Heiko Idensen sprach über literarisches Schreiben im Internet
Von der »Erotik der Verknüpfung«
Psychologe stell seine »imaginäre Bibliothek« im Prinz-Max-Palais vor
»Text adventure« im Internet - Literatur, das war früher. Jetzt ist »fun«generation" dran und
die Zapping-Kultur". Begeistert von den technischen Verknüpfungsmöglichkeiten begreifen
manche das Internet als Spielwiese. Einer von denen, die mit diesen Links virtuos spielen,
ist der Psychologe und Literaturwissenschaftler Heiko Idensen.
In seinem Vortrag mit praktischer Vorführung seiner Projekte zeigte er im "Museum für
Literatur am Oberrhein" aber vor allem die theoretischen Tiefen, die man im Netz selbst
bei Hochschullehrern entdecken kann. Idensens theoretischer Ansatz für seine
Internet-Projekte ist die Vernetzung sebst. Inhalt interessiert ihn nicht.
Seine »Imaginäre Bibliothek« (der Titel ist eine Anspielung auf den Dichter Jorge L.
Borges) ist ein virtueller Raum, an dem sich alle beteiligen können. Gedacht ist an eine
Verknüpfung von Stellen aus allen möglichen »Lieblingsbüchern«. Das Ziel ist nicht Bildung,
weder Wissensbildung, noch charakterliche, sondern "ein verzweigtes, assoziatives Lesen
und Navigieren" - also in etwa das, was jeder gute Leser sowieso macht.
Auch seine Schreibwerkstätten sind theoretisch ganz auf die Verknüpfung als Selbstzweck
ausgelegt. Sein »Hyperknast« stellt virtuelle Räume zur Verfügung, in denen man unter
vagen Überschriften Texte reinstellen kann, die sich auch wiederum verzweigen und einen
so genannten »text tree« (Textbaum) bilden. Idensen freut sich über die so entstandene
»schöne vernetzte Struktur«, die dabei entsteht. Der Veranstalter Torsten Liesegang sagte
hingegen über dieses Projekt » da kann man sülzen ohne Ende«.
Ein irgendiwe gearteter Inhalt war auch in der Diskussion bei Idensen nicht zu erkennen, es
ist alles Struktur, Benuztzeroberfläche und freies Assoziieren. Seine Utopie ist "der freie
Markt" und die Gründung neuer Diskurse. Aber warum man sich dabei ins Internet
begeben muß und nicht stattdessen das Grimmsche Wörterbuch lesen kann, wird nicht
ersichtlich. Für Idensen ist es eben »die Erotik der Verknüpfung«. Da möchte man nicht
weiter stören.
(grg; Tel: BNN 0721-7890; Fax: 789-270)
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