>Info zum Stichwort Empire | >diskutieren | >Permalink 
sportplatzt schrieb am 18.9. 2003 um 23:49:43 Uhr über

Empire

technologischen, sozialen, psychischen, kulturellen Dimensionen im Übergang zu einem langfristigen Formierungsprozess.
Die Kräfte und Energien, die die alternativ gewordene Linke in der ersten Welle ihrer Rocliade auf die Seite der Macht eingebraclit hat, sind erschöpft, moraliscii am Ende. Unter dem Ruf »Globalisierung gestalten« sucht sich im Kampf gegen die alten Zöpfe, Strategien und Institutionen eine frische Expertokratie geschichtsmächtig zu machen. Sucht sie das Feld der Anti-Globalisierer zu besetzen und bis in seine radikalen Bestandteile in den Prozess einer »vemünftigen« Globalisierung einzuspeisen. Es sind in Zukunft nicht mehr die Omas und die Opas aus den Grüiien und der Heinricii-Böll-Stiftung, die das Heft in die Hand nehmen. Sie taugen nur als Paten und selbst ihre Jugendorganisationen sind so abgestanden wie die Jusos der 80er Jahre. Es sind neue »Neue Bewegungen«, die die Initiative an sich reißen - in NG0s, an runden Tischen, in lockeren Verbänden (wie Attac), in wechselnden Bewegungsformationen.
Hardt und Negri appellieren mit all ihren rhetorischen Mitteln an ihr Begeliren, sich zu Gestaltern, Schöpfern, Herren einer neuen Welt zu machen, sich zu neuer Gesellscliaftlichkeit zu vemetzen und sich in den Herrenpositionen der Netzknoten zu einer liegemonialen Schicht zu vergeineinschafteii. Wenn ich die Transformationsprozesse der Linken in einem analogen Stadium des Take-off nach den katastrophalen Einbrüchen der »new econoiny« (im Chemie- und Elektrosektor) vor dem ersten Weltkrieg richtig verstanden habe, dann ist ihr Appell nicht völlig unrealistisch und weit weniger spekulativ als es den Anschein haben mag.
Die radikale Linke ist in dieser Phase dringender denn je darauf angewiesen, sich ihrer Geschichte zu vergewissern. Und das ist zuallererst die Geschichte der sozialen Revolution in ihren wirkliclien historischen Prozessen, in den Kampfformen des lebendigen Widerstands, die sich mit all dem konfrontiert haben, was WN auf ihre Fahnen schreiben: dem Zugriff neuer Technologien und der entsprechenden Zurichtung in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Aber das ist auch die Geschichte der Linken, die den Bezug zu diesen Prozessen suchte, um eines vor allem zu begreifen: so gewaltig und komplex sich das Arsenal der Unterwerfung auch auftürmte, so großartig und kompliziert ihr wissenschaftlicher und technischer Ausdruck geworden ist, seine »Fortschritte« sind nie

i64

mehr als totes Kapital, Fortschritte in den Technologien der Unterwerfung, Fortschritte seiner Kampfmittel. Sie sind trostlos tot und ärmlicli gegen die lebendigen Formen des prozessierenden Widerstands, in denen sich die Menschen emanzipieren - Formen neuer Gesellscliaftliclikeit, neuen Kosmopolitismus, neuer Identität, einer jeweils erneuerten moralischen Ökonomie, neuer Lust, neuen Witzes, neuer Kultur, einer neuen Welt.
Der faschistisclie Anspruch auf Verschmelzung von Kapital und »Leben«, wenn man denn diesen synthetischen Begriff einmal zulassen will, die vitalistische Unterjochung kann sich nie verwirklichen, eben weil es Kapital ist. »Leben« wird immer ein Außen des Kapitals bleiben.
Ich will nicht die Simplifikationen 1-1/Ns mit anderem Vorzeieben wiederholen. Aber wenn man schon Fortschritte in der Ära des römischen Reiclis sucht, dann nicht im römischen »Ei-npire« und den Naclifolgeprojekteii des auglistiiiisclien Katholizismus, wie H/N es in Übereinstimmung mit neoit-nperialistisclien Str@ii-nungen der USA tun. Sondern die Fortschritte, in denen die religiös-politisclien Bewegungen Palästinas ihre emanzipativen Ansprüclie, ihre »Seele« gegen die korrupten Ideologien der römischeu Sklaveiilialtergesellscliaft zur Geltung brachten. Und zwar in einer solchen Intensität, dass von ihr revolutionäre Bewegungen nicht nur im Mittelalter und den Bauemkriegen an der Schwelle der Moderne, sondern bis in die russische und mexikanisclie Revolution zelirten.
Und wenn wir heute die noch undeutlichen Ausdrucksformen suchen, in denen sich die Kräfte der Befreiung gegen die Herrenenergien manifestieren, dann genügen in der Tat weder Analyse und Kritik, noch philosophische Spekulationen über Seele und die Formen, und keinesfalls irgendein Gegenkitsch. H/N stellen die Frage: ist dein »Begehreii« reif für die Rocliade auf die Seite der Macht? Und die FAZ ergänzt in ihrer Rezension (mit wohlwollendein Willkommen für die Wiederaufersteliung der »Reichsidee«): ist es reif für diese Art »marxistisclieii Manifests« aus der Herrenperspektive? Das muss jede/jeder für sich entscheiden.
Es sind nicht H/N, die uns diese Entscheidung aufzwingen, sie versuchen sich nur als Nutznießer einer historischen Chance. Sie wird vielmehr von der historischen Situation selbst aufgezwungen. Die einen werden ihre Sehnsucht nach Vergemeinschaftung ihrer Energien in den Dienst der Vernetzung kapitalistischer Macht

i65



   User-Bewertung: -1
Die Verwendung von Gross/Kleinschreibung erleichtert das Lesen!

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Empire«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Empire« | Hilfe | Startseite 
0.0237 (0.0164, 0.0058) sek. –– 868250026