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PDS-Mitglied schrieb am 12.11. 2001 um 01:04:36 Uhr über

PDS

PDS ungleich SED. Bitte merkt euch das - ein für alle mal ...

Die PDS hat sich vom Stalinismus der SED unwiderruflich befreit
Erklärung des Parteivorstandes der PDS zum 13. August 2001

Die Mauer wirft noch immer Schatten

Kein Ereignis der Nachkriegsgeschichte hat die Deutschen und vor allem die Berlinerinnen und Berliner in Ost und West so traumatisch begleitet wie der Bau der Mauer am 13. August 1961. Die im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges vollzogene Teilung Deutschlands wurde wortwörtlich zementiert. Das inhumane Grenzregime, die Toten an der Mauer und den anderen Westgrenzen, wurde zum Kainsmal der DDR und des Ostblocks. Mit der Öffnung der Mauer am 9. November 1989 fand die Blockkonfrontation ihr Ende, wurde das Tor zur deutschen Einigung und zur Überwindung der bipolaren Nachkriegsordnung aufgestoßen.

Zu Recht werden wir in diesen Tagen nach unserem Verhältnis zum 13. August 1961 und zum 17. Juni 1953 gefragt. So wie wir vor einigen Wochen nach unserer heutigen Position zur Vereinigung von KPD und SPD im Jahr 1946 gefragt wurden.

Die Geschichtsdebatte begleitet die PDS seit ihrem Bruch mit der SED im Dezember 1989. An unseren Antworten zu Fragen der Geschichte wollen und sollen die Menschen ersehen, inwieweit wir uns von der SED-Vergangenheit gelöst haben und zu einer kritisch mit der eigenen Geschichte umgehenden, demokratisch und rechtsstaatlich verlässlichen Partei entwickelt haben.

Geschichtsdebatten dürfen keine kurzatmigen Manöver zum parteitaktischen Vorteil sein. Die immer wieder an die PDS herangetragene Aufforderung zur Entschuldigung für das von der SED begangene Unrecht verfolgt allerdings genau dieses taktische Kalkül: indem sich die PDS entschuldigte, bezeugte sie ihre vermeintliche Kontinuität als SED - indem sie es nicht täte, um so mehr.

Tatsächlich geht es einerseits um die historische Aufarbeitung und andererseits um die deutliche politische Wertung aufgrund heutiger Erfahrungen und Erkenntnisse. Dabei fallen Biographien, historische Erklärung und politische Wertung nie unmittelbar zusammen.

Den 13. August 1961 aus der Geschichte zu erklären, darf nicht heißen, die Mauer politisch oder moralisch zu rechtfertigen

Der Parteivorstand hat mit Interesse die Thesen der Historischen Kommission aus Anlass des 40. Jahrestages des 13. August 1961 zur Kenntnis genommen.

Darin werden sehr detailliert historische Umstände und Folgen des Mauerbaus dargestellt. Die Schließung der Sektorengrenze zu West-Berlin am 13. August 1961 lag in der Logik der damaligen weltpolitischen Entwicklungen. Die Mauer war die Antwort auf den drohenden Exodus der DDR und entsprach dem in der Berlin-Krise gefundenen Arrangement der Großmächte über die anhaltende Aufteilung der Welt bei Vermeidung eines neuen Weltkrieges. Der 13. August 1961 setzte den Schlussstein unter die Nachkriegsordnung und verfestigte die im Resultat des von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieges eingeleitete Aufteilung der Welt. Sie sicherte der Sowjetunion ihre Einflusssphäre bis nach Deutschland hinein, und schützte sie nach ihrem Verständnis vor einem erneuten deutschen Überfall wie im Jahre 1941.

Die Tatsachen, dass Konrad Adenauer lieber »das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb« begehrte, dass es zweifellos vom Westen her damals eine propagandistische und ökonomische Offensive gegen die DDR gab, taugen schon deshalb nicht zur Rechtfertigung der Mauer, weil es keine logische Begründung dafür gibt, dass ein kapitalistischer Staat verpflichtet sein könnte, einem sich sozialistisch nennenden zu helfen und nicht ihn zu bekämpfen.

Der Mauerbau war der in Beton gegossene Nachweis der Unterlegenheit des stalinistisch geprägten Sozialismustyps in der DDR gegenüber dem realen damaligen Kapitalismustyp in der Bundesrepublik.

Was sich der Westen vorwerfen lassen muss, ist vor allem die Tatsache, dass er keine Verständigung in der festgefahrenen Deutschlandpolitik zustande brachte und nicht bereit war, die Realität der DDR vor dem Mauerbau, sondern erst durch ihn und nach ihm anzuerkennen. Die von Willy Brandt eingeleitete Entspannungspolitik, der Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten sowie das Abkommen von Helsinki hatten damit zu tun, dass der Westen der Mauerrealität nicht mehr ausweichen konnte.

Tatsache ist jedoch:

Die Errichtung der Berliner Mauer war keine Lösung, um die Existenz der DDR zu retten. Internationale Konflikteindämmung und Machterhalt der SED-Führung erfolgten auf Kosten der Freiheit der eingemauerten Bevölkerung der DDR.

Als demokratische Sozialistinnen und Sozialisten und mit dem Blick auf das endgültige Scheitern des Staatssozialismus können wir den damaligen Rettungsversuch der DDR durch die Mauer nicht rechtfertigen. Die Logik des Kalten Krieges ist nicht die Logik demokratischer Sozialistinnen und Sozialisten, denn der Preis für diese Art der Rettung der DDR war die endlos aufgeschobene und nie eingelöste Demokratisierung der Gesellschaft, die Akzeptanz und Gewöhnung an beachtliche Einschränkungen individueller Freiheitsrechte.

Die Mauer war weder demokratisch noch sozialistisch

Unterstellt, dass 1961 in Berlin nicht nur über und schon gar nicht allein durch die DDR entschieden wurde, unterstellt, dass seinerzeit nicht nur eine weitere Ausreisewelle die DDR belastete, sondern ein System-Krieg noch immer politisch-strategisch als denkbar galt - ist aus demokratisch-sozialistischer Sicht nicht zu verstehen, dass nicht wenigstens nach dem Mauerbau auch von östlicher Seite offensiv Politik gegen die Mauer gemacht wurde.

Statt alles zu tun, die inhumane Mauer schnellstmöglich wieder abzubauen, hat die SED die eigenen zaghaften Reformbemühungen bald wieder eingestellt, enthielt sie der DDR-Bevölkerung den Vergleich der Gesellschaftssysteme durch eigene Anschauung der Welt vor, gewöhnte sie sich daran, nur in der eigenen Welt zu leben, richtete sie sich im Schatten der Mauer ein. Statt das Bedauern über die Einschränkungen zu bekunden, wurde der Mauerbau als Sieg gefeiert, wurde versucht die Mauer zu verewigen.

Der permanente Ausnahmezustand an den Grenzen und der Ausbau der Grenzsicherungsanlagen in den darauf folgenden Jahrzehnten entsprach auch und vor allem der Logik des Machtverständnisses und der Sicherheitsdoktrin der Führungen von KPdSU und SED.

Die Mauer verfestigte den Kalten Krieg insbesondere nach innen. Auch die letzte Chance, die Mauer im Rahmen des KSZE-Prozesses der 70er und 80er Jahre loszuwerden, verspielte die SED-Führung. Der Sozialismus in den Mauern der DDR verlor auch für Linke jede Anziehungskraft.

Als im Sommer 1989 Hunderttausende die DDR verließen, hatte Erich Honecker gerade den vielzitierten Satz gesprochen: »Die Mauer wird in 50 Jahren und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sindEr sprach ihn in Richtung Westen, doch im Osten entfaltete er seine Wirkung.

An der bitteren Einsicht, dass der Staatssozialismus in der DDR am Ende war, als die Mauer gebaut wurde und es kein Konzept zu ihrer Überwindung gab, führt kein Weg vorbei. Die Bevölkerung der DDR war zum Bau der Mauer und zu ihrer Fortexistenz nie gefragt worden. Die Mauer wurde so zum Symbol des Demokratiedefizits in der DDR. Bürgerrechte, wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Reisefreiheit, waren zentrale Forderungen der späten 80er Jahre an eine DDR, die sich demokratisieren sollte. Dass in diesem Kontext die Mauer friedlich fiel und dass es in diesem historischen Moment keine verzweifelte letzte Staats-Gewalt gab, bleibt ein breit getragenes demokratisches Merk-Mal. Als die Grenzen geöffnet waren, wählten die Menschen den bis dahin gekannten Sozialismus ab.

Sozialismus gedeiht eben nicht als Befehlssystem, nicht unter Bajonetten, nicht im Schatten von Panzern, nicht hinter Mauern. Ein Staat, der sein Volk einsperrt, ist weder demokratisch noch sozialistisch. Was immer die konkreten, historischen Umstände waren, die zu dem Ereignis am 13. August 1961 führten - diese Lehre ist für die PDS unumstößlich.

Kein Staat darf seine Bürgerinnen und Bürger zwingen in ihm zu leben, wenn sie es nicht wollen. Jede und Jeder hat nur ein Leben und muss selbstbestimmt entscheiden können, wo sie oder er es verbringt.

Es gibt keine Rechtfertigung für die Toten an der Mauer

Kein Ideal und kein höherer Zweck kann das mit der Mauer verbundene Unrecht, die systematische Einschränkung der Freizügigkeit und die Gefahr für Freiheit sowie an Leib und Leben, beim Versuch das Land dennoch verlassen zu wollen, politisch rechtfertigen. Auch wegen historischer Umstände vorgenommene Menschenrechtsverletzungen bleiben elementare Menschenrechtsverletzungen.

Am 40. Jahrestag des 13. August 1961 gilt deshalb unser Gedenken den an der deutsch-deutschen Grenze zu Tode Gekommenen, den Verletzten, den Inhaftierten und von Repressalien Betroffenen sowie ihren Angehörigen. Wir bedauern das von der SED als der dafür verantwortlichen politischen Kraft ausgegangene Unrecht. Das Schicksal der Opfer und die Einschränkungen der Würde und der Lebenswege vieler Menschen berühren uns tief.

Im Schatten der Mauer verschwanden die Horizonte

Die politische Teilung und die Ost-West-Konfrontation hat Langzeitwirkungen, die wir auch heute noch spüren. So schwer es war, sich mit der Mauer abzufinden, so schwer fällt es heute vielen zu begreifen, dass es sie tatsächlich nicht mehr gibt. Deshalb muss die Überwindung der Mauer in den Köpfen die Erfahrungen beider Seiten aufnehmen.

Der Sozialismus, für den wir eintreten, gründet auf den Werten von Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Die Menschen, die wir erreichen wollen, müssen auf unsere sozialistischen Ideale, Werte, Bestrebungen vertrauen - und deswegen sicher sein können, dass sich die negativen Seiten des so genannten real existierenden Sozialismus mit uns niemals wiederholen werden.

Wir sind eine sozialistische politische Partei, die sich zu Demokratie und Pluralismus bekennt. Wir wissen, dass gerade die Freiheit der Einzelnen Voraussetzung der Freiheit aller ist - weil wir eine dauerhafte, von den Menschen getragene Alternative zur kapitalistischen Gegenwart wollen, keine staatssozialistische Episode wie im 20. Jahrhundert.

Der Streit um das rechte Maß und die rechte Qualität von Freiheit, der Streit um die besten Verhältnisse zur Beförderung eines Lebens in Menschenwürde kann selbst nur in Freiheit und Menschenwürde geführt werden oder er erstickt.

Die PDS hat sich vom Stalinismus der SED unwiderruflich befreit.

Quelle: http://www.pds-online.de/politik/aktuell/view_html?zid=278&bs=1&archiv=1



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