Der alte Sack schrieb am 2.5. 2005 um 10:52:13 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Als mcnep's Assoziation zu 'Schminkköfferchen' las, fragte ich mich, warum sich ein offensichtlich gebildeter Mann Mitte 40 in einem von pubertierenden, drogenverherrlichenden Vollkretins durchseuten medium wie dem Blaster so wohlfühlt.
Bis ich in den Spiegen sah und realisierte, das auch ich ein offensichtlich gebildeter Mann Mitte 40 bin.
mcnep schrieb am 2.5. 2005 um 10:29:15 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Anfangs fand ich die Enthaltsamkeitsstichworte des dunklen Hobbits mal peinlich, mal amüsant, aber es bestand für mich nie ein Zweifel, daß all diese SterbenohnejeSexgehabtzuhaben, sterbenohnejegeliebtzuhaben und frag nicht was noch alles für todtraurige Zölibatsvisionen mehr eine Form der Klage als des Gelübdes darstellten. Seit Konrads Tod müssten mir manche dieser 'Stichis' sogar wie blanker Hohn verkommen, überwöge nicht das wohlwollende und beinahe mitleidige Gefühl, Jakob bei einem Herbeisehnen bislang unausgeloteter Tiefen seines Seelenhaushaltes zuzusehen. Meine Situation jedenfalls ist sehr grundsätzlich von der des Hobbits unterschieden und am einfachsten ließe sich die Sache vielleicht dadurch auf den Punkt bringen, wenn ich einfach postulieren würde, ich habe Blut geleckt. Beziehungsweise war fast die gesamte Lebenszeit unseres Kelchstifters hindurch an einer schier unerschöpflichen Quelle. Zwar war Konrads eigene Mannbarkeit schon seit einigen Jahren krankheitsbedingt in den vorgezogenen Ruhestand getreten, doch hatte er sich stets eine, nun, ich sag mal einfühlsame Empfänglichkeit bewahrt, welche mir über die Jahre, die nicht von Krankheiten überschattet waren, eine gewisse Grundversorgung garantierte, die ich nach meinem und Konrads Ermessen gelegentlich durch einige Sonderzuteilungen aufstockte, welche ich mir bei grundsätzlich wechselnden Lieferanten zu beschaffen pflegte. Und keine, gerade der männlichen Jungfrauen hier, die dieses selbst für Blasterverhältnisse erstaunlich freimütige Bekenntnis mit einem Runzeln begleiten möge! Entgegen landläufiger Vorstellungen ist gerade bei einem langjährig vertrauten Paar der Rektaltrakt der ungleich gangbarere Weg im Vergleich zur diffizilen Anatomie des weiblichen Genitals, vom hochkomplexen Gefühlshaushalt der Schlitzpisserinnen mal ganz zu schweigen. Ein sodomitischer Akt, mit gleicher Umsicht und partnerschaftlicher Fürsorge begangen wie eine Einführung durch das Vaginalrohr, ist eine tiptoppe Sache und das Gummi braucht man meist wirklich nur gegen die Kinder und Keime. Liebe ist sowieso niemals nie nicht bah, wie es die sonderbaren Verzichtsschwüre auf den Anblick von Genitalien oder einzelner Sexualpraktiken hier im Blaster nahelegen wollen. Jedenfalls wurmt mich meine fehlende Zweischläfrigkeit derzeit ohnehin genug, muß ich mich da verhöhnen lassen von jungen Fanten, deren Liebeserfahrungen sich auf sporadische Genitalpenetration oder gar Zwangsonanie gründen, und die mir weis machen wollen, das mit dem Verzicht aufs oymeln, das sei ja gar kein Problem, die Welt sei ja eh so schlecht und so ein Schwanz lenke da ja bloß von der Sicht auf die Globalisierung, die Kitzlerbeschneidung oder der Schönheit nordostwestfälischen Plattenbaus ab. Brrrr, also hömma. Und sich dann noch zurechtstylen, als hielte einen nur noch ein Schminkköfferchen voll Leichenkosmetik an dieser Welt fest. Seit 25 Jahren diese weinerlichen Robert Smith–Visagen, die Weltflüchter mit den aufgedruckten Schmutzflecken, gut aus Angst und nicht aus Überzeugung, Frühgeborene vor dem Sonnenaufgang ihres eigentlichen Daseins, für die der Weltuntergang so sicher kommen möge wie die monatliche elterliche Zuwendung, nur bitte in umgekehrter Reihenfolge. Haben diese Spielbälle ihrer Klolektüren, diese nächtlichen Handarbeiter mit Hoffnung oder ohne auf künftige Besoldungsklassen, schon mal darüber nachgedacht, daß es für einen 40jährigen sonderbar klingen könnte, wenn da aus noch nicht allzu lange erstrasiertem Knabenmund in einem Atemzug der Verzicht auf die physische Liebe und die kraftlose Freude an der Zukunftslosigkeit gepredigt wird? Daß es etwas komisch ist, jungen Männern zuzuhören, die am Morgen ihres Lebens die Schönheit oder die Schrecknisse des einsamen Abends preisen? Dem Tod davonlaufen, und dabei in die Arme der Liebe fallen, wie wäre das denn mal zur Abwechslung? Denn da scheint und vielleicht noch am wenigsten bewußt, das Problem dieser ganzen Generation vorgebildet zu sein: Eben jene Unmenschlichkeit, die sie dieser Zivilisation nicht zu Unrecht vorwerfen, hat sie im Grunde längst eingeholt und überholt. Während noch das sterbende Kapital in seinen Schutzburgen grandiose morbide Feste abhält, und jeder Blick auf die gestrafften und übertünchten Fassaden an das Schloß Prosperos vor den Toren der pestdurchwehten Stadt gemahnt, beeilen sich die Attacpietisten, wenigstens auch im Sterben die vordersten Sitzplätze einzufordern, die sie glauben, durch das uneinklagbare Verdienst der Ohnmacht beanspruchen zu dürfen. SterbenohnejeSexgehabtzuhaben? Der Sex, der stellt sich meistens irgendwann im Leben ein und wird dann so dankbar angenommen wie ein lange gefangengenommener Freund bei seiner Wiederkehr, ein vernünftiger Haarschnitt und ein paar Schritte abseits der ichkreiselnden Mikrokrisen reichen da schon oft aus; Aber sterbenohnejePolitikgemachtzuhaben, dieses scheinbare Schreckgespenst ist verdeckt jeder Antisex–Fahne untergenäht. Denn das Ficken bewahrt vor dem Geficktwerden, es glättet die Sprünge des Geistes und macht die Seele klar. Die Stimme wird fest, Haltungsschäden bessern sich, im Augenspiegel des Geliebten macht der gärende, kaum der hektisch flimmernden Kinderwelt entwachsene Körper erste unbeholfene Tanzschritte, die Morgenröte vertieften Empfindens schickt ihre ersten lockenden Strahlen in das karamelharte Herz, in dem das stockige Blut unerlöst und zäh wie ein Erdbeermilchshake von McDonalds suppt. Aber nein, die Welt ist schlecht und so reißen sie sich noch ihr kaum angewachsenes Pflänzchen weltgeöffneten Empfindens aus der käsigen Brust und werfen den welkenden Trieb den übrigen Idealen hinterher. Um sich am Ende zu wundern, warum sie am Ende eine genau so fratzenhafte Erde verlassen, wie sie sie sich immer ausgemalt haben, als sich für sie schon in einer wertlos fernen Zeit weggeworfener Jugend ihr Schmerz statt in Liebe in Resignation gewandelt hatte.