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solarschule schrieb am 21.2. 2003 um 00:02:21 Uhr über

Grenzkontrolle

Saarbücken ging es durch die Eifel, an Aachen und Lüttich vorbei, durch ganz Belgien, bis nach Lille und dann Calais. Ein kleiner Umweg, doch Kurt kannte die Strecke in- und auswendig. Die Autobahn war nachts frei, und die beiden Fahrer wechselten sich am Steuer ab. Dreimal machten sie Halt, damit die Kinder auf die Toilette konnten. Zweimal überquerten sie Grenzen, von denen aber für die Reisenden kaum mehr zu bemerken war, als daß die Farbe der Straßenmarlderung und die Art der Beleuchtung wechselte. Hügelige, menschenleere Gegend in Deutschland, breite hellerleuchtete Autobahnen in Belgien, beginnender Berufsverkehr bei Sonnenaufgang in Frankreich.

Die IOW@N Meter

Gegen acht Uhr morgens erreichten sie den Eurotunnel bei Calais. An der ersten Sperre ist nur die Gebühr von rund 700 Mark zu entrichten, ftinfzig Meter dahinter befinden sich die französische und die englische Grenzkontrolle. Dazwischen der Duty-Free-Shop und eine monumentale Skulptur, die die ungemeine Anstrengung, England mit dem Festland zu verbinden, versinnbildlichen soll. Um die Abfertigung zu vereinfachen, haben sich die beiden Länder gegenseitig ein Stück Territorium abgetreten. Die französischen Grenzer winken die meisten Wagen durch. Großbritannien, das nach wie vor die Schengener Verträge nicht unterzeichnet hat, besteht auf eine eigenständige Einreisepolitik. Normalerweise werfen die Grenzer einen Blick in die Pässe, tippen Daten in den Fahndungscomputer, fragen vielleicht noch nach Zweck und Dauer der Reise, und dann geht es weiter auf die Verladerampe für den Tunnelzug, der alle halbe Stunde den Terminal verläßt.
Die letzten Meter vor der englischen Grenze kamen den beiden Fahrern wie eine Ewigkeit vor. Bis jetzt war alles mehr oder weniger Formsache: Eilige Fracht und ein paar Stunden Nachtfahrt - für einen Kurierfahrer nichts ungewöhnliches. Es war anstrengend, aber verglichen mit dem, was die Familie in ihrer Heimat erwarten würde, eigentlich keine Ursache. Gefahr lauerte allenfalls auf den Raststätten, wo die Insassen im Fond des Wagens Zivilstreifen oder den Bediensteten verdächtig hätten

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erscheinen können. Kurz vor der Grenze hatten die beiden noch einmal das Steuer gewechselt, und Braun hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen.
Dann waren sie endlich auf britischem Territorium, und die Familie eigentlich in Sicherheit. Die beiden reichten ihre deutschen Pässe aus dem Fenster, da passierte das Unerklärliche oder im Nachhinein nur allzu erklärliche: Zufall, Pech oder was auch immer. Wahrscheinlich war es bloß Nervosität oder das riesige Fahrzeug, das der Kollege nicht zu rangieren gewohnt war. jedenfalls touchierte der Caravan mit seinem großen Außenspiegel das Abfertigungshäuschen aus Wellblech. Die Grenzer wurden auftnerksam und verlangten einen Blick ins Wageninnere. Kurt Braun hatte vorgesorgt: Die sechs Kinder waren auf dem Bett über der Fahrerkabine unter einem Haufen Bettwäsche versteckt. Die drei Erwachsenen verbargen sich unter Bänken an der Seitenverkleidung. Erst kam eine Polizistin, die nichts bemerkte. Als sie schon kehrt machte, trat plötzlich ein weiterer Beamter in den Wagenfond und schob mit einer Routinegeste die Bettdecken zur Seite. Er entdeckte die Kinder. Kurt Braun sitzt seit über einem Jahr nun in englischen Gefängnissen. Seinen fünfzigsten Geburtstag verbrachte er in der Polizeistation Folkstone, auf der anderen Seite des Tunnels. Am 27. Dezember wurde er dann einem Schnellgericht vorgeführt. Der Vorwurf. Menschenschmuggel. Braun, der kaum Englisch sprach und keine Ahnung vom englischen Rechtssystem hatte, bekannte sich vor dem Gesetz schuldig und übernahm instinktiv die volle Verantwortung für sein Handeln. Was das für Folgen haben könnte, bildete er sich im Traum nicht ein, und mit seinem Pflichtverteidiger konnte er sich auch kaum verständigen. Drei Tage nach seiner Verhaftung wurde Kurt Braun nach Canterbury verlegt, wo er die nächsten zwölf Monate verbringen sollte.

Reisch für Magefangene

Abseits der Touristenströme, die in den mittelalterlichen Stadtkein einfallen, und hinter schmucken Reihenhäusern aus Backstein befindet sich die Haftanstalt. Kurt Braun arbeitet hier

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