Unwohl
Bewertung: 2 Punkt(e)Ob ich zur Fete käme. Ich sei doch in der Nähe. »Hm, mal sehen, weiß noch nicht genau.« »Wieso sagst Du nicht Nein, wenn Du keine Lust hast?« Weil ich es eben nicht genau wüsste. Ich würde doch nur so verschwommen reden, weil ich nicht direkt Nein sagen wollte. Ich denke nach: Ich kann nicht Nein sagen, nur weil ich nicht so recht wollte, aus Unbehagen, denn ich müsste in aller Konsequenz dann immer Nein sagen, zu allem und jedem, und mich einmauern. Und ich gehe von der Ungesundheit eines solchen Zustands und Verhaltens aus, daher muss ich stets im Widerspruch zu meinem Unbehagen leben. Dieser ungeliebte Widerspruch ist die letzte Hand, die vor dem Untergang noch aus dem Wasser ragt. Zweifellos würde ich mich sehr unwohl fühlen, das haben alle bisherigen Experimente im Kampf gegen die Angst und den dumpfen Unwillen bewiesen. Die Gesellschaft des Wohlseins macht es nur noch unerträglicher, eine Gesellschaft, in der das Wohlfühlen Pflicht ist und das Unwohlsein kein mutiger Protest gegen das Pflichtbewusstsein, sondern eine Degeneration, eine Schlaffheit, ein Versagen und eine Störung, die in den Graben getreten werden muss. Keine Lust haben? Das wäre noch das harmloseste. Lust und Unlust versteht jeder. Den Unlustbefallenen kann man anpöbeln, ohne ein Stück von ihm zu zerstören, fällt seine schlechte Laune doch irgendwann wieder von ihm ab. Das ist für alle Beteiligten grundlegend anders, wenn Unwohl gar nicht mehr die Negation von Wohl ist, eines Zustandes, der gar nicht mehr existiert, sondern an den glücklichsten Tagen nur ein Ununwohlsein zu erwarten ist.