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Max van der Moritz schrieb am 4.8. 2002 um 14:46:46 Uhr über

SilvioGesell

Das Experiment von Wörgl hinterfragt.

Wenn wir uns fragen, was passiert wäre, wenn das Geld von Wörgl nicht so schnell verboten worden wäre, die anderen Gemeinden, die bereit waren mitzumachen, mitgemacht hätten und die Sache sich womöglich über ganz Österreich ausgebreitet hätte. Nehmen wir dann noch an, daß sich Nachahmer in Deutschland und in anderen Ländern gefunden hätten. Möglichkeiten dazu waren damals schon in der Schweiz gegeben, wo die Behörden allerdings den Wörgler Bürgermeister nicht einmal einreisen ließen als er dort auf Einladung einen Vortrag hätte halten sollen.

Bleiben wir aber vorläufig nur bei Österreich und den Gemeinden, die mitmachen wollten.

Da hätte sich zuerst einmal die Frage ergeben, wer das Geld herausgeben soll. Jede Gemeinde für sich? Oder direkt ans Wörgler Geld angeschlossen? Was macht man mit dem dafür als Deckung verwendeten Nationalbankgeld? Darf man es herleihen und so wieder dem Kreislauf zuführen, wie es in Wörgl tatsächlich geschehen ist? Wieviel Geld soll man herausgeben? Wie schnell wird es umlaufen? ( Die Zahlen für den tatsächlichen Wörgler Umlauf sind unterschiedlich und man weiß nicht, ob die tatsächlich ausgegebene Geldmenge von 1000 bis 8000 Schilling für die Berechnung herangezogen wurde oder die gedruckte potentielle von 32,000).

Wir wissen nur eines sicher. Das Wörgler Geld lief mindestens 20 mal schneller um als das Nationalbankgeld und wahrscheinlich noch viel schneller.

. Wenn die Zahl von 14 Millionen stimmt und die scheint ja durch die Resultate nicht allzu falsch zu sein kommt man auf eine Umschlaghäufigkeit von 2800 mal im Jahr 5,000 durchschnittlich im Umlauf befindliche Geldmenge angenommen.°) Die Annahme der Geldmenge stimmt ungefähr mit den Angaben aus Wörgl überein, aber ich erhebe gar keinen Anspruch auf übermäßige Genauigkeit. Es genügt diese Annäherung um die ganze Sache in einem anderen Licht zu sehen.

Nun ist es klar warum die Nationalbank reagieren mußte. Ihre Deflationspolitik wäre in kürzester Zeit unterlaufen worden.

Diese Zahlen zeigen aber auch, daß die merkamotorische Kraft von umlaufgesicherten Geld gigantisch ist und alle Geldsurrogate daneben zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Dabei muß man sogar noch einberechnen, daß das Geld von Wörgl sicherlich teilweise nur zögernd angenommen wurde.

Aber...die inflationistische Wirkung von Freigeld läßt sich auch nicht mehr verleugnen und man MUSS es an einen Index binden und die Ausgabe danach steuern.

Nun können wir aber auch die Frage beantworten, was passiert wäre. Das Wörgler Geld, das NICHT Freigeld war, weil es an keinen Index gebunden war, hätte eine Inflation verursacht und dasselbe in verstärkten Ausmaß getan was Schacht später mit seinen MEFO Wechseln machte. Wir hätten uns wahrscheinlich den Krieg erspart. Ob allerdings die Indexlösung gefunden worden wäre, ist eine andere Frage. Es wäre dann vielleicht so gekommen, wie im Zeitalter der Gotik. Die Leute hätten die Inflation und das falsche Freigeld verflucht und man wäre reumütig wieder zum Gold zurückgekehrt und jeder, der später von Freigeld gesprochen hätte, wäre gesteinigt worden.

Es zeigt uns aber auch, daß man mit der Ausgabe von Freigeld extrem vorsichtig sein muß und es gleich von Beginn an an einen Index binden muß. Anfänglich könnte zwar eine gewisse Scheu das unbekannte Geld anzunehmen eine Bremse sein und die Tatsache, daß ein neben einer Landeswährung umlaufendes Freigeld seinen Wert behält, während durch die Tatsache, daß es der Landeswährung einen Teil des zur Stabilität notwendigen Güterumsatzes entzieht, die Landeswährung vermehrtem Inflationsdruck ausgesetzt wird. Da ist die Umlaufsicherung nicht von so starker Wirkung als Antriebskraft wie sie es bei Deflation in Wörgl war.

Eine Bank, die Freigeld herausgibt, muß diese Folge in Rechnung stellen und muß deshalb das Landesgeld welches sie für Freigeld bekommt, schleunigst in Sachwerte verwandeln ( Grund?) bis auf einen unbedingt für eventuelle Rückkäufe notwendigen Bargeldbestand. Große Rückkäufe braucht sie ohnehin nicht zu befürchten. Wer wird schon sein indexgesichertes Freigeld für inflationiertes Landesgeld umtauschen wollen?

Und wenn sie Deflation betreiben? Auch gut! Da verschwindet das Landesgeld sowieso vom Markt und es bleibt nur das Freigeld übrig. Aus Sachzwängen kann also gegen das Freigeld nichts getan werden. Nur mit Gewalt könnten sie es unterdrücken und da müssen wir eben schlau wie Füchse sein. Wir verwenden ja auch kein Geld. Nur befristete Gutscheine auf einen fiktiven Index oder Bonds.

Bis hierher schrieb ich gestern und ich lasse das auch unredigiert so wie ich geschrieben hatte um zu zeigen wie Intuition manchmal wirkt.. In der Zwischenzeit habe ich aber nachgerechnet. Das mit dem ausgegebenen Geld stimmt recht genau. Es waren im Durchschnitt 5,293 Schilling Wörgler Geld für die 14 Monate seiner Laufzeit. Die von Margrit Kennedy angegebene Summe für die eingenommenen Umtauschgebühren von 3,840 Schilling muß deshalb auf 740 Schilling reduziert werden und mit diesem lächerlichen Betrag wurde so viel erreicht. Die hochgerechnete Summe von 14 Millionen muß man auf etwa 3 Millionen reduzieren aber auch das ist gerechnet nach der damaligen Kaufkraft des Schillings recht beachtlich.

Die Schlußfolgerungen bleiben aber dieselben und die tatsächliche Umlaufgeschwindigkeit von Freigeld wird bei einem größeren Markt als es Wörgl damals war auch ein Mehrfaches dessen sein, als die, welche in Wörgl erreicht wurde.

Die anderen Fragen, die offen geblieben sind wie was mit dem für Freigeld eingenommenen Nationalbankgeld gemacht werden soll, hängen davon ab, wer das Freigeld herausgibt. Wenn das eine off shore Bank wäre, müßten sie es eben irgendwo sicher anlegen. Eine Sparkasse oder Firma müßte dasselbe tun und eine Firma könnte es auch ins Warenlager stecken. Wenn es eine Gemeinde oder andere Gebietskörperschaft ist, bleibt ein teilweiser Rückkauf von Land eine Möglichkeit. Keinesfalls darf der Herausgeber das Geld aber, außer dem für fallweise Umtäusche notwendigen aufbewahren. Es wird nämlich seinen Wert verlieren und mit ihm alle in Geld ausgedrückten Guthaben und Verträge.

°) Da ließ ich mich täuschen, weil ich den damaligen wesentlich höheren Wert des Schillings nicht beachtete.




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