Schrott
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schrott, mit vornamen raoul lautet der name eines seltsamen dichters, der sich abwendet vom »veloziferischen denken«, von den übereilungen, der ungeduld und der mir allein deshalb schon sympathisch ist.
Raoul Schrott
Shaghayegh
der himmel ein zu erntendes feld der mond die sichel
hätte er geschrieben doch dafür war die nacht
auf der weißen terrasse zu kurz
jedes wort bloß halblaut weil der wärter ums eck
eingerollt in einem teppich schlief
die berge im dunkeln umrissen mit einem grabstichel
die stille abgesetzter und stets wieder zurückgebracht
vom blick auf den fenstersturz
dem tischtuch mit seinem frühstücksgedeck
ein von blattgold umrahmtes motiv
die kolorierte gravur eines persia infelix et deserta
unter den kristalllustern innen im gästehaus des schah
er trank aus ihren bechern spuckte den bodensatz aus
und sprach vom wein während die wächter
draußen am gras lagen im mittag
abgedrehter brunnenfontänen mohn am wegrand
und sein himmel in der kluft zur erde
rissig wie das schwimmbecken im garten vor dem haus
wo die einzige lampe brannte die szene umso unechter
in der zeit ein nachtigallenschlag
der widerhallte an der abgesackten betonwand
die liebe als ins leere gehende gebärde
die bis in den morgen eine gegenwart beschwörte
welche uns nicht zuließ weil sie nur bittstellern gehörte
später das licht am grat wie in einem zerkratzten spiegel
ich fuhr dir mit der fingerspitze über die narbe
an deiner oberlippe - dann die farbe
die ausbrach in ihm und den tag beim namen hieß
mißversteh meine zeilen nicht schrieb hafiz
ich war nur ein bogen schattpapier jedes wort ein siegel
shiraz 11.10.01