Bildersturm
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Was mir Hasib Karim al-Din erzählte.
Sollte ich vor diesem Leben ein anderes gehabt haben? Was ich manchmal träume - nichts hat das mit meinem Leben zu tun.
Ein Bildersturm war es, ein rasender Bildersturm, der meine Seele, bevor sie meinen Leib verließ, reinigen und befreien sollte.
Davon flogen die Bilder von vorgetäuschter Schönheit, von vorgetäuschter Liebe und von vorgetäuschtem Tod. Davon flogen die Bilder von unzweifelhaftem Mord und Massengräbern. Ich fühlte keine Schuld. Oder ist Neugier eine Mitschuld?
Auch meine eigensten Bilder flogen fort! Fort alle Bilder meiner Lehrer, meiner Familie, meiner Freunde, fort zuletzt mein eigenes Spiegelbild.
Dann war Dunkelheit. In der Dunkelheit ein Summen von Stimmen. Alle je an mich gerichteten Worte waren da, auch Worte, die ich längst vergessen oder nie beachtet hatte.
Dann war Stille. In der Stille schwebte nur ein Duft: wie Vanille, zart und beseligend.
Heute bin ich 22 Jahre alt, verheiratet und habe ein Kind. Ich habe mein Dorf noch nie verlassen. Ich fühle mich beschützt vom Bildschirm meiner Religion.
Nie habe ich eine schönere Frau gesehen als meine Ehefrau.
Wer außer Gott und den Seligen ertrüge die Schönheit, wenn sie nicht hinter einem Schleier verborgen wäre.
Oft erzähle ich meinem kleinen Sohn Geschichten. Kämpfe aller Art gefallen ihm. Mit den sonnegebleichten Wirbelknochen eines Schafs spielt er im Sand alle Begebenheiten nach. Nichts vergißt er, ein wenig erfindet er.
Mit anderen Kindern wird mit verteilten Rollen gespielt. Jetzt vermischen sich alle Geschichten, manchmal entstehen neue, oft verwirrt sich der Faden der Handlung und vom Kampf erhitzt, entflieht mein Sohn dem Spiel und springt in meine Arme; wunderbar riecht er nach Schweiß und etwas Vanille.