Reemtsma
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Interview mit Jan Phillip Reemtsma über seine Gefühle im Verfahren, über Trauma und Ohnmacht, Religion und Tod
Die Zeit, vom 25.Jan.2001, Nr.5, S.12 ff
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DZ: Sie haben damals im Keller von den Entführern die Bibel als Lektüre angefordert und nicht bekommen.
JPR: Ich wollte sie als dickes Buch. Und die Täter hätten nicht in eine Buchhandlung gehen müssen, um eine zu beschaffen. Sie hätten eine aus der Dorfkirche stehlen können.
DZ: Im Neuen Testament wird Reichtum oft mit Unfreiheit gleichgesetzt. Ein Beispiel ist der reiche Jüngling, der Jesus nachfolgen will, aber es nicht kann, weil Jesus von den Jüngern fordert, sich vom Reichtum loszureißen. Wie verstehen Sie diese Bilder?
JPR: Da hat Jesus sich verhalten wie ein Sektenführer.
DZ: Das stimmt nicht . Er hat nicht gesagt: Gib mir Dein Geld! Er hat gesagt: Gib es weg!
JPR: Geld kann auch Unabhängigkeit bedeuten, die sich mit dem Anspruch auf Gefolgschaft nicht verträgt. Zitieren Sie besser Jean-Paul, der sinngemäß sagt: »Es sind mehr Karrieren durch Reichtum als durch Armut zerstört worden.« Er meinte intellektuell. Mir hat das Geld ermöglicht, viele Dinge zu tun, die ich gerne getan habe und die vielleicht auch anderen nützlich gewesen sind. Ich kann mir einen Beruf leisten, der mich Geld kostet, anstatt mir welches einzubringen. Mich hat das Geld nicht daran gehindert, mich mit den Themen zu beschäftigen, die mich interessieren, und einige der Bücher zu schreiben, die ich schreiben wollte.
DZ: Aber Sie sind jetzt auch dauernd von Menschen umgeben, die auf Sie aufpassen müssen. Stört das nicht?
JPR: (schweigt):........
DZ: Und Sie hatten ein furchtbares Erlebnis - Ihres Geldes wegen.
JPR: Das ist richtig.
DZ: Haben Sie das Geld manchmal verflucht?
JPR: Sehen Sie: Jemand, der vermögend ist und Ihnen auf diese Frage mit ja antwortet, würde auf eine besonders lächerliche Weise lügen. Denn es steht ihm ja frei, sich von heute auf morgen von dem Geld zu befreien. Natürlich gibt es schwierige und belastende Situationen am Geld, aber diese als Fazit sozusagen unter den Strich zu schreiben, ist absolut lächerlich und unanständig denen gegenüber, die weniger haben.