Bremen
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Am Wall in Bremen
Im Schatten namenloser Bäume liegen, hin gestreut vom Wind, die herbstlich-gelben Blätter des Ahorns. Ein Verrückter gestikuliert übertrieben. Wie im Theater spielt er seine Rolle, deklamiert laut und deutlich in seiner unverständlichen Sprache, die nach Schnaps riecht. Aus seinem offenen Lodenmantel reckt er den Kopf nach Vorne und fuchtelt mit dem Arm, als rede er mit der Ente, die ruhig auf dem Wasser schwimmt und sich nicht beeindrucken läßt. Oder vielleicht mit dem Paar auf der anderen Seite des Sees, das stehen geblieben ist, herüber schaut und offenbar belustigt dem seltenen Schauspiel zusieht.
24.10.1980
Meine Tante wohnte in der Neustadt. Vor der Sturmflut hatten sie ein Haus am Werdersee. Sie kam vom Lande, ihr erster Mann war im Krieg vermißt: 2 Kinder hatte sie mit ihm. Mit dem ausgebomten Flüchtling, dem (witzigen) Willy (Galvaniseur und Biertrinker: er zeichnete Karikaturen? ,befestigte Thermometer auf Bremer Schlüssel auf Holzbretter oder laubsägte Pferdeköpfe und montierte sie auf Metallteller;) mit dem wW (Natron brauchte er einmal bei uns) zeugte sie meine Petticoat-Cousine (Pfennigabsätze, lebensgroße Bravo-Poster an den Wänden im Haus an der 'Flutrinne', der ältere Bruder sammelte Bierdeckel, die er an die schräge Wand klebte. Sie schwärmte von den 'Yankees': das war damals DIE Bremer Beatgruppe.)
Mit 16 Jahren kam ich zu meiner Tante, Onkel W. war kurz vorher gestorben. Nach 1 1/2 Jahren suchte ich mir ein Zimmer im Ostertor-Viertel. Da war ich an den Wochenenden längst mit meinen 'Hippie-Freunden' zusammen, zu denen auch 2 Cousins gehörten (einer ist vor einigen Wochen an Krebs gestorben, der andere lebt mit seinen 2 Kindern in England bei London.) Ich vereinsamte, war unglücklich verliebt, und wollte mir sogar das Leben nehmen (zur Zeit der Olympischen Spiele in München; ich hatte einen ganz kleinen Fernseher, 10 cm Bildschirm). Eine feuchte Kellerwohnung, Sperrmüll-Möbel: Cocktail-Sessel, tiefer Tisch, als Schrank diente ein riesiger, hoher Koffer, ein Wilhelm Busch-Kohleofen in der Ecke, Matrazen auf dem Fußboden oder auf der Couch vorm Fenster schlafen, an die Tapete gesteckte Atlasseiten (geklaut aus der Berufsschule, o weia) auf Trip wurde daraus eine Art Tunnel. Ein Freund gab mir LSD im DeBeukelaar-Keks (IHN hatten sie eine Spritze gesetzt. Hatte er einen Dealer verraten? und hatte Angst, als der aus dem Knast kam, Raffzahn?)
Vor der 'Lila Eule' kaufte ich dem womöglich Anderen diese Muddy Waters Doppel-LP ab. P. erhängte sich später in einem Waldstück. Zur Not spritzte er sich Hustensaft und wixte sechsmal am Tag. Übrigens hatte er zwölf Geschwister und sein Vater war ein Trinker (wie in dem Lied) und seine Mutter galt im Dorf als Hure.
1973 zog ich wieder auf's Land und wohnte in Wohngemeinschaft mit einem 'Flüchtlingskind' (die Eltern kamen aus Schlesien, er war hier geboren) und wechselnd mit anderen Personen. A. hatte ich vorher nicht gekannt. Zum Studium fuhr ich ab 1976 zwanzig Kilometer mit dem Auto in die Stadt.