Während die meisten Fetischszenen im Internet und nicht zuletzt im Blaster eine Heimstatt gefunden haben, von den regressiven Ausflügen ins Kaka-Pupa-Land über das Tragen unzweckmäßiger Bekleidung bis hin zur Erzeugung von Missempfindungen durch ein weites Spektrum von Gerätschaften, hält sich die kleine Gruppe der Blutliebhaber auffällig bedeckt. Sie hat es aber auch nicht leicht: Das beginnt schon damit, dass die naheliegendste Bezeichnung 'Hämophilie' bereits anderweitig besetzt ist. Zudem haben die Sanguinisten, wie sie sich mangels besserer Begriffe nennen lassen müssen, obwohl dieses Wort bereits für die Missionare des heiligen Bluts, eines eher marginalen Kirchenordens reserviert ist, ähnlich wie die Freunde des Putrismus mit einer Reihe von Vorurteilen und Restriktionen zu kämpfen, die sich zumeist an den hygienischen Aspekten dieser Passion festmachen. Dabei ist jedoch anzumerken, dass die Sanguinisten neben der Übereinkömmlichkeit die gesundheitliche Verantwortung so stark wie nur wenige Sexualdeviante zur Voraussetzung der Hingabe machen: Ein leidenschaftlicher Sanguinist ist ein mindestens ebenso guter Analyst von Blutsenkungen und –bildern wie der gewöhnliche Hausarzt, ja bisweilen ein deutlich besserer: Unter den 'Sangus', wie sie sich nennen, lässt sich ein großer Anteil von zum Teil sogar habilitierten Medizinern finden, neben den fleischverarbeitenden Berufen und solchen der Exekutive ist ihr Anteil derjenige, der am signifikantesten überproportional vertreten ist. Horrormeldungen der Boulevardpresse über nächtliche Orgien in Blutbanken oder Ritualbeschreibungen, die in auffälliger Weise den Schilderungen von Pessachopfern ähneln, wie sie in der antisemitischen Literatur des ausgehenden Mittelalters verbreitet sind, bilden in keiner Weise die Lebenswirklichkeit der blutliebenden Szene ab. Vielmehr herrscht in den zahlenmäßig beschränkten Zirkeln eine entspannte Atmosphäre des 'do ut des' vor, eine nachgerade urchristlich anmutende Gegenseitigkeit bestimmt den Umgang der Szenemitglieder miteinander. Wer einmal Zeuge einer Blutparty geworden ist und die Aura von sakramentaler Stille erlebt hat, über der nur das sanfte Rauschen der Pumpen wie ein leiser Orgelton schwebt, wird sich im Nu seiner Vorurteile beraubt sehen.
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