Kindesmißbrauch
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»Kindesmißbrauch« - da ist zunächst das hilflose Herumschrauben an Symptomen vor allem durch härtere Strafen für die Täter. Sie sollen abschrecken. Meint man wirklich, ein Täter würde, wenn er seinen Trieben in dieser Richtung nachgibt, darüber nachdenken, ob er nun mit 4 oder 6 Jahren Knast rechnen muß ?
Dann ist da diese Hysterie - ich denke an diesen Kindergarten, ich glaube in NRW, über den eine Horde Psychologen mit diesen Stoffpuppen hergefallen war. Das gesamte Personal wurde verhaftet, ein Riesenskandal heulte durch die yellow press - und nachher war das alles nichts, und es mußte sich eine noch größere Horde von Psychologen um die in diesem Sinne mißbrauchten Kinder - und die Erzieher kümmern.
Dann ist da dieses groteske sexuelle Tabu, daß durch diesen hysterischen Jugendschutz aufgebaut wird: vor ihrem 14. Geburtstag dürfen Kinder heute offiziell garnicht wissen, daß es sowas wie Sex gibt, und nach ihrem 14. Geburtstag fallen so gut wie alle Schranken - während das tatsächliche Alter des ersten Geschlechtsverkehrs inzwischen auf dreizehn komma irgendwas abgesunken ist. Und es gibt kaum noch Schulklassen ohne Teen-Moms, ohne Mädchen mit Abtreibungsschicksalen. Daß dies alles eine Verbesserung gegenüber dem früheren rechtlichen wie tatsächlichen Zustand ist, bezweifele ich sehr.
Das immer weiter angestrengte Tabu der Sexualität des Kindes und des frühen Jugendlichen in der Pubertät führt auch dazu, daß auch jede seriöse Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet verebt ist. Nur noch hinter halb vorgehaltener Hand darf man »vermuten«, daß es soetwas wie kindliche und frühpubertäre Sexualität vor dem 14. Geburtstag geben »könnte«. Da war man früher mal weiter: da wußte man, daß die sexuelle Entwicklung wesentlich früher, als vor dem 14. Geburtstag einsetzt, und man bemühte sich, zum Beispiel durch den etwas unglücklichen Sexualkundeunterricht, auf diese sich entwickelnde Sexualität »zuzugehen«, statt so zu tun, als gäbe es sie garnicht. Und das in einer atmosphäre der Sexualisierung, die ihresgleichen sucht. Jeder Tschibo-Katalog von heute hätte mir zu meiner Pubertätszeit als Onaniervorlage völlig ausgereicht; kaum noch ein Kind oder Jugendlicher ohne eigenen Internet-Zugang, der eine »brutalstmögliche Aufklärung« gewährleistet, während die Jugendschützer vom zarten Pflänzlein einer »vom Bösen« unbeeinflußten sexuellen Entwicklungen säusseln.
Dann die immer noch herrschenden Verklemmtheiten, trotz aller offenen Pornographie: Sex ist immer noch versaut, verdorben, schmutzig, pervers. Wer das nicht glaubt, der schaue sich die Sprache der Porno-Sites doch nur mal an ! Es ist uns in Deutschland bis heute nicht gelungen, Sex als etwas Gutes zu empfinden, und da hat die deutsche Frauenbewegung einen Löwenanteil daran. Schon der männliche Blick auf einen weiblichen Po ohne notariell beglaubigte Genehmigung der Po-Inhaberin wäre nach diesen emanzipatorischen Ansichten mit Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zwei Jahren zu ahnden, und jede Sexualität ausser der lesbischen sei Frauenfeindlichkeit schlechthin. Meine Pubertät hat schon in dieser Schnipp-Schnapp-Schwanz-ab-Atmosphäre stattgefunden, die ganze Generationen von Efrauzen erzeugt hat - und von tief verängstigten, ebenso frustrierten wie triebgeplagten Männern, von denen mit Sicherheit einige zu Tätern geworden sind und es noch etlich werden.
Das Spiegelbild ist eine Subkultur der Libertinage, die ebenso das Kind mit dem Bade ausschüttet: alles soll erlaubt sein, und gerade diejenigen sexuellen Spielweisen, deren Kern in der Ausübung von Gewalt, Unterwerfung, Demütigung usw. besteht, erfreut sich allergrößter Beliebtheit - warum wohl ? Wir haben es in diesem Lande niemals richtig gelernt, die Achtung vor der Würde und den Respekt vor dem anderen Menschen auch dann zu wahren, wenn wir mit ihm Sex haben.
Diese völlig verquere und verkorkste Haltung zur Sexualität ist es letztendlich, die hinter solchen Phänomenen wie Kindesmißbrauch, sexuell motiviertem Kannibalismus und ähnlichen Abscheulichkeiten steckt, in denen sich einfachste und natürlichste, aber kulturell und sozial verbogene und unterdrückte Triebe letztlich ihren mitunter grausigen Weg bahnen.
Ich danke für die Geduld und die Aufmerksamkeit, diesen nicht ganz einfachen Text zuende gelesen zu haben.