hinter die Kiemenflosse die Luft ablässt.

Tamao Noguchi von der Universität Nagasaki hat nach jahrelangen Forschungen giftfreie Kugelfische der Art Takifugu rubripes aufziehen können. Durch eine tetrodotoxinfreie Nahrung wachsen die Kugelfische giftfrei heran.[8] Das japanische Gesundheitsministerium will jedoch so lange keine Genehmigung für den Verkauf dieser Art erteilen, bis geklärt ist, wie das Gift im Fisch entsteht.[9] Kugelfischzüchter halten diese Beschränkung für eine willkürliche Schutzbestimmung zugunsten der Fugu-Köche.[10]
Fugu in der Populärkultur

In der Columbo-Folge Mord à la Carte (1978, Regie: Jonathan Demme) bringt der Mörder sein Opfer mit Fugugift um.
In der Hulk-Folge Goldrausch in Chinatown (1981, Regie: Jack Colvin) verwandelt sich David Banner nach dem Konsum von giftigem Fugu in den Hulk.
In der Simpsons-Folge Die 24-Stunden-Frist (1991, Regie: Wesley M. Archer) glaubt Homer, dass er nur noch 24 Stunden zu leben hat, weil er in einem Sushi-Restaurant Fugu gegessen hat, der nicht von dem ansässigen Meisterkoch zubereitet wurde.
In der CSI: NY-Folge Todesgrüße auf Vinyl (2004) kommt eine Frau ums Leben, da sie über Umwege (Nagellack) das Fugugift konsumiert.[11]

Weblinks
Commons: Takifugu rubripes – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Kugelfisch (Fugu) - Informationszentrale gegen Vergiftungen NRW
Was macht den japanischen Kugelfisch so giftig?“ National Geographic, 2005
Fugu - Delikatesse mit Risiko- Radiosendung „Mahlzeitmit Udo Pollmer bei Deutschlandradio Kultur, 29. März 2009

Einzelnachweise

Klaus Roth, Chemische Delikatessen, 1. Auflage 2007, ISBN 978-3-527-31984-8, Seite 142
Thomas Hauer: Das Geheimnis des Geschmacks: Aspekte der Ess- und Lebenskunst. Anabas Verlag, 2005, ISBN 3-8703-8366-6, Seite 17
Japan, Lonely Planet Verlag, ISBN 3829716214, S. 100
Verordnung des EDI über Lebensmittel tierischer Herkunft Art. 2g (PDF; 623 kB)
虎河豚(とらふぐ). In: 日本の旬・魚のお話. Shinkō Gyorui K.K., abgerufen am 21. Oktober 2011 (japanisch).
自然毒のリスクプロファイル:魚類:フグ毒. Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales, archiviert vom Original am 27. Juli 2011, abgerufen am 31. August 2014 (japanisch).
Takifugu vermicularis (ナシフグ). In: Aquatic Organisms. 独立行政法人 水産総合研究センター, abgerufen am 12. Februar 2012 (japanisch).
Tamao Noguchi, Osamu Arakawa und Tomohiro Takatani: Toxicity of pufferfish Takifugu rubripes cultured in netcages at sea or aquaria on land. In: Comparative Biochemistry and Physiology Part D: Genomics and Proteomics, Volume 1, Issue 1, March 2006, p. 153-157, doi:10.1016/j.cbd.2005.11.003.
Der ungiftige Kugelfisch“ (Memento vom 10. September 2008 im Internet Archive), tagesschau, 10. September 2008
If the Fish Liver Cant Kill, Is It Really a Delicacy?“ New York Times, 4. Mai 2008
chemistrydaily.com


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