laufen
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Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und schwinge mich aus dem Bett. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir den strahlenden Sonnenschein draußen. Schnell noch ein Glas Wasser und einige Dehnungsübungen, dann bin ich bereit für meinen Morgenlauf. Ich streife meine Laufschuhe, die Laufhose und ein T-Shirt über, greife meine Autoschlüssel und los geht´s. Nur wenige Minuten Fahrt, dann bin ich am Ziel. Oberhalb eines kleinen Dorfes stelle ich den Wagen ab. Es ist schon warm, um die 22 Grad. Das T-Shirt lasse ich deshalb gleich im Auto.
Nach 3 oder 4 Minuten lockeren Trabens bin ich im Wald. Noch ein Blick in die Runde, einmal Horchen, und ich streife die Hose ab. Soll ich sie mitnehmen oder unter einem Busch deponieren? Im Elm gibt es doch viele unebene Wege. Und nackt zu laufen, ist sehr schön, aber vielleicht mit einem verstauchten Knöchel nackt durch den Wald zu humpeln, wäre mir doch eher unangenehm. Und ich habe eine große Laufrunde vor. Also nehme ich die Hose mit, ist ja auch nicht schlimm, weil es nur so ein kleines Ding ist. Die Schuhe lasse ich natürlich auch an. Ich jogge weiter durch den Wald.
Auf den ersten Metern ist das Nacktlaufen immer ein komisches Gefühl. Frei, aber auch schutzlos. Aber schnell gewöhne ich mich wieder daran und genieße die laue Morgenluft auf meinem Körper. Nach 300 Metern komme ich aus dem Wald und biege auf einen Feldweg ein, der einen Abhang hinunterführt. Die Aussicht ist großartig. Links von mir der Buchenwald, rechts ein Getreidefeld. Sattgelbe Rapsfelder im Vordergrund. Zehn Kilometer Luftlinie von hier liegt Braunschweig. Schräg dahinter sind die Schlote des Stahlwerkes in Salzgitter zu sehen, die auch an diesem frühen Sonntagmorgen rauchen. Ansonsten ist kein menschliches Lebenszeichen zu hören oder zu sehen. Die ruhige, heitere Stimmung des Morgens hebt meine eigene Stimmung weiter an. Meine Schuhe trommeln in einem gleichmäßigen Rhythmus auf die Erde, der Atem geht langsam und regelmäßig.
Ich biege auf einen Weg ein, der wieder bergauf führt. Nach einigen Minuten beginne ich zu schwitzen. Meine Haut fühlt sich feucht vom Schweiß an. Aber kein T-Shirt klebt auf der Haut. Beim letzten Nacktlauf vor einer Woche hat es geregnet. Zunächst beginnt es sanft zu tröpfeln. Dann regnet es stärker. Der kühle Regen läuft an meinem Körper hinunter, wäscht den Schweiß ab und erfrischt mich. Es ist viel angenehmer, nackt durch den Regen zu laufen, als wenn beim Laufen im Regen mit Kleidung das T-Shirt sich erst langsam voll Wasser saugt und dann nass, schwer und kalt auf der Haut hängt. Der Regen ist ein Teil der Natur, genau wie ich. Ich nehme ihn an und laufe weiter, inzwischen patschnass. Der Regen ist warm, es ist ein angenehmes Gefühl. Aber jetzt beginnt es auch noch zu donnern. Ich muss nun doch umkehren.
Heute allerdings ist keine Wolke am Himmel zu sehen. Der Weg führt genau nach Osten. Die Sonne ist gerade über den Bäumen zum Vorschein gekommen und wärmt die Vorderseite meines Körpers. Ich biege auf einen schmalen Trampelpfad und bleibe abrupt stehen. Keine zehn Meter vor mir steht ein großes Reh auf dem Weg. Als es mich bemerkt, verschwindet es in den Büschen. Ich kann hören, dass es sich in einem Halbkreis um mich herum bewegt und dann im Wald verschwindet. Es weht kein Wind. Ich bin ganz allein mit den Tieren und Pflanzen des Waldes. Der Pfad ist so schmal, dass andauernd Zweige gegen meine Brust und gegen meine Beine schlagen. Sie sind noch feucht vom Tau und die Berührung mit den Blättern erfrischt mich. Ich könnte stundenlang so weiterlaufen. An einer Kreuzung muss ich mich entscheiden, ich wähle einen Weg, der durch eine Schonung mit kleineren Bäumen führt, um die Sonne auf der Haut noch etwas genießen zu können.
Nun bin ich wieder in der Nähe meines Autos angekommen. Ich gehe das letzte Stück, bis mein Herzschlag wieder normal geht. Kurz bevor ich aus dem Wald komme, streife ich meine Laufhose über. Erschöpft, zufrieden und ausgeglichen erreiche ich meinen Ausgangspunkt. Ich freue mich schon auf meine Dusche zu Hause.