Ich-hatte-einen-Parkplatz-am-Fusse-der-NGong-Berge
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Ich-hatte-einen-Parkplatz-am-Fusse-der-NGong-Berge, mit einem kleinen Parkwächter-Häuschen aus die Sonnenhitze in den getupft blauen Himmel reflektierendem Zinkblech mitten in der Mitte und einem Plastik-Gartenstuhl unter einem ausgeblichenen Coca-Cola-Sonnenschirm an der durch rotweißes Flatterband markierten Ausfahrt. Das Parken war mit 20 Shilingi pro Stunde für Besitzer von PKW mit ausländischem Kennzeichen nicht gerade günstig, die 3 Shilingi für Einheimische hätten mein Auskommen jedoch nicht sichern können.
So traf es sich gut, dass der Fuß der Ngong-Berge vorwiegend von expatriierten Holländern besucht wurde - Leutchen, die seit Jahrzehnten in Kenia zu leben gezwungen waren, ohne Zugang zu einem ordentlichen Stück Edamer oder Limburger, was sie gelegentlich dazu brachte, meinen kleinen Parkplatz mit ihren DAFs, Volvo-Kombis und Nedcars voll zu stellen, um eine oder mehrere Nasen voll Käseduft vom Fuß zu nehmen. Kamen sie zum ersten Mal, so dauerte es mindestens eine Stunde, bis sie mit verklärtem Gesichtsausdruck wieder auf meinem Parkplatz standen, mir ihre Shilingi in die Hand drückten und voll des Lobes über den exquisiten Geruch nach Boeren Leidenkaas, Meshanger oder Frison zu ihren Autos schritten, nicht ohne erneutes Kommen anzukündigen.
Anderes hatten sie nicht im Sinn. Was auch? Sie hätten Ngongs jagen können, kleine, verhutzelte Kreaturen mit ledrig-runzeliger Dickhaut und ebensolchem Geschmack. Einige wenige Neulinge ließen sich auf ein Picknick am Berghang ein - bis sie, von Nashornameisen ihrer Kleider und der Haut empfindlicher Körperteile beraubt, den kleinen sandigen Pfad zum Parkplatz herunter gelaufen kamen und sich nie wieder blicken ließen.
Nein, die anderen Kreaturen, deren Dasein dauerhaft einige Abwechslung in mein Parkwächter-Dasein brachten, waren die Geochemiker. Wohl wissend, dass man mit üppigen Drittmitteln ausgestattet sein muss, um in abgelegenen Gegenden der Welt natürlich entstandenen Käsedüften auf den Grund zu gehen, kostete sie das Abstellen ihrer mobilen, klimatisierten Labor-Trucks 100 shilingi pro Stück und Stunde. Stets schwärmten sie unter Mitnahme undefinierbarer, meist handlicher Messgeräte aus, hielten Sensoren und Antennen in die Luft, in die spärlichen Pfützen und an das grünliche, von jahrzigtausendelanger Verwitterung gerundete Gestein, kamen eine Stunde später zurück, steckten die Köpfe zusammen, murmelten und packten dann immer etwas Größeres aus, das sie auf einen Handwagen verluden und ächzend und schwitzend den steilen, sandigen Pfad entlang schoben, bis ihnen die Puste weg blieb. Das Gerät, was immer es auch maß, verfügte immer über einen Aufgabetrichter zur Aufnahme irgendwelcher Feststoffe oder Flüssigkeiten, eine mal sirrende, mal stampfende Pumpe sowie über ein Rohr, das die eingefüllten Materialien nach einiger Zeit in festem, flüssigem oder gasförmigem Aggregatzstand wieder von sich gab.
An einer seiner Seiten war stets eine Digitalanzeige (ich erinnere mich, dass vor zwanzig Jahren stattdessen Skalen mit Zeigern in Mode gewesen waren), außerdem war irgendwo ein Plotter angebracht, der stets klemmte, nachdem entweder eine Bö das Gerät mit grünlichem Sand eingedeckt oder ein Nieselregen den auf seiner Oberfläche anhaftenden Staub in grünliche Schmiere verwandelt hatte, die unweigerlich in den Meßschreiber tropfte.
Gelegentlich denke ich an jene beschaulichen Zeiten auf meinem kleinen Parkplatz zurück, die ich in der Hängematte schaukelnd in meinem Zinkblechhäuschen verbrachte, stets ein Hirsebier in Reichweite. Meist las ich dabei lange Schmöker irgendwelcher Leute, die meinten, Ahnung von Afrika zu haben und dann doch nur den immergleichen Sums von Kolonialkriegen, Knallorgien auf große Tiere, Mücken, Sümpfen, tropenbehelmten Dippedappern oder Farmen am Fuße der Ngong-Berge erzählten. Farmen!! Wo doch jeder Askari und jeder Bwana weiß, dass an den Ngong-Bergen nur Rykkebysche, Ameisen und Ngongs wachsen!
Warum, ja warum nur habe ich das nette Ambiente verlassen und gegen ein Parkhaus an der Fressgass eingetauscht? - Ach, wäre ich doch bei meinem Käseduft in Kenia geblieben! Ach, hätte ich mir doch weiter all die Käsegeschmäcker von meinen holländischen Freunden beschreiben lassen! - So ruiniert einen der Wissensdurst; eines Tages erwachte in mir die Idee, all die Käsesorten aus den Erzählungen auch einmal zu kosten, wurde innerhalb weniger Jahre zu einer fixen; die Schmöker flogen aus meinem Zinkdomizil und machten Platz für Bildbände von Gräfe & Unzer, wenn ich meine Käselaune bekam, wurde ich ungenießbar - und eines Tages verscherbelte ich den ganzen Laden an einen Geochemie-Dozenten, der trotz 300 Seiten Habilitation über katalytisch in Grünschiefern entstandene hydrothermale Alkanone nicht zum ordentlichen Professor berufen worden war - und kaufte mir vom Ersparten mein Parkhaus. Natürlich musste ich zuallererst zu »Bethmanns Feinkost« rennen, alles an Käsesorten kaufen, was er vorrätig hatte und es mir kiloweise in den Rachen schrauben ...
Seitdem kenne ich die schreckliche Wahrheit: Käse schmeckt absolut widerlich!!!