Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Nachtarbeit«
Dr. No schrieb am 4.8. 2000 um 23:44:11 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Abfall für alle. Mein tägliches Textgebet. Tagebuch, Reflexions-Baustelle, Existenz-Experiment. Geschichte des Augenblicks, der Zeit, Roman des Umbruch-Jahres 1998.
Ein Tagebuch zunächst mal also, so erzählt Abfall für alle vom Leben eines Schreiber-Ichs in Berlin. Er sitzt an dieser Arbeit, schreibt und probiert zu schreiben, er geht einkaufen, schaut Ausstellungen an. Und er verreist und trifft Freunde, fast schon fiktiv, und redet ganz echt mit allen Mitbewohnern und Sprechern im Raum des Medialen.
Dem Internet, wo das Buch, in täglichen Lieferungen publiziert, Stück für Stück entstand, verdankt der Text seine äußere Gestalt: die häppchenartige Form; das Ideal seiner Sprache, alltäglich, zugänglich, lebensnah. Und vor allem die innere Ökonomie: von den Gedanken an das schweigende Leser-du, von dessen Interessen, Eile und Ungeduld fühlte der Text sich geführt und gehalten, erwartet und hervorgebracht.
Neben diesem fiktiven Leser, einer milden Freundlichkeits-Instanz, hat der Roman einen herrischen Autor: die Zeit. Sie schickt ihren Helden hinaus ins Leben, täglich neu. Minuten-Notizen protokollieren das Erlebte, Geistes-Zustände, Blicke, Beobachtungen, Geschehnisse außen und innen; hysterisch, verschleiert, konkret und absurd, grotesk überpräzise und komplett normal zugleich. Spannend.
Auf die Art stellt Abfall für alle auch noch einmal die alte Frage nach dem Abenteuerlichen gerade auch der FORM des Romanes. Was ist das eigentlich, ein Roman? Die Frankfurter Poetik-Vorlesung Praxis, fünf mal Dienstag hier im Mai, versuchte eine Antwort. Experimentell, theoretisch, realistisch kompliziert; und dabei doch plausibel in der Evidenz der Kollision von Welt und Ich: irgendwie kaputt.
Schließlich war, ein Traum, der wahr geworden ist, das Buch entstanden, das ich bin. Das ich immer schreiben wollte, von dem ich immer dachte, wie könnte es gelingen, das einfach festzuhalten, wie ich denke, lebe, schreibe. Von seiten des Todes her gesehen. – Was mir also gefällt, am Buch Abfall:
der Realismus der Ideen-Vorrang die Banalität der Dämonie des Alltags das Schreiberle die Stille der mediale Lärm die Funktionalität der auftretenden Personen die argumentative Pedanterie das Tasten das urteilsmäßige Rumholzen die Gleichwertigkeit aller Dinge die Poetologie, die ästhetische Theorie strukturell fragmentarisch, fragmentiert von Zeit die Zeitmaschine das Jahr die Minutendinger und ihre Plausibilität die Sekundengedanken: der Wahn Tag für Tag, die Erzählung Zahlen und Ziffern ALLES IST TEXT und über und unter und in allem: Melancholie
rainaldgoetz - alwaysultra
Liamara schrieb am 28.9. 1999 um 22:35:30 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Hugo, der Nachtwächter, würde wahrscheinlich sagen: Ja, Nachtarbeit... das ist schwer zu erklären. Da entsteht eine gewisse Faszination, ich würde fast sagen, man lernt die Nacht zu lieben. Vielleicht ist es sogar so, dass man geboren sein muss für die Nachtarbeit, ach, ich will gar nicht so vermessen sein das zu behaupten; aber gewiss braucht man eine besondere Befähigung dafür. Es fordert einen ganz besonders, dieses Arbeiten im trüben Neonlicht, das die Augen anstrengt, gerade die Augen, die wachen sollen über so viele Details. Und dann müssen sie sich dauernd umstellen, die Augen: von Licht zu Schatten, beinahe symbolisch schon. Wenn ich aus dem Schein der Laterne heraustrete und meine Runde über den dunklen Platz mache, bin ich und sind im Besonderen alle meine Sinne gefordert. Meine Augen müssen im Dunkeln sehen, meine Ohren in der scheinbaren Stille lauschen können. Es ist anspruchsvolle Arbeit, die Nachtarbeit. Nicht jeder Mensch beherrscht das. Ja, das würde Hugo, der Nachtwächter, vermutlich über die Nachtarbeit sagen. Das kann ich aber wirklich nur vermuten.
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