liamara
Bewertung: 14 Punkt(e)
Liamara macht einen Abendspaziergang durch Alt-Berlin. Die Geräusche der Stadt werden leise und andächtig, ziehen sich die Schuhe aus und laufen nur noch in Strümpfen durch die schmalen Gassen. Liamara geht an einigen Wänden mit rostigen Gitterbrillen vorbei, welche schlummernde Fensteraugen schützen. Sie spürt, daß sich in den Ritzen und Rillen Erinnerungen festgekrallt haben. Verschollene Laute kauern in den Nischen. Fetzen verstorbener Worte flattern fledermausgespenstisch von Wand zu Wand.
Die Gasse ist voll von vergangenen Dingen: vergammelten Sauerkrautwaffeln, zerbrochenen Wombats und abgenagten Pappnasen. Vergessenes hüllt Stein, Dach, Fenster und Mörtel ein. Alles liegt eingebettet in flaumigen Wattebauschen der Tristesse wie kostbare alte Edelsteine in zärtlichen Etuis.
Liamara gibt sich der Stimmung Alt-Berlins eine Weile hin, dann macht sie auf dem Absatz kehrt und denkt sich »Papperlapapp!« Sie schießt zum nächstgelegenen Imbiß und schiebt sich einen Döner rein.
Unterdessen verflattern in Alt-Berlin die Reste gewesenen Lebens. Oben ein dunkelblaues Rechteck Herbsthimmel wie ein eigens zugeschnittener Blaupapierstreifen.
Und auf dem Maueransatz hockt eine Katze.