>Info zum Stichwort Attac | >diskutieren | >Permalink 
kontextslow schrieb am 6.6. 2002 um 01:03:30 Uhr über

Attac

Die Globalisierung folgt dem falschen Programm


Überflüssig. Als ihn ein deutscher Kollege am frühen Morgen telefonisch alarmiert, lässt Harald Guttmann alle Illusionen fahren: «Die Perspektive ist null», weiß er sofort. Er wird künftig nicht mehr gebraucht. Wer nach 33 Jahren als Schlosser und späterer Betriebsrat in einer Reifenfabrik seinen Job verliert, hat nicht mehr viele Optionen im Arbeitsleben. Nach einem Jahr Arbeitslosengeld mit rund 60 Prozent des bisherigen Gehalts droht der Absturz in die Sozialhilfe.
Guttmanns Wut ist ebenso groß wie hilflos: «Willkür, das ist reine WillkürAus dem Stand kann er eine Stunde lang die Unternehmensgeschichte herunterbeten. «Noch vergangenes Jahr hat der Vorstandschef uns das Gegenteil versprochen. Wir haben alle Kürzungen mitgemacht, und jetzt machen sie uns den Laden dicht», erzählt er und kann seine Sicht der Verhältnisse nur mit einem historischen Begriff beschreiben: «Die herrschen wie die Feudalfürsten.»'

Traiskirchen, Österreich, 6. Dezember 2001: Ohne nähere Begründung hat der Vorstand des Reifenkonzerns Continental in Hannover beschlossen, die 105-jährige Geschichte des Werkes in der 14000-Einwohner-Stadt zwanzig Kilometer südlich von Wien zu beenden. Rund 1500 Menschen werden in den kommenden anderthalb Jahren ihren Job verlieren, nochmal tausend werden in den Zulieferbetrieben gehen müssen. Die Arbeitslosenquote im Bezirk wird sich verdoppeln. Das gleiche Schicksal trifft zeitgleich weitere 800 Conti-Reifenwerker im schwedischen Werk Gislaved. In den Vormonaten war der Hammer schon in zwei anderen europäischen Werken gefallen. In Herstal, Belgien, mussten sich 500, im schottischen Newsbridge 800 Reifenproduzenten neue Arbeit suchen.
Dabei hat der Konzern in Österreich einen goldenen Schnitt gemacht. Für nur 440 Millionen Schilling, das entspricht rund 40 Millionen Euro nach heutigem Wert, hatte die Continental AG einst das Traiskirchener Werk aus dem österreichischen Staatsbesitz gekauft

19

sende von Staatsbetrieben entweder radikal rationalisieren oder im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz untergehen. Gut 30 Millionen Arbeitsplätze gelten als akut gefährdet. Diese Perspektive münzte der künftige VW-Chef Bernd Pischetsrieder in eine ungewollt finstere Prophezeiung: Der WTO-Beitritt werde (4auf China einen ähnlichen Effekt haben wie der Fall der Mauer auf die 1)DR», sagte er bei der Vorstellung des neuen Polo-Modells in Schanghal - ein Umbruch, der den Giganten am Gelben Fluss schnell zerreißen könnte.
Denn auch einem großen Teil der nach wie vor 900 Millionen Köpfe zählenden chinesischen Landbevölkerung droht brutale Entwurzelung. Billige Nahrungsmittellmporte aus den U S A und anderen Überschussländern können Abermillionen Bauern um ihr ohnehin kärgliches Einkommen bringen. Schon jetzt ziehen aber an die 80 Millionen Heimatlose auf der Suche nach Arbeit durch die Städte. Während eine kleine neureiche Mittelschicht ihren Aufstieg mit Streifzügen durch die neuen Shopping Malls von Schanghai oder Schenzen feiert, fällt für vier Fünftel der Bevölkerung vom weltweit gefeierten chinesischen Wachstumswunder kaum mehr ab als das blanke Überleben. (@Vor fünfzehn Jahren gab es in China nur geringfügige Einkommensunterschiede. Heute sind wir beim Gegensatz zwischen Arm und Reich Weltspitze», konstatiert Wang Hui, Chefredakteur der Zeitschrift Dushu, eines der wenigen kritischen Blätter im Land. 3

Standort Erde, im Dezember 2001: Wachsende Arbeitslosigkeit, soziale Spaltung, immer größere wirtschaftliche Unsicherheit für eine ständig wachsende Zahl von Menschen - so lauten weltweit die Botschaften aus der globalisierten Ökonomie. Von Lateinamerika über Westeuropa und die islamische Welt bis nach Japan formiert sich daher Widerstand gegen die globale Integration - allerdings mit höchst unterschiedlicher Zielsetzung. Attac und viele hundert weitere Initiativen und Organisationen in Nord und Süd fechten für politische Reformen der Welthandels- und Weltfinanzordnung, die das Zusammenwachsen der Weltmärkte so gestalten, dass es möglichst allen Menschen nutzt.
Doch die Erfolge dieser Globalisierungskritiker sind noch bescheiden, verglichen mit der Durchschlagskraft einer ganz anderen
Bewegung: Quer durch fast alle Industriestaaten, und erst recht in

24

ebnen Nat' zahlrechen Entwicklungsländern, verzei ion Rechtspopulisten Zulauf wie nie zuvor. Fremdenfeindlic bung und Abschottung gegen ausländische Produkte ersc verunsicherten Bürgern das Gebot der Stunde. Siehe und Abwehrstimmung bestimmen die politische Agend dem Eindruck wachsender Gewalt innerhalb und zwische neu suchen Regierungen aller Couleur Zuflucht im Aus zeiapparate und der Umlenkung der staatlichen Ressour litärische Aufrüstung. Mit der «wachsenden Fragmentier Welt der Globalisierung den Rücken», warnt Stephen nommierte Chefökonom der Wall-Street-Bank Morga drohe ein globaler Rückschlag für das Zusammenwachs neu und ihrer Märkte.'
Dabei hätte doch alles ganz anders kommen sollen. G das sei «die Chance, mit offenen Märkten wirtschaftlic zu fördern, Ressourcen effizienter zu nutzen, Lebensbed Wohlfahrt der Menschen zu verbessern», formuliert R sechs Jahre als Chef der Deutschen Bank Führer eines d Finanzinstitute der Welt, das Credo der Globalisierer und Regierungen.'
Dies ist auch keineswegs falsch. Die grenzenlose von Märkten, Unternehmen und Informationsflüssen b das Potenzial, die Spaltung der Menschheit in Arm überwinden und die Ursachen für Kriege zu beseitigen tische Erfolg früherer Armutsländer wie Südkorea, Ta laysia belegt, dass unternehmerisch organisierter Kapi nologietransfer aus den Wohlstandsnationen in die Staa mehr zur Überwindung der Unterentwicklung beitrag staatliche Entwicklungshilfe - vorausgesetzt, den Re bleibt die Möglichkeit, den Prozess mit Hilfe von Zol der Kontrolle des Kapitalverkehrs in ihrem Interesse z Das Gleiche gilt für die Friedenssicherung. Die Integration Europas war zweifellos das wirksamste Fri der Menschheitsgeschichte. Dass deutsche Soldaten len oder Frankreich überfallen, ist im integrierten En wegige Idee, dass sie nicht einmal von rechtsradikale



   User-Bewertung: 0
Jetzt bist Du gefragt! Entlade Deine Assoziationen zu »Attac« in das Eingabefeld!

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Attac«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Attac« | Hilfe | Startseite 
0.0218 (0.0109, 0.0095) sek. –– 847297631