Geliebtes Leipzig !
Schon seit Kindertagen verzauberst Du mich. Und wenn es nur solch einfache Dinge wie das Laufen auf den großen Steinplatten auf dem Gehweg oder Sommertage am Kulkwitzer See waren. Natürlich nicht zu vergessen das Gefühl, was man hatte, wenn man den damals scheinbar riesigen Weihnachtsbaum sah, auf dem Kinderkarussell fuhr, Kräppelchen aß. Und natürlich die Kleinmesse. Und auch die Eisbären im Zoo. Fahrrad-Ausflüge zum Auensee am Sonntag. Die Zeit mit den geliebten Großeltern.
Später begeisterst Du mich mit Deinem Flair bei Nacht, aber auch bei Tage in der Stadt.
Lange Sommer-Abende in der MB, im damaligen U2, im (früher noch annehmbaren) Nachcafe. Diese Stimmung Mitte der Neunziger Jahre. Unbegrenzte Freiheit, Unbegrenztes Leben, Natürlichkeit, Friedlichkeit, Spüren des unbeschreiblichen Potentials dieser, meiner, unserer Stadt. Feiern bis in den Morgen, in vollem Rausch und bei Amselgezwitscher nach Haus. Dann die Zeit der zunehmenden Erfolge, Leipzig etabliert sich, Tiefensee als Leitfigur der Stadt. Optimismus überall. Zunehmend jedoch wird Dir das unbeschreibliche, positive und freie Gefühl genommen. Oberflächlichkeit, Spiesbürgertum, Materialismus, Ellenbogenmentalität, Fremde schleichen sich ein. Die Menschen beginnen sich zu wandeln, versuchen ihren Platz zu finden, sich einzuordnen, das Zuhause als Rückzugspunkt.
Quo vadis, Leipzig? Dies zu beantworten ist nicht leicht. Wirtschaftlicher Aufschwung und Rückkehr zu alter Größe einerseits, menschlicher und vor allem wertlicher Verfall andererseits. Wie auch immer, es liegt an jedem von uns. An jedem, der wie ich diese Stadt von Herzen liebt. Leipzig, ich werde Dich verlassen müssen; jedoch mit dem Wissen, dass ich zurückkehre, hier meine Kinder großziehen und vielleicht auch sterben werde.
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