Entzugserscheinungen
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Ach, so ein Gehirn ist doch ein recht empfindliches Organ, an dem man nicht dauernd herumspielen sollte. Besonders fies finde ich ja den Alkohol, weil ich Opiate und ihre Wirkung nur vom Hustensaft her kenne und auch kein Interesse habe, Erfahrung auf diesem Gebiet zu sammeln.
Es ist doch erstaunlich, wie schnell sich das Nervensystem einen Ausgleich zum chemischen Angriff auf die Synapsen einfallen lässt... Entzugserscheinungen sind quasi das Gegenteil zum Rausch, ein Kippen der Hirnchemie in die andere Richtung.
Beim CSD in Leipzig hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, Entzugserscheinungen bei der Arbeit beobachten zu dürfen: ein älterer Herr lag neben der Straße, und die zivil nicht all zu couragierten Schwuppen zogen an ihm vorbei, als läge er gar nicht da. Glücklicherweise hatte unser kleiner Trupp zwei Ärzte dabei, die zwar ordentlich besoffen waren, aber trotzdem erste Hilfe leisten konnten. Ihr Patient war nicht ansprechbar und gerade damit beschäftigt, sich die Zunge abzbeißen. Blut lief aus seinem Mund.
Ich dachte zunächst, er sei einfach nur gestürzt und ließ die Mediziner machen. Etwas abseits, um nicht im Wege zu stehen, wartete ich, ob ich eventuell assistieren müsste, und beobachtete das Geschehen.
Irgendwann kam dann tatsächlich der Notarztwagen. Unsere beiden Helden des Tages wurden zunächst nicht für voll genommen, aber als sich herausstellte, dass sie nur gerade ohne Kittel und Stethoskop unterwegs waren, ließ man sie gewähren. Dem Mann mit dem Krampf wurde ein Keil zwischen die Zähne geschoben, wie sich das gehört.
Als sich unsere Ärzte die Kotze abgewischt und den Patienten in die Obhut des Notdienstes entlassen hatten, meinte einer von ihnen, dass der Typ doch tatsächlich noch die Elektroden von seinem letzten Aufenthalt in einem Krankenhaus auf der Brust kleben hatte.