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voice recorder schrieb am 2.1. 2003 um 06:01:12 Uhr über

Frieden



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Friedensratschlag gegen Irak-Krieg, weltweite
Aufrüstung und neoliberale Globalisierung

Mehr als 300 Teilnehmer/innen - reichhaltiges Programm - Signale aus
Kassel


Pressemitteilung

Mit mehr als 300 Teilnehmer aus über 110 Städten der Bundesrepublik, aus verschiedenen europäischen Ländern und
aus Israel war der »Friedenspolitische Ratschlag«, der am Wochenende zum neunten Mal an der Universität Kassel,
stattfand, so gut besucht wie noch nie.

In drei Plenarveranstaltungen und 19 Arbeitsgruppen wurde an zwei Tagen über zahlreiche Aspekte des Terrorismus
und des sog. »Krieges gegen den Terror« gesprochen. So wurde etwa am ersten Tag eine kritische Bilanz des
Afghanistan-Krieges gezogen, es wurden die militärstrategischen Planungen von NATO, USA und EU untersucht, und
es wurde - unter verschiedenen Gesichtspunkten - über die wirklichen Hintergründe und Anlässe von »Terrorismus«,
islamischem Fundamentalismus und der Ideologie des »gerechten Krieges« nachgedacht. Außerdem fanden Foren
über die »Friedensfähigkeit« der Kirchen und die politische Macht (oder Ohnmacht) weltweiter Koalitionen zur
Abschaffung der Atomwaffen statt.

Am zweiten Tag lag der Schwerpunkt der Arbeitsgruppen und Foren auf den positiven Alternativen, welche die
Friedensforschung und eine friedensorientierte Politik anzubieten haben. Globalisierungskritische und ökologische
»Nachhaltigkeits«-Ansätze wurden hier genauso vorgestellt und diskutiert wie konkrete Alternativen zur Gewalt im
israelisch-palästinensischen Konflikt oder spezifische Arbeitsformen mit kriegstraumatisierten Frauen und
friedenspädagogische Vorschläge zur zivilen Konfliktbearbeitung und Bürgerbeteiligung. Hinzu kamen Expertenforen,
die sich mit der Rolle der Medien im Krieg (aber auch im Frieden), mit Perspektiven gewerkschaftlicher Friedensarbeit
oder mit dem Konzept eines »sozialistischen Pazifismus« befassten.

Besondere Akzente setzten die Referenten der drei Plenarveranstaltungen. Am Samstag referiert die
Europa-Abgeordnete Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann über die Chancen Europas, eine »Friedensmacht« zu werden und
somit einen anderen Weg einzuschlagen als ihn zur Zeit die USA gehen. Die Chancen hierfür stehen allerdings - so ihr
kritisches Fazit - nicht sonderlich gut. Prof. Dr. Werner Ruf (AG Friedensforschung der Uni Kassel) beschäftigte sich mit
der gegenwärtigen Lage einer aus den Fugen geratenen Welt, die offenbar nur die Wahl hat, entweder im Schlepptau
der USA in einer dauerhaften und höchst brisanten »Welt-Un-Ordnung« zu versinken oder sich unter Berufung auf das
Völkerrecht und die UN-Charta zu einer wirklichen Weltgemeinschaft souveräner und gleicher Staaten zu entwickeln, die
dereinst nicht mehr an ihrer militärischen Stärke, sondern an ihrer Gewährleistung bürgerlicher und sozialer
Menschenrechte gemessen werden sollten. Dr. Reinhard Voß, Generalsekretär von pax christi, sprach über ein neues
Leitbild christlicher Friedensarbeit, in dessen Zentrum die Begriffe »gerechter Friede« und »Gewaltfreiheit« stehen
müssen. Am Sonntag hieß das Thema für den einleitenden Vortrag von Prof. Dr. Jörg Huffschmid (Uni Bremen und
Mitglied des Beirats von Attac): »Alternativen zur neoliberalen Globalisierung«. Fortschritte im Kampf gegen Hunger,
Massenelend, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus in der »Dritten Welt« ließen sich nur über eine Änderung der
gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialpolitik der Staaten der »Ersten Welt« erzielen.

Die Veranstalter, die AG Friedensforschung an der Universität Kassel und der Bundesausschuss Friedensratschlag,
gehen davon aus, dass Friedenspolitik sich heute mehr denn je der strukturellen Ursachen und Bedingungen für einen
nachhaltigen Frieden vergewissern muss, will sie erfolgreich sein. Dazu gehören das Aufdecken und die Überwindung
ökonomischer und sozialer Ungerechtigkeit insbesondere zwischen »erster« und »dritter Welt«.

Zum Abschluss des "Ratschlags berieten Vertreter der Friedenswissenschaft, der Kirchen, der Gewerkschaften, der
globalisierungskritischen und der Friedensbewegung Möglichkeiten und Perspektiven ihrer Arbeit. In einer
Abschlusserklärung wurde noch einmal vor dem drohenden US-Krieg gegen Irak gewarnt. In diesem Krieg gehe es
weder um »Antiterror-Kampf«, noch um Massenvernichtungswaffen noch um die Herstellung von Demokratie und
Menschenrechten. Vielmehr gehe es den USA um die Durchsetzung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen in
einer der energiereichsten (Öl-)Regionen der Welt. Die Teilnehmer verlangten von der Bundesregierung, bei ihrer
ablehnenden Haltung gegen den Krieg zu bleiben und dies durch Taten zu unterstreichen. So dürfte die
Bundesregierung den USA für ihren völkerrechtswidrigen Krieg keine Überflugsrechte gewähren und die Nutzung der
Militärstützpunkt in Deutschland nicht erlauben. Außerdem müssten die deutschen »Fuchs«-Panzer aus Kuwait und die
Marine aus der Golfregion schnellstens abgezogen werden. Der Krieg gegen Irak, so stellte Peter Strutynski in seinem
Einleitungsreferat fest, verstoße »gegen jede Vernunft und gegen jedes internationale Recht« und sei "ein großes
Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

An Vorschlägen, wie die Öffentlichkeit sich noch in die Auseinandersetzung über Krieg und Frieden einmischen könne,
mangelte es nicht. So verlangte eine Teilnehmerin, Waffeninspektionen auch in den USA durchzuführen, die doch
nachweislich über die größten Vorräte an A-, B- und C-Waffen verfüge. An die Gemeinden und Städte sollte appelliert
werden, meinte ein anderer Teilnehmer, sich öffentlich mit der Kriegsfrage zu befassen und entsprechende Erklärungen
gegen den Krieg zu verabschieden. Der Bundestag sollte eine Anhörung veranstalten, bei der Vertreter der
Friedensforschung und der Friedensbewegung gehört werden sollten. Beifall gab es regelmäßig, wenn
Diskussionsredner/innen eine stärkere Kooperation nicht nur mit Attac, sondern auch mit den Gewerkschaften forderten.
In seinem Schlusswort äußerte Peter Strutynski den Wunsch, dass der DGB-Vorsitzende Michael Sommer bei der
Großkundgebung gegen den Krieg am 15. Februar in Berlin für die Gewerkschaftsbewegung sprechen werde.

Zum ersten Mal fand im Rahmen eines Friedensratschlags auch ein ökumenisches »politisches Nachtgebet« statt, das
von Vertretern beider christlicher Konfessionen gemeinsam gestaltet wurde. Die Veranstaltung fand so viel Anklang,
dass die Organisatoren versprachen das Angebot im nächsten Jahr zu wiederholen.

Kassel, 8. Dezember 2002
Für die AG Friedensforschung an der Uni Kassel und den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)


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