Selbstüberschätzung
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Allzuhäufig Grund für den Anonymitätswahn im Internet. Ich kann mich noch an die Tage erinnern, als ich nach dem Auszug aus meinem Elternhause im Sommer 2000 in meiner sündhaft teuren Wandsbeker 15qm-Wohnung saß, und mit einem nagelneuen AOL-Account (2 Monate später gekündigt) erstmalig meine viele Freizeit auch im Internet totschlagen konnte. Maßlos war meine Verwunderung, als ich damals im Napster-Chat unter Echtnamen zum Spaß meine Bankverbindung samt Adresse gepostet hatte, damit mir etwaige Wohltäter aufgrund meiner Irre flirrenden Exzellenz - die mir schon damals als wandelndem Exzellenzcluster naturgemäß innewohnte - größere Summen Geldes schicken könnten, und mir aber darauf hin von allen Seiten angeraten wurde, solches zu Unterlassen, da es ein Gefährliches wäre, Daten, welche die eigene Person auch jenseits dieses besseren Bildschirmtextes fassbar machen könnten, zur allgemeinen Einsicht im diesermaßen öffentlichen Raum zu hinterlassen.
Da fragt man sich natürlich, ob es nicht auch eine Gefährdung in ebensolcher Hinsicht darstellt, als Eintrag im Telefonbuch vertreten zu sein, schließlich könnte einem auch auf diesem Wege jeder Interessierte auf den Zahn fühlen.
Ganz und gar grotesk muteten mir in diesem Sinne auch die Beschwerden eines Bekannten an, dem ich hier an anderer Stelle unter Erwähnung seines Geburts- wie Familiennamens einmal in trunkener Stunde jovial und durchaus wohlmeinend - denn ich bin ein großer benefactor - geraten habe, er solle einmal, aus Gründen welche tief im Reich des ästhetischen nach Baumgarten zu finden sind, seine Haare von einer Fachkraft entsprechend kürzen lassen.
Die Reaktion fiel verheerend aus. Durch einen mir bis dahin unbekannten Mechanismus sollte es sich nämlich solcherhand fügen, daß fortan auf die Eingabe jenes inkriminierten, recht exotisch anmutenden Personennamens im Suchfeld von Google, eben jener angesprochene Beitrag als Nummer Eins auf der Liste der zu dieser Zeichenfolge gefundenen Ergebnisse erscheinen sollte, was dem Gemeinten nicht lange verborgen blieb, da er, womit ich zudem nicht rechnen konnte, offenbar die - meiner Meinung nach füglich als verschroben zu bezeichnende -
Angewohntheit besaß (und wohl bis auf diesen Tage besitzt), in periodischen Abständen Internetsuchen nach seinem eigenen Namen durchzuführen, wobei ihm das von mir dargelegte aus obig beschriebenen Umständen, natürlich nicht entgehen konnte.
Anklagen, äußerst verwerfliche Anklagen, wurden also in der Folge an meine Adresse gerichtet, deren Kern sich offenbar in der Befürchtung der solchermaßen sich verleumdet gesehen habenden Person fand, eine solche öffentliche Erwähnung könne sich negativ auf seinen zukünftigen Übertritt in die Berufswelt auswirken. »Wie das?«, fragte ich mich in bechtigter, größtmöglicher Verwunderung. Ich bekam vom sich geschädigt Fühlenden zur Antwort, daß zukünftige, potentielle Arbeitgeber auf von ihm gesandte schriftliche Bewerbungen hin im Prozess ihrer, seine Eignung betreffenden, Entscheidungsfindung auf die Idee kommen könnten, zwecks einer eingehenderen Klärung der Frage nach Charakter und Lebenswandel des Bewerbenden eine Internetrecherche durchzuführen, um so ganz unvermutet auf jene Empfehlung eines Haarschnitts zu stoßen, welche hier öffentlicherseits vor Jahr und Tag von mir an ihn herangetragen wurde.
Der Einwand, der von mir in meiner flirrenden Exzellenz hochvermögend vorgetragen würde, nämlich der, daß nur ein absoluter Irrer, ein Arbeitgeber mithin, unter dem man sowieso als normaler Mensch nicht arbeiten wollte, so etwas tun würde, kam offenbar nicht richtig zur Geltung. Dabei hat, und das ist doch recht pikant, der Klage Führende offenbar geflissentlich übersehen, daß, um des Beweises der Länge seiner Haare willen, ein Blick auf sein Bewerbungsfoto genügen würde, hier also mitnichten elektronische Recherche notwendig wäre, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß hier die hochscharfe Schere des Baaders angezeigt sei.
Grundsätzlich, und hiermit will ich schließen, ist es also eine trügerische Vorstellung, man könne sich im Internet durch das geflissentliche Wahren der eigenen Anonymität schützen. Das für jeden Menschen relevante Verhängnis findet so oder so jenseits des Bildschirms statt.
(Das soll so auch allen Rohrstöcklern und Päderasten ein bedenkenswertes Gleichnis sein)