Vokabular beizubringen zum besseren Verständnis von Gesetzen und Vorschriften«.
Wie sah das Klischee-Bild vom Glück des Brasilianers aus? »Fußball, Frauen und Samba. Das Volk macht sich nichts aus Kunst.« Zu Recht machte sich das Volk nichts aus dem, was das TBC und ähnliche Theater Jahr für Jahr produzierten. Aber etwas ancibres gad es jä ni@ilt, zumai'ni@tit ih d@r verarmten Provinz.
Das sollte sich Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre ändern, als die Studentenbewegung erstarkte, die brasilianische Linke, die im Zeichen des Populismus auf Demokratie und Sozialismus hoffte, sich mutig an die Korrektur der gesellschaftlichen Verhältnisse machte. Unter der Führung von Francisco Juliäo schlossen sich die Bauern im Nordosten zu Ligas Camponesas zusammen, Arbeiter- und Bauerngewerkschaften wurden gegründet, Tausende von Volkskulturzentren (CPCS) schossen aus dem Boden, die von Studenten der UNE in enger Zusammenarbeit mit dem progressiven Klerus betrieben wurden. Das erste CPC entstand in Recife. Einer ihrer zentralen Programmpunkte war die Alphabetisierung der Landbevölkerung und der Favelabewohner der Großstädte nach der Methode von Paulo Freires Pädagogik der Unterdrückten: Alphabetisierung auch als Politisierung verstanden.
Die Versuche, ein brasilianisches Volkstheater zu entwickeln, waren in dieser Zeit eng verbunden mit Augusto Boal und der Gruppe des Teatro de Arena de Säo Paulo, zu der ehemalige Schüler der TBC-Schauspielschule zählten. Kaum 25 Jahre alt, hatte Boal das Teatro de Arena i956 gegründet, ein kleines Theater mit etwa i8o Plätzen im Zentrum von Säo Paulo. Von Anfang ' an veranstalteten er und seine zwölf Mitarbeiter zusammen mit Alphabetisierungsgruppen der CPCs am Stadtrand, in den Favelas, oder auf dem Land Straßenaktionen, schrieben und spielten zu konkreten Anlässen kurze Agitationsstücke, so auch während der Kubakrise und nach dem Sieg der kubanischen Revolution, die die brasilianischen Machthaber erheblich beunruhigte.
Nicht nur hohe Würdenträger der Kirche wie Carlos Carinelo Motta, Kardinal von Säo Paulo) sympathisierten mit den immer militanter werdenden brasilianischen Studenten und Intellektuellen und der revolutionären Bewegung im Land; auch Soldaten
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und Unteroffiziere schlossen sich zu einem @Militär-ArbeiterKommando- (Cornando dos Trabalhadores Militares) zusam1
rnen. Die Politik des Präsidenten Goulart entfaltete eine eigen tüml,che Dynamik: Goulart verstaatlichte amerikanische Erdölunternehmen, verabschiedete eine Agrarreform und gewährte sogar Analphabeten das Wahlrecht. In den Augen seiner Gegner, auch d@r K7ontratienten iii a@n eigenen ieiifru, wal weit gegangen.
Die Aktivitäten der Studenten in den Volkskulturzentren und etlichen neuerrtstandenen progressiven Theatern wie dem Teatro de Arena und dem Teatro de Oficina in Säo Paulo, das aus der ehemaligen Laienspielgruppe der juristischen Fakultät hervorgear, dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß es gangen w
nach wie vor Teatros Municipais und TBCs gab, die durch die plötzliche Konkurrenz veranlaßt wurden, mit billiger Unterhaltungsindustrie »made in USA do Brasil- die Bevölkerung stumm und apathisch zu halten. Selbst Zirkusunternehrnen beteiligten sich an dieser Gegenoffensive, indem sie in ihre Abendvorstellung mit täglich wechselndem Programm Theaterstücke einbauten; die Empresarios suchten die Straßencaf@s nach arbeitslosen Schauspielern ab, um sie für diese im genauen Sinn des Wortes »bunten Abende« zu verpflichten, einer Mixtur aus klassischen und modernen Szenen. Die »Aufführungen« und die zu Schauobjekten und Schaustellern heruntergebrachten Schauspieler waren ebenso austauschbar wie die einzelnen Akte der frühen italienischen Opern. Daran hat sich in Brasilien bis heute nichts geändert.
Viel zu wenige Theaterleute nutzten wie Augusto Boal die Chance, ein eigenständiges brasilianisches Theater zu entwickeln. Boals Ensemble schloß dem Theater eine Schauspieler- und Dramatiker-Werkstatt an, in der Stücke über die brasilianischen Zustände geschrieben und Schauspieler ausgebildet wurden, die so sprachen wie der Mann von der Straße. Gespielt wurde nicht auf einer erhöhten Illusionsbühne, sondern auf einer Rundbühne inmitten der Zuschauer. Die technische Apparatur war sichtbar, die Schauspieler saßen auf dem Boden, Auge in Auge mit den Zuschauern. Theater war für das Publikum des Arena keine Kultstätte mehr. Der Schauspieler war zum Menschen geworden.
Unter der Leitung Augusto Boals, von I956 bis I97I, durchlief das Teatro de Arena mehrere Phasen, die für Boals spätere Arbeit, auch in Europa, von Bedeutung sind. Bis die ersten Auftragsar-
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