Umwelt
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Nikolas Westerhoff
Kriegswaffe Umwelt
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ÖKOLOGISCHE SCHADENSBILANZObwohl vom
Völkerrecht verboten, kam es im Zuge militärischer
Interventionen immer wieder zu massiven Eingriffen in
Natur und Umwelt
Agent Orange hieß das ökologische Kampfmittel, mit dem die
US-Streitkräfte im Vietnamkrieg (1965-1973) die Mangroven-
und Regenwälder entlaubten. Diese Herbizidmischung, die ein
hoch toxisches Dioxin enthielt, zerstörte zum einen die
Lebensgrundlage der vietnamesischen
Volksbefreiungsbewegung Vietcong, zum andern gelangten die
Herbizide über Umwege in die Nahrungskette. Die rund 72,4
Millionen Liter Herbizide, die von den USA im Vietnamkrieg
eingesetzt wurden, verringerten nachweislich die Biomasse,
vernichteten Pflanzen und töteten eine Vielzahl von
Kleinlebewesen. In Vietnam wurden 44 Prozent des Waldes und
43 Prozent der Ackerflächen durch Herbizide verseucht; weite
Teile Südvietnams sowie das Aluoi-Tal in Zentralvietnam und die
Region um Saigon gelten als besonders betroffen.
Vernichtungsstrategie im Vietnamkrieg
Auf der ersten Wissenschaftskonferenz zu den Folgen von
»Agent Orange« in Hanoi im Sommer 2002 präsentierten
kanadische Wissenschaftler ihre Ergebnisse: Danach lässt sich
selbst bei zwölfjährigen vietnamesischen Kindern noch eine stark
erhöhte Dioxin-Konzentration im Blut feststellen. In der Region
von Bien Hoa etwa, in der die US-Streitkräfte während des
Vietnam-Kriegs stationiert waren, stellten die Forscher einen um
den Faktor zehn erhöhten Dioxin-Wert im Blut von Erwachsenen
und Kindern fest. Außerdem, so die Forscher, waren die
Agrarböden von Bien Hoa zehn Mal so verseucht wie die am
stärksten belasteten Böden in Europa. Der Vietnamkrieg ist aus
Sicht der Wissenschaft eine Paradebeispiel dafür, wie sich die
Umwelt als Waffe einsetzen lässt.
»Im Vietnamkrieg«, meint auch der Umweltexperte Knut
Krusewitz, »machte die kriegsführende Partei USA erstmals in
der Militärgeschichte eine wissenschaftlich angeleitete
Manipulation der Natur zum integralen Bestandteil ihrer
Kriegsstrategie«. Zwar waren schon die Römer davon überzeugt,
dass es legitim sei, im Zuge eines als gerecht angesehenen
Krieges (bellum iustum) die Umwelt des Gegners zu zerstören,
seine Ernte zu vernichten, seine Obstbäume zu fällen oder seine
Höfe nieder zu brennen. Und so haben denn auch schon die
Römer im 3. Punischen Krieg (143-146 v. Chr.) nicht nur
Karthago vollständig zerstört, sondern auch die Äcker des
Feindes mit Salz bestreut, um den Bewohnern der Stadt die
Lebensgrundlage zu entziehen.
Dennoch ist es aus Sicht von Knut Krusewitz nicht haltbar, die von
zivilen Wissenschaftlern akribisch vorbereitete Manipulation der
Umwelt mit den »archaischen« Kriegsmethoden der Römer zu
vergleichen. »Das Neuartige moderner Umweltkriegsführung
besteht darin, dass sich die Wissenschaft in den Dienst des
Militärs stellt. Ohne das Engagement der zivilen Forscher wäre
es im Vietnam-Krieg nicht möglich gewesen, die Umwelt als
Waffe einzusetzen«.
EMNOD - das erste
Umweltkriegsverbotsabkommen
Als Reaktion auf die dramatischen Umweltfolgen in Vietnam legte
die Sowjetunion ein Jahr nach Kriegsende der
Generalversammlung der Vereinten Nationen einen
Vertragsentwurf vor, der den militärischen Missbrauch der
Umwelt in Zukunft verbieten sollte. Die von der
Abrüstungskommission der UNO erarbeitete Konvention
ENMOD (»Umweltkriegsverbotsabkommen«) erklärte es 1977
für unrechtmäßig, im Zuge einer militärischen
Auseinandersetzung die Ozonschicht eines Landes zu zerstören,
Flüsse umzuleiten, Erdbeben auszulösen oder gefährliche Stoffe
in die Nahrungskette einzubringen. Die Sowjetunion forderte
darüber hinaus, die Atombombe als »Umweltwaffe« zu
deklarieren. Doch ihre Forderung scheiterte am Widerstand der
USA, die nicht auf die Atomwaffe verzichten wollte.
Die ENMOD-Konvention wurde von der UN noch im selben Jahr
durch das so genannte Zusatzprotokoll I ergänzt: Während sich
ENMOD auf die Ökologie bezieht, also auf die natürliche Umwelt
des Menschen, wird im Zusatzprotokoll I der Umweltbegriff
ausgeweitet. Danach gelten auch Kulturlandschaften, Infrastruktur
und Wohnungen als »Umwelt«. Durch das Umweltabkommen von
1977 wurde Umweltrecht und humanitäres Völkerrecht erstmals
miteinander verknüpft.
Doch trotz dieses Umweltabkommens kam es in der Folgezeit
immer wieder zu Militäraktionen, die mit gravierenden
ökologischen Schäden einhergingen. ENMOD blieb faktisch
wirkungslos. Das Problem der ENMOD-Konvention besteht für
Knut Krusewitz darin, »dass ENMOD nur die gezielte
Manipulation der Umwelt verbietet, schwere Umweltschäden als
Nebenwirkungen moderner Kriege aber in Kauf nimmt.«
Kollateralschäden groß angelegter militärischer Operationen sind
nach Ansicht des Völkerrechtlers Peter Oerter folglich denn auch
kein Verstoß gegen die Konvention, solange sie »dem
Grunderfordernis der militärischen Notwendigkeit« unterliegen.
Von Kuwait nach Kosovo ...
So setzten die alliierten Streitkräfte im Golf-Krieg 1991 etwa 340
Tonnen uranhaltige Munition ein. Und auch im Kosovo-Krieg
wurden elf Tonnen davon angewendet. Nach Meinung von Pekka
Haavisto von UNEP, dem Umweltprogramm der UNO, ist jedoch
nicht davon auszugehen, dass die von der NATO abgefeuerten
Uran-Projektile das Trinkwasser im Kosovo kontaminiert hätten.
Dennoch haben die UN eine sofortige Entfernung aller Projektile
angeordnet, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.
Ob uranhaltige Munition ins Trinkwasser und damit in die
Nahrungskette gelangt ist oder nicht, darüber herrscht unter
Wissenschaftlern derzeit keine Einigkeit.
Die NATO als kriegsführende Partei wiegelt ab und bezeichnet
die uranhaltige Munition lakonisch als »legale Waffe«, von der
keine größeren Schäden verursacht worden seien. Im
Widerspruch dazu steht jedoch der Befund eines britischen
Ärzteteams vom Londoner Imperial College: Der Forscher Brian
Spatt und seine Kollegen verweisen darauf, dass durch den
Einsatzes uranhaltiger Munition bei einigen Soldaten schwere
Nierenschäden aufgetreten seien. Am Beispiel der uranhaltigen
Munition wird deutlich, wie schwer es ist, die Umweltfolgen einer
bestimmten Kriegstechnik nachzuweisen - insbesondere dann,
wenn die NATO als kriegsführende Partei nicht bereit ist, an der
Aufarbeitung mitzuwirken.
... bis zum Irak
Als sicher kann hingegen gelten, dass der irakische
Staatspräsident Saddam Hussein im Golf- Krieg 1991 gegen
das ENMOD- Abkommen verstieß, als er 550 der rund 1.200
kuwaitischen Ölfelder in Brand setzte und zirka 1,7 Millionen
Tonnen Öl ins Meer pumpen ließ. Er setzte die Ölquellen als
»primäre Umweltwaffe« ein, um die Angriffe der alliierten
Streitkräfte zu behindern. Nach Ansicht von Uwe Raffalski von der
Firma Cold Lab AB (Schweden) sollte durch das ins Meer
geleitete Öl die Landsetzung der alliierten Truppen erschwert
werden. Doch selbst dieser Verstoß gegen die
ENMOD-Konvention wurde von der Völkergemeinschaft nicht
weiter sanktioniert, obwohl die ökologischen Folgenschäden
dieses Vorgehens verheerend waren. So verseuchte das Öl
1.500 Kilometer Strand; dabei starben fast die gesamte
Strandvegetation und Strandfauna wie Krebse und Krabben, und
das auslaufende Öl belastete nicht nur das Meer, sondern auch
den Wüstenboden. Nach Angaben von Bertrand Charrier, dem
Direktor des internationalen Green Cross bildeten sich in Kuwait
246 Ölseen in der Wüste mit einem Umfang von 49
Quadratkilometern. Ein Teil des Öls versickerte und verschmutzte
40 Prozent des kuwaitischen Trinkwassers.
Doch nicht nur der irakische Diktator verstieß mit seinem
Verhalten gegen die ENMOD-Konvention. Auch die USA und die
Türkei nutzten im damaligen Golf-Krieg die Umwelt als Waffe. Auf
Drängen der USA griff die türkische Regierung kurz vor Beginn
des Golf-Krieges in das natürliche Wasserregime des Iraks ein.
Indem die Türkei das Wasser des beide Länder durchquerenden
Flusses Tigris aufstaute, verringerte sie die Wasserzufuhr im Irak
um 40 Prozent. Der Einsatz dieser Waffe schädigte die irakische
Zivilbevölkerung mehrfach. Zum einen erhöhte sich in der
Folgezeit die Menge an kriegsbedingten gefährlichen
Schadstoffen im Fluss, zum andern konnte das Agrargebiet an
Euphrat und Tigris nicht mehr ausreichend bewässert werden,
wodurch es zu Ernteausfällen kam.
Wegen des Staudamm-Projekts der Türkei am Oberlauf von
Euphrat und Tigris sind mittlerweile 90 Prozent der irakischen
Feuchtgebiete ausgetrocknet. Der Chef des
UN-Umweltprogramms UNEP, Klaus Töpfer, sieht darin »eine
große Umweltkatastrophe«. Die strategische Entwässerung der
Euphrat- und Tigris-Region wurde jedoch nicht nur von der
türkischen Regierung betrieben. Auch Saddam Hussein soll nach
Auffassung der UNEP daran mitgewirkt haben, die
Feuchtgebiete trocken zu legen. Er sah darin ein probates Mittel,
um die oppositionellen Volksgruppen in der Euphrat-Region zu
schikanieren.
Die ENMOD-Konvention eignet sich nicht dazu, kriegsbedingte
Umweltfolgen zu verhindern. Deshalb fordert UNEP-Chef Klaus
Töpfer eine neue und wirkungsvollere Konvention zum Schutz der
Umwelt. Diese neue Konvention solle, so Töpfer, in Anlehnung an
die Genfer Menschenrechtskonvention formuliert werden. Schon
jetzt zeichnet sich ab, wie nötig es wäre, ein neues
Umweltabkommen zu verabschieden: Denn bereits drei Wochen
nach Kriegsbeginn im Irak lassen sich ökologische
Folgeschäden nachweisen. Im Schatt el Arab, der Wasserstraße
zum Persischen Golf, ist nach Angaben der UNEP die
Planktonproduktion gestiegen. Der Grund: Durch die
Bombardierungen wurden die lokalen Klärwerke beschädigt,
weshalb vermehrt ungefilterte Abfälle ins Meer gelangten.
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