Neukölln
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War heute Morgen vor der Arbeit in Neukölln, Termin für Wohnungsbesichtigung.
Tatsächlich: die Wohnungen dort sind mittlerweile, was die Neuvermietungen angeht, teurer als in Prenzlauer Berg, von Ausnahmen (wie der Wohnung heute) abgesehen. Einzimmerwohnung, 35 qm, geht selten unter 420 Euro ab. Mietsteigerung von knapp 20 Prozent per annum. Über die letzten drei Jahre.
Jetzt sagt man eben, das hat sich alles da so furchtbar 'gentrifiziert'. Einen Scheiß hat es sich! Ich hatte fast das Gefühl, seitdem ich da vor zehn Jahren weggezogen bin, wäre es schlimmer geworden. Gut, es gibt jetzt im 'Schillerkiez' gefühlte 2,5 'hippe' 'Pizzabars' und wohl auch 1,5 hoffnungslose off-off-off-Galerien. Jetzt ist es natürlich so, dass diese verzweifelten Versuche, abseits von Spielotheken, Wettbüros und schlecht sortierten Kiosken ein paar Akzente zu setzen, dass also diese sogenannte 'Gentrifizierung, dass die also diese unglaubliche Tristesse zwischen den goldbrandgestählten Nazischlägern auf der linken und den prügelnden, jungen arabischen Anabolikatwens auf der rechten Seite der Hermannstraße in einem nur noch krasseren Licht vor das Auge des entsetzten Betrachters stellt. [Die örtliche autonome Szene - heutzutage wohl berufssoziologisch einzugrenzen auf Informatiker, Webdesigner und gut verdienende Handwerker (kannte da mal einen flüchtig, der war Bootsbauer, irgendwas mit 17 Euro die Stunde in seinem Betrieb) versäumt es natürlich nicht, noch die abgeschmacktesten Schuppen, die bereits zwei Straßenzüge gegen den Wind nach Insolvenz, gescheitertem Unternehmertum, nach einer grandiosen Miskalkulation und einem harten Erwachen auf einem 'P-Konto' stinken, zum Hohn noch mit einem Eimer Farbe und grenzdebilen Parolen zu bedenken. Der Spaß sei ihnen gegönnt. Wie auch immer.]
Für die sogenannten 'hipster' in ihren engen hochgekrempelten Hosen bleibt da natürlich nur der Einbruch der Dunkelheit am frühen Winterabend, wenn die Säufer sich vor den ersten nächtlichen Ausrastern - zur Stärkung gewissermaßen - zur Ruhe legen und die örtliche Hamas vom Muezzin in die Moschee zum Abendgebet gerufen wird. Dann gilt es, schnell und unerkannt nach Kreuzberg einzureisen - ins gelobte Land!
Je nachdem: als ich heute um halb zehn vom Hermannplatz die Wissmannstraße hochgetölpelt bin, und der erste kapuzenverpulloverte Jugendliche, der meinen Weg kreuzte, folgendes sprach: 'alter, dickker, brauchste Gras!?!?', da musste ich fast schon wieder lachen. Oder weinen. Ist ja alles das selbe. Ich habe Neukölln aus meinem Wohnungsinserats-E-Mail-Abonnement auf Immobilien24.de gleich wieder dick gestrichen. Ich glaube, mittlerweile würde ich eher noch nach Hellersdorf ziehen... wär auch billiger! Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wieso ich es vor Jahren in Neukölln so lange ausgehalten habe. Wieso bin ich eigentlich weggezogen? Ach ja! ein Galtzkopf wollte mich auf offener Straße verprügeln. 2003 war das. Kurze Zeit später musste ich feststellen, dass er im Nachbargebäude quer über dem Hinterhof, einen Steinwurf nur, von mir entfernt wohnt. Glückliches Neukölln. Wo man gentrifizieren kann, ohne das gentrifiziert wird. Es bleibt alles so scheiße wie es ist, es wird nur enorm viel teurer. Das lobe ich mir. Prost!
Ach ja, die Wohnung heute habe ich natürlich nie von innen gesehen, da der Makler es wohl vorgezogen hat, bei der Kälte zu so früher Morgenstunde nicht zu erscheinen. Mir nur recht.