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Olympia-Aus für die »Gazelle«
Nun ist es offiziell: Nach einer abenteuerlichen Flucht aus Sydney und stundenlangem Polizeiverhör in Singapur wird die französische Medaillenhoffnung Marie-José Pérec nicht mehr bei den Olympischen Spielen antreten.
Sydney - Die Aufsehen erregende Flucht von Marie-José Pérec hat ihrer Konkurrentin Cathy Freeman endgültig den Weg zur australischen Nationalheldin geebnet. 36 Stunden vor Beginn der Vorläufe über 400 Meter verließ die dreifache Olympiasiegerin aus Frankreich unter mysteriösen Umständen Hals über Kopf Sydney. Nach tagelangem Versteckspiel in der Olympiastadt flog die 32-Jährige am Mittwoch über Melbourne nach Singapur und besiegelte damit ihr Olympia-Aus.
»Marie-José Pérec hat am Mittwoch, dem 20. September, australisches Territorium verlassen. Das bedeutet, dass sie von den Olympischen Spielen zurückgetreten ist«, bestätigten Frankreichs NOK-Präsident Henri Serandour und Sportministerin Marie-George Buffet in einer gemeinsamen Erklärung. Gleichzeitig traten sie Gerüchten entgegen, Pérec habe sich mit dem überhasteten Aufbruch Dopingkontrollen entziehen wollen. »Die französische Delegation kennt keine Gründe, aber sie möchte klarstellen, dass es keineswegs mit Dopingtests zusammenhängt«, hieß es.
Von Singapur aus wollten Pérec, ihr Lebensgefährte Anthuan Maybank und ihr Rostocker Trainer Wolfgang Meier weiter nach London reisen. Doch so weit kamen sie gar nicht, weil der amerikanische Staffel-Olympiasieger Maybank die Nerven verlor. Der frühere 400-Meter-Sprinter hatte bei der Zwischenlandung auf dem Flughafen Changi den Kameramann Kyme Hallion vom australischen Fernsehsender Channel 9 tätlich angegriffen und leicht verletzt. Der TV-Mann, der die »Flüchtlinge« filmen wollte, musste zur ärztlichen Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden, wo er auf Kopfverletzungen untersucht wurde. Anschließend wurden Pérec und Maybank neun Stunden lang in einem Polizeirevier von Singapur vernommen.
Am späten Abend stellten die Behörden in Singapur ihre Ermittlungen ein und erlaubten dem Paar die Weiterreise nach Paris. »In Anbetracht der Tatsache, dass Herr Maybank und Frau Pérec die Absicht hatten, Singapur schnell zu verlassen, hat die Polizei die Nachforschungen beschleunigt«, sagte Polizeisprecher Phillip Mah, »keine der Parteien wurde unter Arrest gestellt.« Nach seinen Angaben hat das Büro des Generalanwaltes die Polizei angewiesen, nichts weiter zu unternehmen.
Das Drama um die eigenwillige Doppel-Olympiasiegerin von Atlanta, die sich seit ihrer Ankunft in Sydney im Grand Mercure Hotel verschanzt hatte, spitzte sich am Mittwoch zu. Nach Auskunft ihres Managers Annick Avierinos hatte ein Fremder versucht, in ihr Zimmer einzudringen, und sie bedroht. »Deswegen hat sie entschieden, die Spiele in Sydney zu verlassen«, sagte er. Doch weder die Sicherheitskräfte des Hotels noch die Polizei in Sydney wissen etwas über einen derartigen Vorfall.
Allerdings scheint es, als sei der dramatische Abgang lange vorbereitet gewesen. Pérec weigerte sich, mit ihren Teamkollegen im Athletendorf zu wohnen, dort zu trainieren und zur offiziellen Pressekonferenz zu erscheinen. Stattdessen zog sie sich mit ihrem Trainer Wolfgang Meier für 70 Australische Dollar (rund 87 Mark) Grundgebühr und 65 Australische Dollar Miete pro Stunde ins abgeschirmte Sydney Athletic Field in Kensington zurück.
Noch am Mittwochvormittag hatte sie ihre Teilnahme offiziell bestätigt und fand sich auch noch in den Startlisten vom Donnerstag - auf Bahn drei im fünften Vorlauf ausgelost - wieder. Vor allem von Seiten der Australier wird nun spekuliert, dass sie wegen fehlender Form ein Theater inszeniert hatte, um einen Vorwand für die vorzeitige Abreise zu haben. »Ich denke, wenn sie nicht hier ist, war sie offensichtlich nicht in guter Verfassung. Deswegen wäre es ohnehin kein großes Rennen gewesen«, meinte Australiens Cheftrainer Chris Wardlaw mit Blick auf das avisierte Duell mit Cathy Freeman. Pérec galt als einzig ernst zu nehmende Rivalin der Doppel-Weltmeisterin im Kampf um Olympia-Gold.
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