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solarschule schrieb am 19.2. 2003 um 03:40:34 Uhr über

Medienbetrieb

nächstliegenden Gruppen zu betrachten, zu beneiden, zu verachten, zu imitieren. Diese soziale und geistige Wuselei wird von einem durchaus leistungsfähigen, sozial differenzierten Kultur-, Tourismus-, Sport-, Unterhaltungs-, Pornografie-, Prostitutionsund Medienbetrieb befördert. Sie ist in Wirklichkeit geistige Erstarrung und regsame SelbsterbLindung, so wie sie Heinrich Heine (1797-1856) in seinen Sittenbildem aus dem enthemmten Kapitalismus Frankreichs geschildert hat52 und wie sie heute in ungleich quatifizierterer Form die Nichterkenntnis des Verhältnisses von arm und reich begleitet.
Bourdieu hat die hochgradige Vielfalt dieses Betriebes untersucht. Zu dessen Merkmalen gehört auch die Fähigkeit, Ansätze und Bewegungen der Kritik und der Revolte mit kundiger Hand in Posen zu transformieren, die den nach Kritik und Revolte Bedürftigen schicht-, gruppen-, regional- und geschtechtsspezifisch immer etwas Aufmunterndes und Interessantes bieten. 53 Die Rockgruppe »Rolling Stones« wäre hier ebenso zu nennen wie, auf ein ganz anderes Milieu bezogen, etwa die deutsche Malergruppierung der »Jungen Wilden« (Lüpertz, Immendorf und andere). Sie sind Schauspieler erstarrter Posen von Aufruhr, Kritik und Revolte. Bei den Parteien sind das in Deutschland die »Grünen«, die mit einem wenn auch verblassten, aber immer noch nostalgisch transportierten Flair der Opposition (in Einzelfällen gar mit dem anrächig-schaurigen Image des Steinewerfers) den politischen Apparat der Reichtumsverteidigung vedüngen. Ästhetik Der Betrieb der regsamen gesellschaftlichen Selbsterbündung ist von einer besonderen Ästhetik geprägt. Sie bewegt sich spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg zwischen inhaltsleerer Abstraktion und naturalistischem Kitsch. Beide Extreme entstanden etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Westeuropa (abstrakte Kunst einerseits und öffentlicher Naturalismus andererseits), also in der Epoche der großen Auseinandersetzungen um ein qualitatives neues Verhältnis zwischen arm und reich. Die abstrakte Kunst gestaltet die prinzipielle Nichtaussage, der Naturalismus das krude, illusionäre Glücksversprechen. 54 Diese wider-

52 Vgt. Fußnote 1

53 Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede, a.a.O., S. 460

54 Siehe dazu genauer Hans Heinz Holz: Der Zerfalt der Bedeutungen, BietefeLd 1997; zur Ästhetik erschien in der »Bibtiothek dialektischer Grundbegriffe« der Band »Mimesis« von Thomas Metscher.

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sprachlich scheinende Ästhetik der gegenwärtigen kapitalistischen Moderne durchzieht die künstlerischen Ausdrucksformen in Literatur, Kunst, Unterhaltung und wirkt auch in Wissenschaft und Philosophie, nicht zuletzt auch in der öffentlichen Sprache. Die geistig anspruchsvolle Weltferne hat hier ebenso ihren Platz wie das politische Versprechen auf die plötzliche Schaffung neuer Arbeitsplätze in der nächsten parlamentarischen Wahlperiode.
Eine wesentliche Macht für die Organisation der die gespattene Welt versöhnenden Moral stellen die großen verldrchlichten Retigionsgemeinschaften dar. Seit ihrer jeweiligen Erhebung zu Staatsldrchen stehen sie, Islam, Buddhismus wie Christentum, auf der Seite der Armen und des >einfachen Volkes<. Sie predigen, so das Christentum, die entsagungsvolle Armut als die vorbildliche Lebensführung, in der sich Gott offenbare, und ohne die kein Heil möglich sei. Sie betätigen sich zugleich als große Eigentümer, agieren politisch auf der Seite des Reichtums und segnen Diktatoren und Flugzeugträger.
Obwohl der Sozialismus oder Kommunismus zumindest vom Anspruch her eher der von den Retigionsgründem geforderten Lebensführung entspricht als die vom jeweiligen Reichtum beherrschte Geseltschaftsform, war und ist dem verldrchlichten und verstaatlichten Christentum die generelle Ablehnung einer eigentumsmäßig egalitären Gesellschaftsordnung sozusagen eingeboren- »Der verwirklichte Kommunismus [... 1 ist der zum Ausbruch gekommene, verhaltene Grünm der Armut oder der Ärmeien gegen den Reichtum,(, so wetterte Johann Hinrich Wichern (1808-1881), ein kirchlicher Sozialpolitiker, gegen den befürchteten Aufstand seiner Klientel, die er im Interesse seiner geschäftsmäßig aufgezogenen Fürsorge nicht verlieren wollte. 55 Dagegen wurden die an der Armut orientierten Bewegungen, die im Kontext entfesselten Reichtums entstanden und zeitweise großen Einftuss im Volk erreichten, schließlich kirchlich umfunktiorüert, wie die Bettelorden des Mittelalters, oder sie kamen über eine Randexistenz innerhalb der Kirchen nie hinaus, wie die südamerikanische Befreiungstheologie des 20. Jahrhunderts oder die zahlreichen Armen- und Arbeiterpriester, die zwar geachtete, aber gefährdete Einzelerscheinungen blieben. Das in

55 1 Zitiert nach Ernst-LJLrich Huster: Stichwort »Armut«, in: Europäische
Enzyktopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Hamburg 1990, Bd. 1,
S. 258

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