Gedanken über Minimalreform als Anfang.
Es muß uns klar sein, daß die Reformen die Gesell vorschlägt kaum jemals alle auf einmal durchgeführt werden können. Wir sollten uns daher ernstlich überlegen, welche Reformen für den Anfang unabdingbar sind und welche warten können. Einige der Reformen sind davon abhängig, daß andere schon durchgeführt sind und andere bedingen sich gegenseitig und es hat sich kaum jemand Gedanken gemacht, wo man in der Praxis mit welchen Reformen anfangen kann und welche eventuell allein durchführbar sind.
Das ganze Gedankengebäude Gesells ist in sich logisch und für den Kenner wie ein Traum einer besseren Zukunft. Der Weg nach Utopia oder in das Reich Gottes auf Erden. Wir leben aber hier und jetzt und müssen nach kleinen Schritten auf dem richtigen Weg suchen.
Vielleicht sollten wir zuerst einmal die Reformen beiseite lassen, für die es kaum Aussicht auf Durchführung ohne absolute Mehrheit in einem Staat gibt. Das ist zuallererst die Bodenreform. Das römische Bodenrecht ist vorläufig außerhalb unserer Macht und wir können zwar aufzeigen, was daran gegen das Gemeinwohl verstößt, können eine spätere Lösung aber ruhig kommenden Generationen überlassen. Grundrente und Kapitalzins sind ohnehin gegenseitig in einer Abhängigkeit und wenn bei sinkendem Kapitalzins Grundpreise ins Unermeßliche steigen wird man Lösungen finden müssen.
Deshalb sollte man die vorgeschlagene Mutterrente vorläufig ad acta legen, selbst wenn ihre moralische Berechtigung nicht abstreitbar ist. Menschenleeres Land hat keinen Wert und sein Wert und die erzielbare Grundrente steigt mit der Bevölkerungsanzahl. Und wer sorgt für die Erhöhung der Bevölkerung? Ich könnte mir deshalb auch ohne weiteres ein Bodenrecht vorstellen, wie in Tibet, welches den Frauen bevorzugtes Erbrecht für landwirtschaftlich genutzten Grund einräumt, aber, wie gesagt, das sind Probleme, die nicht so auf den Nägeln brennen, wie Arbeitslosigkeit, Krisen und Kriege. Wir können unmöglich alles auf einmal tun und sollten kommenden Generationen auch noch etwas zu tun übrig lassen.
Freihandel ist auch so eine Reform, die wir ruhig dem Schwarzhandel und den Schmugglern überlassen können.
Es bleiben also Freigeld und Festwährung und da sollen wir uns überlegen, ob wir das nicht notfalls auch in kleinen Rahmen so wie damals in Wörgl machen können und da werden wir gleich bemerken, daß diese beiden Reformen sich gegenseitig bedingen. Eines ohne das andere geht auf die Dauer nicht.
Wir könnten wohl, wie in Wörgl oder wie es im Mittelalter bei den Brakteaten war ein umlaufgesichertes Geld herausgeben, aber genau so wie im Mittelalter die Brakteaten eine Teuerung (Inflation) hervorriefen, würde das umlaufgesichertes Geld tun, wenn die Ausgabe nicht strikt kontrolliert würde und es größeres Ausmaß als in Wörgl annehmen würde.
In Wörgl kam nur deshalb dieses Resultat nicht zum Tragen weil die Summe des umlaufgesicherten Geldes geringfügig war und der Zeitraum zu kurz. Außerdem ersetzte das Wörgler Geld nur das nicht umlaufende Geld des Staates.
Wenn wir also eine Situation haben, wo das staatliche Geld wegen Deflationierung seinen Dienst als Tauschmittel nicht ausübt, ist es leicht es durch alternative Tauschmittel zu ersetzen. Das Problem ergibt sich erst, wenn das alternative Tauschmittel einen merkbaren Anteil am Geldumlauf erreicht. Dann ist eventuell selbst für das langsamer umlaufende staatliche Dauergeld nicht mehr genug Ware übrig und zu wenig Ware für zu viel Geld ist - Inflation. Bei Inflation strömt aber auch das stillgelegte Geld auf den Sparkonten wieder auf den Markt und auch die Girokonten geraten in schnellere Bewegung.
Deshalb muß die Ausgabe des alternativen Geldes nach einen Index so gesteuert werden, daß es seinen Wert behält. Dazu muß es einen Wechselkurs zum Staatsgeld haben, wo das zum Ausdruck kommt. Das alternative Tauschmittel übt, wie wir gezeigt haben einen inflationären Druck auf das Staatsgeld aus, es würde aber ohne Indexsteuerung demselben Druck auch ausgesetzt sein, weil ja beiden Tauschmitteln nur ein Warenangebot gegenüber steht.
In Wörgl hat es sich gezeigt, daß umlaufgesichertes Geld 20 mal schneller umlief als das nicht so gesicherte Geld. Das bedeutet, daß 5% umlaufgesichertes Bargeld genau so viel Waren bewegen kann wie 100% normales Geld. Es verdrängt deshalb normales Geld vom Markt.
Spätestens zu dem Zeitpunkt wird aber der Staat eingreifen müssen, wenn er den Wert seines Geldes erhalten will. Wenn das die schwerfällige unbeliebte Bürokratie in Brüssel sein sollte und alternatives Geld in Sizilien umlaufen wird sehe ich schwarz für Brüssel und was hat der Staat schon dem alternativen Geld entgegenzusetzen? Deflationiertes Geld verschwindet schneller vom Markt als man es herausgeben kann, und man will es ja nicht in inflationären Ausmaß herausgeben.
Wird das Geld aber wieder reflated läuft da das kaufkraftbeständige alternative Geld um und bleibt auch durch die Umlaufgebühr im Umlauf. Das Dauergeld müßte wesentlich mehr als 5% inflationiert werden um das auszugleichen und dann werden die Gläubiger auf die Rückzahlung der Riesenschulden drängen um das Geld in sicherere Werte oder ins Ausland zu transferieren oder gar in alternatives Geld gehen, weil das ja nur 5% im Jahr verliert, selbst wenn man es unter der Matratze liegen läßt.
Die einzig sichere Methode, die der Staat hätte, wenn er nicht Gewalt anwenden will und alle Benützer alternativen Geldes einsperren läßt, ist eines. Er muß sein Geld auch mit einer Umlaufsicherung ausstatten und einen festen Wert garantieren. Tut er das, läßt sich alternatives Geld nicht mehr lange halten, weil es dann keinen Vorteil mehr bietet. Die Herausgeber des alternativen Geldes werden ihm aber keine Träne nachweinen. Sie haben ja erreicht, was sie wollten.
Die exakte technische Durchführung einer lokalen Zweitwährung ist vielleicht bisher zu wenig behandelt worden, weil ja die praktischen Versuche mit der Wära und in Wörgl mit dem Markengeld anstandslos funktioniert haben. Wenn jemand dann nach einer noch genaueren Gebrauchsanweisung sucht, liegt der Verdacht nahe, daß er eher die Sache zerreden will.
Trotzdem möchte ich hier eine Idee für alternatives Geld vorstellen, die angelehnt an die ebenfalls erfolgreich umlaufenden Brakteaten des Mittelalters die etwas umständliche Markenkleberei der anderen Versuche überflüssig macht.
Sie ist so einfach, daß man sie in einem Satz sagen kann: „Gebt Geld mit Ablaufdatum heraus!"
Das war auch bei den Brakteaten so. Da wurde das Geld lange Zeit einmal im Jahr gegen neues ansgetauscht. Der „Schlagsatz" wie man damals die Umlaufsicherung nannte (wobei es ihnen nicht einmal klar war, daß es eine Umlaufsicherung war) betrug damals allerdings 20 bis 25%. Wir wissen heute, daß auch 3 bis 5% genügen würden.
Das ist alles! Die Ablaufdaten sollten so gestaffelt sein, daß der Umtausch (oder die Anbringung eines neuen Ablaufdatums) sich so auf die 12 Monate verteilt, daß immer 11 Zwölftel der Geldmenge davon nicht berührt werden und so keine Stockung auftreten kann.
Die Umtauschgebühr von 5% ist somit die Umlaufsicherung, welche das Geld den Waren gleich stellt. Einfach, problemlos und sofort durchzuführen, wenn man nur will. Damit ist allerdings Geld nicht mehr als Wertaufbewahrungsmittel so gut geeignet wie jetzt. Es verliert in dem Fall 5% obwohl seine Wertbeständigkeit und somit seine Eigenschaft als Wertmaßstab erst jetzt garantiert werden kann.
Jetzt verliert Geld durch Inflation oft viel mehr als 5%, seine Eignung als Wertaufbewahrungsmittel ist also mehr als fraglich und die Leute benützen es bei Inflation auch kaum mehr dafür. Warum existiert also diese absolute Gegnerschaft gegen eine so einleuchtende und einfache Reform?
Sollten da Machtinteressen gefährdet sein?
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