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SuperUser schrieb am 14.6. 2016 um 08:53:51 Uhr über

Darmkrebs

Pathogenese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]





Vogelstein-Hypothese der Adenom-Karzinom-Sequenz beim kolorektalen Karzinom I
Das molekularbiologische Wissen über die Entstehung des Darmkrebs hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorm zugenommen. Meist entwickelt sich der Darmkrebs über gutartige Vorstufen, die Dickdarmadenome (sog. Polypen). Für die Entwicklung eines bösartigen Tumors bedarf es mehrerer genetischer Veränderungen. Dieses Modell der Entwicklung von bösartigen Tumoren aus gutartigen Vorstufen nennt man Adenom-Karzinom-Sequenz nach Fearon und Vogelstein. Ob sich aus einem Adenom ein bösartiger Tumor entwickelt, ist von drei Faktoren abhängig:
Größe (Adenome mit einer Ausdehnung von unter einem Zentimeter entarten praktisch nie)
histologischer Typ (bei der feingeweblichen (histologischen) Untersuchung werden drei Arten von Adenomen des Dickdarms unterschieden: tubuläre Adenome, tubulovillöse Adenome und villöse Adenome; tubuläre Adenome haben das geringste Risiko zur bösartigen Entartung und villöse Adenome das größte)
Grad der Entdifferenzierung (Dysplasie)

Das vermehrte Wissen über die Pathogenese des Darmkrebs hat zur Identifizierung neuer spezifischer molekularer Zielstrukturen geführt und so die Entwicklung neuer pharmakologischer Substanzen für Therapie und Prävention ermöglicht.

In jüngster Zeit wurden Untersuchungen veröffentlicht, die nahelegen, dass neben den erwähnten genetischen Veränderungen, also echten Mutationen, auch epigenetische Veränderungen in der Krankheitsentstehung eine Rolle spielen.[22] Gegenstand der Forschung ist, inwiefern das spezifische Muster an genetischen und epigenetischen Veränderungen Aussagen über das Verhalten des Tumors und sein Ansprechen gegenüber Chemotherapie zulässt.

Kolorektale Karzinome entstehen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (95 %) sporadisch, das heißt durch erworbene Genmutationen in den Zellen der Darmschleimhaut. Für fünf Prozent der kolorektalen Karzinome ist eine hereditäre Genese nachzuweisen.[23]

In etwa fünf Prozent der Fälle eines Kolonkarzinoms handelt es sich um das sogenannte Lynch-Syndrom, welches auch als hereditäre non-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC) bezeichnet wird.[23] Bei dieser autosomal-dominant vererbten Erkrankung liegt ein Defekt der sogenannten Mismatch-Reparatur Gene vor. Diese Gene sind für die Korrektur von DNA-Mutationen zuständig. Liegt ein Defekt vor, kommt es zum HNPCC, bei dem es neben bösartigen Darmtumoren auch gehäuft zu Brustkrebs, Endometriumkarzinomen und Eierstockkrebs kommt. Der Darmkrebs tritt bei den Patienten mit HNPCC bereits um das 45. Lebensjahr auf und ist am häufigsten im aufsteigenden Teil des Dickdarmes (Colon ascendens) lokalisiert. Zur Diagnosestellung werden die sogenannten Amsterdam I-Kriterien und Amsterdam II-Kriterien verwendet, oder auch die sogenannten Bethesda-Kriterien. Die Bestätigung des Verdachtes erfolgt durch Gendiagnostik.

Die familiäre adenomatöse Polyposis ist eine seltene obligate Präkanzerose (Erkrankung, die zwangsläufig zur Krebsentstehung führt), bei der schon in jungen Jahren der Dickdarm mit Darmpolypen überwuchert wird. Die Häufigkeit bei den hereditären Kolonkarzinomen ist <1 %. Die Erkrankung hat einen autosomal-dominanten Erbgang. Ursache für die Entstehung von bis zu 1000 Polypen im Dickdarm ist eine Störung des normalen Zellzyklus (die Mutation des APC-Tumorsuppressorgens auf Chromosom 5). Eine operative totale Entfernung des Dickdarmes (Kolektomie) wird bis zum 20. Lebensjahr empfohlen. Bis zu diesem Zeitpunkt musswenn die Diagnose FAP gestellt istab dem 10. Lebensjahr mindestens einmal im Jahr eine Koloskopie (Dickdarmspiegelung) zur Überwachung durchgeführt werden.[23]

Weitere Syndrome mit deutlich erhöhtem Risiko sind das Gardner-Syndrom, eine erbliche Erkrankung, bei der es neben vielen Polypen im Darm auch zum Auftreten von gutartigen Tumoren der Haut, der Unterhaut, des Knochens sowie des Bindegewebes kommt, und das Turcot-Syndrom, ebenfalls eine seltene genetische Erkrankung, bei der neben Polypen im Darm auch Hirntumoren vorkommen. Seltener entarten Polypen beim Peutz-Jeghers-Syndrom, einer seltenen genetischen Erkrankung, bei der neben Polypen im Magen-Darm-Trakt auch Pigmentflecken im Gesicht und an der Mundschleimhaut vorkommen. Ebenfalls selten entarten Polypen bei der juvenilen Polyposis, der häufigsten Polypenart im Kindesalter, bei der die Polypen meist im Enddarm lokalisiert sind.

Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Darmkrebs ist häufig sehr lange symptomlos. Erst wenn der Tumor in größerem Maße blutet oder wenn er das Darmlumen nennenswert einengt, kommt es zu Symptomen. Typische Symptome sind dann Blut oder Schleim im Stuhl, Darmkrämpfe, Bleistift- oder Ziegenköttelstühle, Durchfälle und Verstopfungen sowie häufig quälende Flatulenz. Durch den Blutverlust kann es zur Anämie (Blutarmut) mit den dazugehörigen Symptomen Leistungsabfall, Müdigkeit und allgemeine Schwäche kommen. Infolge der Tumorerkrankung kommt es häufig auch zu einem Gewichtsverlust eventuell bis hin zur Entwicklung einer Tumorkachexie (Auszehrung).

Das einzige Frühsymptom sind unsichtbare (okkulte) Blutungen, die mit Stuhltests (z. B. Hämoccult®) festgestellt werden können. In einigen Ländern wird dieser Test als Screening für Darmkrebs benutzt.

Komplikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mögliche Komplikationen beim Darmkrebs sind der Darmverschluss (Ileus) durch den Tumor und der Durchbruch durch die Darmwand (Perforation). Klinisch präsentiert sich eine Perforation als sogenanntes Akutes Abdomen, da durch die Perforationsstelle Luft und Darmkeime in das Abdomen gelangen und sich eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) entwickelt. Perforationen kolorektaler Karzinome sind selten und betreffen vornehmlich Patienten mit fortgeschrittenen Tumorstadien.[24] Klinisch ist das Abdomen eines solchen Patienten bretthart, zeigt eine Abwehrspannung (Défense musculaire) und eine Klopfschmerzhaftigkeit, was insgesamt auch als Peritonismus bezeichnet wird. Weitere Tumorkomplikationen können Fisteln sein oder der Einbruch in Nachbarorgane (T4-Karzinome), Zeichen des Leberversagens auf Grund von Lebermetastasen sowie Kompression von anderen Organen.

Diagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]





Adenokarzinom des Colon ascendens während einer Koloskopie




PET/CT Staging-Untersuchung eines metastasierten Rektumkarzinoms. Markiert ist ein Knoten in der Lunge
An erster Stelle stehen Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese), eine allgemeine körperliche Untersuchung einschließlich einer digital-rektalen Untersuchung (Untersuchung des Enddarms mit dem Finger) und ein Test auf verstecktes Blut im Stuhl. Bisher wird von den gesetzlichen Kassen ausschließlich der Guajakbasierte Stuhlbluttest (engl. gFOBT) bezahlt, dessen Empfindlichkeit (Sensitivität) nur etwa 20 bis 40 % beträgt. Deutlich sensitiver (60 bis 90 %) sind Haematoporphyrin-Test und immunochemische Tests (engl. iFOT), die aber teurer sind.

Ein weiteres Verfahren zum frühen Nachweis von Polypen und Darmtumoren ist die Bestimmung des Biomarkers Tumor M2-PK im Stuhl. Die M2-PK ist ein Schlüsselenzym im Stoffwechsel von Polypen und Tumoren. Der M2-PK-Test erkennt sowohl blutende als auch nicht blutende Polypen und Tumoren. Wegen der schlechten Spezifität (korrekter Ausschluss eines Tumors) von 82 % ist der Nachweis von M2-PK im Stuhl bisher nicht als Routineverfahren zur Darmkrebsfrüherkennung empfohlen.

Bei Verdacht auf Darmtumoren wird eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt und bei entsprechendem Verdacht kleine Gewebsproben, sogenannte Biopsien, entnommen, die feingeweblich (histologisch) von einem Pathologen untersucht werden. Die Koloskopie dient auch der Vorsorge, weil gutartige Polypen entfernt werden können, die ein Entartungsrisiko besitzen. Daher wird in Deutschland die regelmäßige Koloskopie ab dem 55. Lebensjahr zur Darmkrebsprophylaxe von den Krankenkassen bezahlt. In anderen europäischen Ländern wird die jährliche Untersuchung auf okkultes Blut als Darmkrebsscreening bevorzugt.

Weitere, inzwischen weniger gebräuchliche Untersuchungsmethoden sind die Rekto- oder Sigmoidoskopie, die Untersuchung des Enddarms mit einem starren oder flexiblen beziehungsweise die Untersuchung des End- und Grimmdarms mit einem flexiblen Endoskop, sowie der inzwischen durch die Computertomographie weitgehend verdrängte Kolonkontrasteinlauf. In Zukunft wird eventuell die auf einer Spiral-Computertomographie oder Magnetresonanztomographie basierte Colonographie als nicht-invasive Methode die Koloskopie ersetzen, momentan ist diese Methode aber noch in der Entwicklungsphase und bei kleinen Polypen oder Karzinomen ist sie in ihrer Aussagekraft der Koloskopie noch unterlegen.

Sollten sich aus der Koloskopie Hinweise auf das Vorliegen eines Darmkrebses ergeben, werden in der Regel folgende Untersuchungen zur Bestimmung des Tumorstadiums (Tumorstaging) veranlasst:
Abdomensonographie zum Ausschluss von Lebermetastasen
Röntgen-Thorax im Stehen in zwei Ebenen zum Ausschluss von Lungenmetastasen
Computertomographie oder Magnetresonanztomographie der Bauchhöhle, der Brusthöhle und des Schädels zur Erfassung der Tumorgröße und zum Ausschluss von Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen der Leber, der Lunge und des Gehirns. Eine Computertomographie der Bauchhöhle oder der Brusthöhle wird nur bei begründetem Verdacht auf eine Fernmetastasierung durchgeführt, in der Regel ist eine Sonographie des Bauches sowie ein konventioneller Röntgen-Thorax zum Staging ausreichend, und beide Methoden sind deutlich geringer strahlenbelastend als die Computertomographie.
Skelettszintigraphie zum Ausschluss von Knochenmetastasen bei begründetem Verdacht
bei bösartigen Tumoren des Rektums Endosonographie oder Magnetresonanztomographie zur Erfassung der Eindringtiefe des Tumors und zum Nachweis vergrößerter Lymphknoten in der Umgebung.

Zur Verlaufskontrolle stehen Tumormarker (CEA und CA 19-9) zur Verfügung. Diese eignen sich allerdings nicht zur Screening-Untersuchung, da sie bei vielen Tumoren negativ sind und es häufig falsch-positive Befunde gibt.

Ein neuer Marker CCSA-2 (colon cancer-specific antigen 2) scheint Tumoren des Dick- und Enddarms schon im Frühstadium nachweisen zu können.[25]

Neu ist ebenfalls der Septin-9 Test. Dieser ist ein Blutuntersuchung zur Darmkrebs-Früherkennung. Er beruht auf den Nachweis von methyliertem Septin-9.[26]

Zum Einsatz der Positronen-Emissions-Tomographie gibt es unterschiedliche Auffassungen. Entgegen mehreren internationalen Publikationen, die zeigen konnten, daß der Einsatz der PET/CT mit Fluordesoxyglucose signifikanten Einfluss auf die Stadieneinteilung hatte und gängigen Verfahren wie CT oder MRT in der Diagnose von Lymphknotenbefall oder Metastasen überlegen ist, sieht die deutsche aktuelle Leitlinie der Fachgesellschaften zurzeit keinerlei Stellenwert in der Primärdiagnostik.[27] Die Verfasser der Leitlinie kritisieren hierbei die fehlende ausreichende Qualität der zugrunde liegenden Studien, ein Kritikpunkt, den das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWIG 2011 bereits geäussert hatte. Der Einsatz der Positronen-Emissions-Tomographie bei fraglicher oder nachgewiesener Lebermetastasierung kann jedoch für die Patienten von Nutzen sein, Empfehlungsgrad 0, Level of Evidence 2b.

Eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist für dieses Verfahren jedoch noch nicht möglich. Die privaten Krankenversicherungen erstatten hingegen meist die Kosten für dieses Verfahren.

Differentialdiagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unterschiedliche Erkrankungen können ein ähnliches klinisches Bild wie Dickdarmkrebs verursachen. Neben den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind dies Resorptionsstörungen wie Sprue oder Milchzucker-Intoleranz. Erst wenn diese Erkrankungen und ein Tumor des Darmes ausgeschlossen sind, darf die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt werden. Eine Koloskopie mit Gewinnung von histologischem Material dient der Sicherung der Diagnose des Reizdarmsyndroms.



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