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Schmidt schrieb am 30.9. 2012 um 13:39:50 Uhr über

Nervennahrung

Ich habe heute ! (letzter Tag im September) auf einem Münchner Erdbeerfeld die letzten roten Erdbeeren gesammelt und davon einen dick belegten knusprigen Mürbteig-Erdbeerkuchen gemacht. Nachher schmeiß ich zwei Sahnebecher in den Shaker mit einer CO2-Patrone, dann hab' ich die nächsten vier,fünf Tage reichlich Nervennahrung. Und vom Aldi hab' ich mir ein Kilo Miesmuscheln für 2.99 geholt die der Zubereitung harren. Da weis ich dann auch wofür die offene Flasche Riesling gut ist. Kleingeschnittene Schalotten, etwas Wein und die Muscheln im großen Topf auf höchste Stufe, ein paar Mal gut schütteln (Deckel festhalten) es ist schnell fertig. Die Muscheln müssen sich nur öffnen und ganz kurz garen. Dann sind sie zart. Wenn sie länger kochen , garen werden sie immer zäher und kleiner, das ist unbedingt zu vermeiden. Kurz gegart sind sie groß und ganz zart. Ich brauch da gar nix weiter dazu. Ein Stück Brot.
Mmmmmh!

Gespräche, von Gesicht zu Gesicht, das ist für mich auch Nervennahrung. Das fehlt mir am meisten. Ja, ich habe ein gewisses Phlegma. Aber ist nicht eingewachsen. Man kann es herausoperieren. Es mangelt an der Nachsorge. Man holt den Fischer aus seinem verstunkenen Kaff in dem sich in allen Ecken die Leichen häufen heraus, behebt sein Geschwür und schmeist ihn wieder zurück in eine dreckige Ecke wo er zusehen soll wie es weitergeht. Ist es ein Wunder. Ich müsste ein Heiliger werden. Ausharren mein Lebensziel werden. Verwerflich, nicht, eine viertel Tablette hier, fünfzehn Tropfen bitteres Elexier dort, zwei Zigaretten, mit gelegentlich auf der Straße gefundenem Einstreu. Siechtum hin oder her. Was mir fehlt sind Menschen, Freunde. Ich weiß gar nicht mehr so recht was das eigentlich ist. Immer sehe ich die Lehrer in ihnen oder den »Feind«. Ich will doch einfach nur dazugehören, mitmachen, ja, auch arbeiten. Es kann beglückend sein mit Menschen zu arbeiten. Ich hör jetzt auf damit und freue mich auf meine Muscheln und den Erdbeerkuchen. Außerdem sollte ich es ausnutzen daß ich im Moment Zugang zu einem Flügel habe und ein, zwei Stücke einüben. Das ist auch so ein Ding, ich übe da dann was ein und werde es nicht mehr spielen. Aber der Weg ist ja das Ziel. Ich bin ziemlich viel unterwegs in letzter Zeit. Ich leg' jetzt aber wirklich auf. Gestern hol' ich eine Zeitung aus dem U-Bahnhofspapierkorb München-Moosach, und was sehe ich, der Chefarzt Gradinger (mit Bild) räumt Auffälligkeiten bei Lebertransplantationen im Klinikum re/li? der Isar ein, der Arzt, der mich über die Narkose bei der Koloskopie aufklärte. (Das wird schon werden, sie können das Tilidin ruhig weiternehmen, das ist gar kein Problem, 15 Tropfen, überhaupt kein Problem).
Diese Bild in der Zeitung drei Tage nach meinem Gespräch mit ihm und die rede von Auffälligkeiten (ich war chloroformsüchtig) (ja, da haben wir heute aber ganz andere Dinge), hätte in mir wieder alle Alarmglocken der Psychose geläutet. Ich wäre geflüchtet aus München, trotz arschen Schwierigkeiten. Nun warte ich und hoffe, erstens das ich mich täusche was die Psychose betrifft, und zweitens, das wirklich alles recht glimpflich ausgehen wird. Meiner Oma haben sie den Bauch geöffnet und gesagt, es ist alles total verkrebst, das ist gar nichts mehr zu machen, es wird ein paar Wochen dauern. Mit ihr habe ich am Totenbett Gespräche geführt, sie war ganz klar aber schmerzfrei. Sie sagte, nein, ich habe keine Angst. Sie sagte, Du bist doch Chemiker, hast Du nicht ein Kriställchen für mich, jetzt. Sie sagte, alles ist gut. Im Hintergrund standen ihr Töchter und heulten um die Wette. Sie sagte, es ist sogar schön, ich weis es geht nun zu Ende.








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