Thor oder Donar (aisl. Þórr, ahd. Donar, urgerm. *Þunraz „Donner“) ist in der nordischen Mythologie Gott des Donners, der erste Sohn Odins (aisl. Óðinn). Seine Gattin ist Sif (aisl. Sif).
Fast alle heutigen Kenntnisse über Thor sind den isländischen Sagas entnommen. Die Westgermanen kannten den Gott unter dem etymologisch entsprechenden Namen Donar ebenfalls, dort sind jedoch durch die frühe Christianisierung und die hauptsächlich kirchlich geprägte Literatur des frühen Mittelalters nur wenige Zeugnisse und keine tiefergehenden Texte über Donar erhalten. Allerdings kann die hochmittelalterliche isländische Mythologie auch nicht direkt auf die viel früheren kontinentalgermanischen Verhältnisse übertragen werden. Durch die isländische Überlieferung ist der nordische Name Thor allgemein bekannter als die deutsche Form Donar.
Nach Angaben des Tacitus war es den Germanen nicht gestattet, sich ein Bildnis ihrer Götter zu fertigen. Trotzdem gibt es einige frühgeschichtliche und frühmittelalterliche Darstellungen, die auf Thor bezogen werden. Sein Hauptattribut ist dabei ein mythischer Hammer, den er als Waffe verwenden kann.
Der Wochentag Donnerstag (engl. thursday, dän. torsdag) ist nach ihm benannt.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Donar in der frühmittelalterlichen Überlieferung
2 Thor in der nordischen Mythologie
2.1 Zusammenfassung der Details der reichen literarischen Überlieferung
3 Interpretatio Romana
4 Bezüge zu anderen indogermanischen Göttern
5 Literatur
6 Weblinks
Donar in der frühmittelalterlichen Überlieferung [Bearbeiten]Die alemannische Runenfibel von Nordendorf (Anf. 7. Jh.) nennt neben Wodan auch den Gott Wigiþonar. Dagegen ist umstritten, ob logaþore einen Gott bezeichnet.
Ausschnitt des christlichen altsächsischen Taufgelöbnisses (9. Jh.)
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[...] end ec forsacho [...] Thunaer ende Uuoden ende Saxnote ende allum them unholdum
„[...] und ich entsage [...] [dem] Donar und Woden und Saxnot und allen Unholden.“
Im altsächsischen Taufgelöbnis des 9. Jh., einer Abschwörungsformel vom nichtchristlichen Glauben, wird Thunaer zusammen mit anderen Göttern erwähnt.
Der langobardische Gelehrte Paulus Diaconus erwähnt in einem Gedicht über den dänischen König die Götter Waten und Thonar. Die Formen der Namen zeigen aber oberdeutsche Formen und nicht dänische.
Das wohl bekannteste dem Donnergott geweihte Heiligtum war die Donareiche (im Text: robur Iovis) bei Fritzlar in Nordhessen, die Bonifatius im Jahre 723 fällen ließ. Aus dem Holz der gefällten Eiche wurde ein Bethaus für St. Petrus errichtet.
Thor in der nordischen Mythologie [Bearbeiten]Die hoch- und spätmittelalterliche skandinavische Überlieferung zeichnet ein deutliches Bild von Thor. Die Quellen sind größtenteils im 13./14. Jh. niedergeschrieben worden. Die stoffliche Tradition reicht nur teilweise gesichert in die Zeit vor der Christianisierung zurück. Die Motive wurden also stark literarisch überformt und zeigen Thor in den z. T. schwankhaften Gedichten der Lieder-Edda sogar als Witzfigur.
Zusammenfassung der Details der reichen literarischen Überlieferung [Bearbeiten]Thor wird als ein Mann im besten Alter, von jugendlicher Frische, mit rotem Bart, vom Wesen her gutmütig, bieder und von ungeheurer Stärke, aber auch leicht erregbar und zornig, geschildert. Er hat außerdem einen unmäßigen Appetit. Von den Göttern steht er dem Menschen besonders nahe, da einer seiner Aspekte der Schutz vor den Riesen und Chaosmächten (Midgardschlange) ist.
Thor ist der Donnerer. Als solcher führt er drei Kleinode mit sich: Den Blitze schleudernden Donnerhammer Mjölnir der, einmal geworfen, nie sein Ziel verfehlt und von selbst zurückkehrt, den Machtgürtel Megingjard und Eisenhandschuhe.
Thors Hammer im Wappen der färöischen Hauptstadt Tórshavn, die vor über 1000 Jahren nach ihm benannt wurdeEr lag in steter Fehde mit den Riesen (aisl. Sg. jötunn, þurs), sowie der Midgardschlange (aisl. miðgarðsormr). Gegen sie kämpft er auch am Ragnarök, doch wird er dabei selbst durch ihr Gift getötet. Nach seinem Kampf mit Hrungnir bleibt ein Stück von dessen Waffe, einem Wetzstein, in Thors Kopf stecken.
Thor erhält drei Aufgaben von Utgard-Loki: Er muss aus Utgard-Lokis Horn trinken und leert es nur zur Hälfte, er muss eine Katze hochheben und ihm gelingt es nicht, und er muss gegen die alte Frau Elli ringen und unterliegt.
Þór ringt mit Elli. Skulptur von Einar JónssonUtgard-Loki erklärt, warum er unterlag: Das Horn, aus dem Thor trank, hatte Verbindung zum Meer. Die Katze war in Wirklichkeit die Midgardschlange. Die alte Frau war das Alter selbst, das niemand besiegen kann. Thors Wagen wird von den beiden Ziegenböcken Tanngnjóstr (aisl. Zähnefletscher oder Zähneknisterer) und Tanngrisnir (aisl. Zähneknirscher) gezogen. Seine Gattin Sif gebar ihm eine Tochter, Thrud (Kraft), während er von der Riesin Jarnsaxa zwei Söhne, Magni und Modi, was soviel wie (Stärke) und (Mut) bedeutet, besaß. Als sein Wohnsitz gilt Thrudheim (Land der Stärke); als eine Wohnung in Asgard ist Thrudwang genannt.
Thor trägt seinen Hammer Mjölnir und den Machtgürtel Megingiard.Wenn Thor den Hammer wegschleudert kommt dieser immer wieder zurück. Aus einer isländischen Handschrift des 18. Jhs.
Interpretatio Romana [Bearbeiten]In der interpretatio romana wurde Thor als Jupiter aufgefasst. Ferner wurden schon in frühgeschichtlicher Zeit (z.B. Tacitus) auch Gemeinsamkeiten zwischen Thor und Herakles/Herkules aufgrund Herakles' Bewaffnung mit einer Keule und der Prägnanz der Körperkraft herausgestellt. So werden römische Altarinschriften in den germanischen Provinzen oder an Standorten germanischer Hilfstruppen oft als Zeugnisse der Wotansverehrung interpretiert.
Bezüge zu anderen indogermanischen Göttern [Bearbeiten]Weitere Ähnlichkeiten bestehen zwischen Thor und dem Wettergott der Hethiter, der gleichfalls den Hammer schleudernd und auf einem von Böcken gezogenen Wagen stehend dargestellt wurde. Eine Verwandtschaft scheint auch mit dem vedischen Gott Indra zu bestehen. Schließlich scheinen sich Verwandtschaften mit ostiranischen Drachenkämpfer Keresâspa anzudeuten, da Thor gegen die Midgardschlange kämpft.
Die in der Wissenschaft umstrittene vergleichende indogermanische Religionsforschung führt diese teilweise diffusen Gemeinsamkeiten auf einen rekonstruierten indogermanischen Gott-Vater/Himmelsgott Dieus pitah zurück. Thor wäre allerdings als ein Aspekt des Gottes Ziu zu betrachten, bevor er als eigenständiger Gott verehrt wurde und diesen als Hauptgott ablöste.
Literatur [Bearbeiten]
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