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Wie funktioniert die globale Steuerflucht?

Cayman, Zypern oder Luxemburg: Jetzt gibt es Daten über Steuerflüchtlinge in aller Welt. Aber wo beginnt Steuerflucht? Und wie reagiert der Fiskus? Die wichtigsten Antworten.
07.04.2013, von Dyrk Scherff und Christian Siedenbiedel



















Weltkarte

© Prisma Bildagentur Vergrößern

Ausgewählte Steueroasen

Wie funktioniert die Steuerflucht bei Privatleuten?


Dyrk Scherff
Autor: Dyrk Scherff, Jahrgang 1971, Redakteur im Ressort „Geld & Mehrder Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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Christian Siedenbiedel
Autor: Christian Siedenbiedel, Jahrgang 1969, Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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Ein beliebter Weg ist: Sehr vermögende Privatleute bringen ihr Geld in ein Unternehmen ein, das es einer Stiftung in einer Steueroase überträgt. Dadurch taucht nur die Firma als Eigentümer auf, nicht die Person. Die Erträge der Stiftung sind steuerfrei. Stirbt der Eigentümer, erfolgen anders als in Deutschland keine automatischen Meldungen ans Finanzamt. Dadurch entfällt auch die Erbschaftsteuer. Manche Steuersünder zahlen das Geld auch einfach auf anonyme Konten ein. Da größere Transfers aus Deutschland auffallen, handelt es sich bei den versteckten Geldern häufig um Einnahmen, die extra im Ausland angefallen sind, um sie zu verschleiern.

Wie tricksen die Unternehmen bei den Steuern?

Internationale Firmen gründen gerne Tochterunternehmen in Steueroasen. Die Grundidee ist dann, Gewinne innerhalb des Konzerns in die Steueroasen zu verschieben, wo sie nicht versteuert werden müssen. Bei den Muttergesellschaften in den Hochsteuerländern fällt entsprechend weniger steuerpflichtiger Gewinn an. Verschoben werden können die Gewinne, indem etwa die Tochtergesellschaft Lizenzen und Patente des Konzerns bekommt, für deren Nutzung die Muttergesellschaft Gebühren zahlen muss. Das sind Ausgaben, die den Gewinn der Mutter mindern. Die Einnahmen der Tochterfirma sind steuerfrei. Ähnlich funktioniert die Vergabe eines Kredits der Tochterfirma an ihre Mutter, die dafür Zinsen zahlen muss, die den zu versteuernden Gewinn schmälern.

Wie reagiert der deutsche Fiskus auf solche Tricks?

Der Staat limitiert diese Gestaltungen per Gesetz. So muss ein Unternehmen ein bestimmtes Mindesteigenkapital haben, darf also nicht vollständig mit Krediten der Tochterfirma aus einer Steueroase finanziert werden. Die Zinszahlungen für die Kredite sind zudem nicht voll als Betriebsausgaben absetzbar. Schließlich werden Tochterfirmen in Steuerparadiesen, die kein operatives Geschäft haben (Briefkastenfirmen), nicht anerkannt und der Gewinn der Mutter zugerechnet. Allerdings ist es schwer, das nachzuweisen.

Wo beginnt die Steuerflucht, wenn Leute Geld ins Ausland bringen?

Es ist nicht verboten, Geld in Steueroasen anzulegen. Die Tricks der Unternehmen sind zwar moralisch fragwürdig, aber erlaubt. Für Unternehmen wie für Privatleute gilt aber: Die Erträge aus Steueroasen müssen dem deutschen Fiskus gemeldet werden.

Warum müssen die Steuern nicht in der Steueroase gezahlt werden, sondern in Deutschland?

Im deutschen Steuerrecht gilt das Wohnsitzprinzip. Wer in Deutschland einen Wohnsitz hat und seinen Lebensmittelpunkt, der versteuert dort seine gesamten Einkünfte, die er irgendwo auf der Welt erzielt. Auch die zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Ländern regeln, dass Kapitalerträge in Deutschland versteuert werden müssen. Gibt es im Ausland eine Steuer auf solche Erträge, kann man sich dort davon freistellen lassen oder gezahlte Steuern in Deutschland anrechnen lassen.

Wie schummeln Steuersünder innerhalb der EU?

Die meisten EU-Länder melden automatisch Zinserträge von Ausländern an den heimischen Fiskus. Daher weichen viele Steuersünder auf Produkte aus, die ihre Erträge nicht in Form von Zinsen ausschütten, sondern etwa als Dividende. Das wird bisher nicht gemeldet, könnte aber bald der Fall werden. Keine Zinsen melden bisher Luxemburg, Österreich und (noch) Belgien. Sie erheben stattdessen eine anonyme Quellensteuer von 35 Prozent und führen einen Teil davon ins Heimatland ab. Der Kunde bleibt also unerkannt, muss aber mehr zahlen als in Deutschland. Auch die Schweiz, Liechtenstein und andere europäische Steueroasen wenden dieses Verfahren an.


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Wo haben die deutschen Steuerflüchtlinge vor allem ihr Geld versteckt?

Schätzungen der Steuergewerkschaft zufolge haben Deutsche etwa 400 Milliarden Euro im Ausland vor dem Fiskus versteckt. Beliebteste Ziele sind die Schweiz, Luxemburg und Österreich.

Fliegen Steuerflüchtlinge nach der Veröffentlichung der jüngsten Daten jetzt auf? Hilft noch eine Selbstanzeige?

Das Entdeckungsrisiko hängt davon ab, ob die Namen der Steuerflüchtigen den Finanz- und Ermittlungsbehörden übergeben werden. Das ist bislang nicht passiert. Daher ist für deutsche Steuerpflichtige die Selbstanzeige das probate Mittel, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Denn die Selbstanzeige muss vor der Entdeckung geschehen. Der BGH hat entschieden: Wenn ein Steuerflüchtiger bewusst verschleiernde Konstruktionen gewählt hat - als solche gilt der Trust in Steueroasen -, dann reicht für die Entdeckung, wenn den Finanz- und Ermittlungsbehörden Name und Bankverbindung bekannt wird. Da die Behörden die Dokumente der jüngsten Enthüllungen noch nicht haben dürften, liegt noch keine Entdeckung vor.

Ist Steuerflucht jetzt generell sehr gefährlich geworden, weil die Daten überall nicht mehr sicher sind?

Solange die Steueroasen nicht von sich aus Mitteilungen über mögliche Steuerhinterziehung an die deutsche Finanzverwaltung verschicken, können Steuerflüchtlinge durchaus noch hoffen, nicht erwischt zu werden. Sie können hoffen, nicht auf CDs verzeichnet zu sein, und darauf setzen, dass ihre Bank die Entstehung solcher CDs zu verhindern weiß.

Was ist die sicherste Steueroase?

Seit die Schweiz für viele Steuerflüchtlinge etwas unsicherer geworden ist, hat sich Singapur zum Drehkreuz entwickelt - auch wenn der Stadtstaat zumindest angekündigt hat, mit Deutschland zu kooperieren. Dennoch wähnen Steuerflüchtlinge das Geld dort sicherer als in EU-Ländern. Viele der kleineren Steueroasen in der Karibik dürften noch ungefährlicher sein, haben aber den Nachteil, dass sie wie Singapur weit weg sind.

In welchen Steueroasen kann es passieren, dass Steuerfahnder vorbeikommen?

Es gibt zwar manchmal Berichte, deutsche Fahnder hätten in der Schweiz vor Banken gesessen, jedes Auto fotografiert, das in die Tiefgarage fuhr, und anschließend gesagt, sie hätten die Fotos im Urlaub gemacht. Tatsächlich müssen deutsche Behörden aber ein Amtshilfegesuch stellen, für das sie immer einen Anlass brauchen. „Besuche vor Ort in Steueroasen sind unwahrscheinlich“, sagt Rainer Holznagel, der Präsident des Bunds der Steuerzahler.

Wie verstecken die Sünder ihr Geld in Steueroasen? Wie holen sie es nach Deutschland zurück?

Koffer mit Geld werden zumindest in Europa selten transportiert. Oft erfolgt der Transfer durch Umbuchen, was noch nicht einmal eine Überweisung bedeuten muss: Der Trust mit Sitz auf Barbados kann ein Konto bei einer Bank in Zürich haben, dann wechselt das Geld nur von einer Straßenseite auf die andere. Zurückholen in bar ist ungeschickt, weil auch Banken in Deutschland bei der Einzahlung von großen Beträgen nach der Herkunft fragen. Viele transferieren deshalb Geld von einer Steueroase in eine andere, wenn es irgendwo brenzlig wird. Andere geben das Geld einfach mit ihrer Kreditkarte im Ausland aus.

Was haben Steueroasen davon, dass sie Gelder anlocken?

Zunächst einmal fallen für die Verwaltung der Gelder Gebühren an. Menschen finden Arbeitsplätze, weil der Finanzsektor wächst. Bei einigen Steueroasen kommen die vermögenden Kunden auch tatsächlich vorbei, kaufen dort Villen, Autos und Yachten. Das kurbelt dort die Wirtschaft an und bringt Steuereinnahmen - sogar, wenn die Vermögen selbst kaum oder gar nicht besteuert werden.

Gibt es Pläne für neue Gesetze?

Vor allem die OECD und die EU haben es sich auf die Fahnen geschrieben, die Steueroasen auszutrocknen. Vor einigen Jahren gab es eine Art schwarze Liste, auf der mehr als 30 bekannte Steueroasen standen, die künftig von der internationalen Gemeinschaft geächtet werden sollten. Es dauerte aber nicht lange, da waren alle Länder wieder von der Liste runter - weil sie die Mindestanforderungen erfüllt hatten. Das waren oft vor allem Absichtsbekundungen. „Leider sind sich die Industrienationen nicht einig“, sagt Steuerzahlerpräsident Holznagel. „Das liegt auch daran, dass sie selbst betroffen sind. So dulden Großbritannien und die Vereinigten Staaten sogar auf ihrem Gebiet sogenannte Steueroasen.“

Warum sind die Amerikaner erfolgreicher im Kampf gegen die internationale Steuerflucht als die Deutschen?

Die amerikanischen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden gehen sehr viel rigider als die deutschen gegen Steuerhinterziehung vor. So schnitten sie zum Beispiel Schweizer Banken, die nicht kooperieren wollten, einfach vom Markt ab. Möglicherweise können die Amerikaner auch deshalb härter vorgehen, weil sie weiter weg sind. Auch wenn der frühere Finanzminister Peer Steinbrück der Schweiz mit der Kavallerie drohte - in der Praxis nehmen die Deutschen mehr Rücksicht auf die Befindlichkeiten des Nachbarlandes.



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